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      Andreas Strasser schluckte. »Wir können weiter so zusammen bleiben wie bisher, Gisela«, erwiderte er. »Das Kind aber muß weg.«

      »Eine Abtreibung also. Das meinst du doch. Oder?«

      »Genau«, bestätigte der Mann. »Einen Abort.«

      »Nein«, widersprach Gisela. »Das kommt nicht in Frage. Außerdem wird das kein Arzt ohne triftigen Grund machen.«

      »Mit Geld kann man vieles erreichen!«

      »Ich will aber nicht«, beharrte Gisela auf ihrem Standpunkt. »So kannst du dieses Problem nicht lösen.« Ihre Stimme nahm einen erregten Klang an, wurde lauter.

      »Bitte sprich leiser, Gisela!« An­dreas Strasser sah sich im Frühstücksraum um, ob einer der Gäste von ihrer Unterhaltung etwas mitbekommen hatte. Das wäre ihm ungemein peinlich gewesen. Doch niemand – es waren nur fünf Gäste im Raum – schien etwas von ihrem Gespräch gehört zu haben. Lediglich diese junge Vermessungstechnikerin sah einmal von ihrem Tisch herüber, stand aber Sekunden später auf und ging aus dem Raum.

      »Also, wie stellst du dich jetzt dazu?« ergriff Gisela Karner nach sekundenlangem Schweigen wieder das Wort.

      Andreas Strasser wollte es nicht auf einen Eklat ankommen lassen. Er kannte Gisela. Sie war nicht nur in der Liebe leidenschaftlich. Er mußte jetzt diplomatisch vorgehen. Nach wie vor stand er auf dem Standpunkt, daß ein Kind seine Existenz gefährdete. Es durfte gar nicht erst das Licht der Welt erblicken. Klar war er sich in diesen Sekunden aber auch, daß es nicht leicht sein würde, Gisela zu einem Abort zu überreden. Doch er mußte das mit allen Mitteln erreichen, ob im Guten oder im Bösen. »Liebe Gisela, wir wollen uns jetzt nicht streiten«, sagte er und versuchte seiner Stimme einen versöhnlichen und einlenkenden Klang zu geben, was ihm aber nur teilweise gelang. »Nicht hier in der Öffentlichkeit wollen wir darüber reden. Ich mache dir einen Vorschlag: leg dich noch ein Weilchen hin, während ich nur rasch zum Bürgermeister fahre und mir anschließend die Vermessungsarbeiten da unten am See ansehe. Ich komme dann zurück, und wir werden gemeinsam eine Lösung finden. Einverstanden?« Seine Hand tastete nach Giselas Unterarm. »Sei jetzt nett und lieb!« bat er.

      Gisela atmete hastig. Wie gern hätte sie geglaubt, daß Andreas zur Einsicht käme und das in ihrem Leib heranwachsende Kind akzeptierte. Doch es fiel ihr schwer. Das Vertrauen zu ihm und seinen Worten fehlte einfach. Es war ein Riß, der immer größer wurde, wie sie meinte. »Also gut, Andreas, wir werden nachher miteinander reden«, ging sie auf Andreas’ Vorschlag ein. »Ich warte oben im Zimmer auf dich. Ich sage dir aber jetzt schon, daß du dich dann entscheiden mußt. Klar und deutlich.«

      »Das verspreche ich dir«, gab der Bauunternehmer zurück und stand auf. »Ich fahre jetzt zum Bürgermeister und dann…« Er sprach nicht weiter, sondern begleitete die ebenfalls aufgestandene Gisela aus dem Frühstückszimmer. Dort verabschiedete er sich mit einem flüchtigen Kuß auf Giselas Wange und verließ den GOLDENEN OCHSEN. Er wollte jetzt nur allein sein. Im Augenblick interessierte ihn weder der Bürgermeister noch die Arbeit der Vermessungstechnikerin. Viel wichtiger war für ihn jetzt, wie er das sich so unvermutet gebildete Problem lösen konnte.

      Gelöst aber mußte es werden. So oder so.

      *

      Sie saßen alle schon im Besprechungszimmer, als Dr. Hendrik Lindau Punkt neun Uhr dort eintraf. Anja Westphal hatte sogar die beiden Assistenzärzte vom Nachtdienst zum Erscheinen veranlaßt. Sie mußten eben ihren verdienten Schlaf um eine bis zwei Stunden verschieben.

      »Meine Dame, meine Herren«, ergriff Dr. Lindau auch gleich nach einer ganz kurzen Begrüßung ohne Umschweife das Wort. »Sie haben ja inzwischen schon mitbekommen, daß ich meinen Urlaub unterbrochen habe. Aus welchem Grunde, dürfte Ihnen auch bekannt sein. Kurz gesagt, es sind Maßnahmen zu treffen, die eine Attacke auf die Ruhe und den Frieden unserer Klinik verhindern sollen. Ich bin zwar der Leiter dieser Klinik, aber ich möchte diese Angelegenheit doch zuerst mit Ihnen allen besprechen, ehe ich etwas unternehme. Lassen wir uns zunächst von unserer Kollegin, Frau Dr. Westphal, die augenblickliche Situation berichten.« Auffordernd sah er Anja Westphal an, die neben ihm Platz genommen hatte.

      Die Ärztin ließ sich nicht länger bitten und berichtete, was sie wußte. »Ich möchte an dieser Stelle dem Kollegen Bernau danken, daß er mich auf diese Vermessungsarbeiten neben der Klinik und deren Hintergründe aufmerksam gemacht hat. Tja, und dann hielt ich es eben für richtig, mit dem Bürgermeister von Auefelden ein paar ernste Worte zu reden und ihn auf die negativen Seiten eines solchen Feriencenters in unmittelbarer Nähe der Klinik hinzuweisen.« Mit knappen Worten erzählte sie von der Unterredung mit Bürgermeister Hofstätter. »Ich muß gestehen, daß ich nichts erreicht habe«, schloß sie ihren Vortrag.

      »Sehr unvernünftig und unüberlegt vom Bürgermeister…«

      »Zumindest hätte er erst einmal mit uns darüber reden können, bevor er das Land da unten an einen Geschäftemacher verkauft…«

      »Ich finde es, gelinde gesagt, rücksichtslos…«

      So und ähnlich waren die Bemerkungen der anwesenden Ärzte. Einig aber waren sich alle darin, daß ein Feriencenter neben der Klinik sich ungünstig auf die Gesundung der Patientinnen auswirken mußte. Es gab nun einmal, und zwar besonders bei Frauen, Leiden, deren Heilung zu einem großen Teil von unbedingter Ruhe abhängig war.

      »Ich denke, daß ich zunächst einmal mit unserem verehrten Herrn Bürgermeister ein Wörtchen reden werde«, ergriff Dr. Lindau das Wort. Sein Vorschlag fand allgemeine Zustimmung.

      »Was aber, wenn er sich auch weiterhin querstellt?« warf Dr. Reichel die Frage auf. »Was können wir dagegen tun?«

      Über diese Frage wurde nun minutenlang debattiert. Keiner wußte jedoch einen vernünftigen und dabei erfolgversprechenden Vorschlag.

      »Eine Möglichkeit wäre natürlich, daß wir dem Baulöwen aus München zuvorkommen und der Gemeinde Aue­felden das Gelände da unten am See abkaufen«, meinte Dr. Hoff. »Dem Bürgermeister ist es doch in erster Linie um das Geld zu tun – im Interesse der Gemeinde natürlich«, setzte er spröde lächelnd hinzu.

      »Na, Herr Hoff, ob Sie sich da nicht ein wenig irren«, entgegnete die Ärztin. »Mein Eindruck während der Unterredung mit Herrn Hofstätter war, daß er nicht nur an dem Preis für das Land unten am See interessiert ist, sondern sich für die wirtschaftliche Verbesserung des Ortes stark macht. Immerhin – und das kann man nicht verhehlen – würden durch ein so nahe am Ort gelegenes Feriencenter die Umsätze der verschiedenen Geschäfte doch um einiges steigen. Damit dann natürlich auch die Steuereinnahmen der Gemeinde. Sie sehen, der Bürgermeister ist nicht dumm.«

      »Ich muß unserer Kollegin beipflichten«, ergriff Dr. Lindau wieder das Wort. »Der Gedankengang des Bürgermeisters ist so gesehen durchaus positiv.«

      »Mag sein«, meldete sich Dr. Lin­daus Schwiegersohn zu Wort. »Solche Überlegungen sind natürlich dann gut, wenn sie nicht auf Kosten der Klinik und ihrer Kranken gemacht werden.«

      »Das ist auch wieder richtig«, meinte Dr. Lindau. »Ihr Hinweis, Herr Hoff«, wandte er sich dann an den Chirurgen, »daß wir das umstrittene Gelände kaufen sollten, bevor es dieser Herr Strasser tut, ist zu realitätsfern. Warum? Ganz einfach: weil wir eine solche Kaufsumme gar nicht aufbringen könnten, denn ich bin davon überzeugt, daß der Bauunternehmer Strasser dem Bürgermeister ein großzügiges Angebot gemacht hat. Der Mann ist ja auch nicht dumm und weiß genau, daß er mit so einem Feriencenter ganz schönen Gewinn erzielen wird.«

      »Was also können wir unternehmen?« warf Dr. Reichel erneut die Frage auf.

      Dr. Lindau übernahm die Antwort. »Wie schon gesagt – ich werde heute noch mit dem Bürgermeister reden«, erklärte er. »Gleich nach unserer Besprechung fahre ich zu ihm. Sollte ich keinen Erfolg haben, so werde ich mich an den Landrat wenden.«

      »Ich wüßte noch eine Möglichkeit«, meldete sich Dr. Bernau.

      Alle schauten ihn fragend an. »Die wäre?« wollte der Chefarzt wissen.

      Dr.

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