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Linie die wirtschaftlichen Interessen von Auefelden im Auge. Ich hoffe, Sie verstehen das.«

      »Nein, Herr Bürgermeister, ganz und gar nicht, wenn es auf Kosten von Kranken geht«, gab Anja Westphal zurück. Ihr Ton war um eine Nuance schärfer geworden.

      »Das kann ich dann auch nicht ändern«, entgegnete Stefan Hofstätter kühl und abweisend. »Der Grund und Boden da unten am See ist Gemeindebesitz, und ich halte es für meine Pflicht als Bürgermeister, diesen Besitz zum Wohl von Auefelden nutzbringend arbeiten zu lassen.«

      »Zu verkaufen, wollten Sie sicher sagen«, meinte die Ärztin.

      »Wenn Sie so wollen – ja«, gab der Bürgermeister zu. »Dadurch wird die Gemeindekasse gefüllt.«

      »Verstehe«, gab Anja Westphal zurück. »Aber es läge doch in Ihrer Macht, die Errichtung eines Feriencenters zu verhindern.«

      »Weshalb sollte ich das?« Der Bürgermeister verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Durch dieses Feriencenter wird zudem eine zusätzliche Einnahmequell für Auefelden frei. Die Geschäftsleute im Ort werden davon profitieren und damit zwangsläufig auch unsere Steuerkasse.«

      »Also nur Profit«, stieß die Ärztin hervor.

      »Davon lebt doch schließlich die ganze Welt«, meinte der Bürgermeister. »Ich vergaß – die Genehmigung des Landrates liegt natürlich vor, und die Kaufverträge sind unterschriftsreif. Herr Strasser hat bereits mit den Vermessungsarbeiten beginnen lassen.«

      »Das habe ich gesehen.« Die Ärztin spürte, daß sie bei dem Bügermeister auf Granit biß. Der hatte nur den Profit für Auefelden im Sinn und setzte sich rücksichtslos über jede Bedenken hinweg. »Sie sehen also keine Möglichkeit…«

      »Nein«, fiel der Bürgermeister der Ärztin hart ins Wort und erhob sich. »Damit betrachte ich diese Unterredung als beendet.«

      »Ich hoffe dennoch, daß darüber noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.« Anja Westphal stand ebenfalls auf. Zornig blitzte es in ihren Augen auf. »Schade, daß Herr Dr. Lindau nicht hier ist«, stieß sie hervor.

      »Er könnte an den Tatsachen auch nichts ändern«, entgegnete der Bürgermeister. »Die Kaufverträge werden in einigen Tagen von Herrn Strasser unterschrieben, und damit ist alles gelaufen.«

      Anja Westphal sah keine Möglichkeit mehr, den Bürgermeister in ihrem Sinne umzustimmen. Frostig erwiderte sie den Gruß des Bürgermeisters, der eilig das Zimmer verließ.

      Eine ganze Weile zerbrach sich die Ärztin noch den Kopf, ohne eine brauchbare Lösung für dieses Problem zu finden. Sie dachte an das Landratsamt, an eine Resolution an den Landrat. Die große Frage war nur, ob ein solches Vorgehen nutzen würde. Abgesehen davon konnte und wollte sie solche Schritte nicht ohne Wissen Dr. Lindaus unternehmen.

      Dr. Lindau, sinnierte sie, ob der vielleicht eine Lösung wüßte? Der Gedanke an den im Urlaub befindlichen Klinikleiter aktivierte plötzlich ihre grauen Zellen. »Ob ich ihn in seinem Urlaubsort anrufe und ihm melde, was hier vorgeht?« fragte sie sich mit flüsternder Stimme. Sollte sie ihn in seiner Urlaubsruhe stören? Angenehm war das nicht gerade. Aber andererseits hatte er noch vor seiner Abreise verlangt, verständigt zu werden, wenn etwas aus dem Rahmen fallendes eintreten sollte.

      »Wir haben aber jetzt eine außergewöhnliche Situation«, murmelte Anja Westphal. Es wäre also durchaus gerechtfertigt, den Chefarzt anzurufen, versuchte sie sich einzureden. Minuten später war sie dazu entschlossen. »Ja, ich werde ihm die Lage auf jeden Fall schildern«, murmelte sie. Olme noch länger zu überlegen, griff sie zum Telefon und rief im Chefarztbüro an. Sie bat die sich meldende Sekretärin, eine Verbindung mit Dr. Lindau herzustellen. »Sie wissen doch, wo er sich aufhält?« fragte sie.

      »Natürlich«, kam die selbstbewußte Antwort von Marga Stäuber. »Ich habe alles notiert – auch die Telefonnummer des Hotels, in dem der Herr Doktor abgestiegen ist.«

      »Dann versuchen Sie bitte, ihn zu erreichen, Frau Stäuber, und legen Sie das Gespräch gleich zu mir herauf, wenn Sie den Chef an der Leitung haben«, beschwor Anja Westphal die Sekretärin.

      »Mach ich, Frau Doktor.«

      »Danke.« Sanft legte die Ärztin den Hörer wieder auf die Gabel.

      *

      Genüßlich schlürfte Dr. Lindau auf der Terrasse des Hotels einen Cappuccino. Sein Blick ging über den Gardasee, über den sich ein azurblauer Himmel wölbte. Vereinzelte Segelboote bewegten sich langsam über die spiegelglatte Wasserfläche. Es war drückend warm, und Dr. Lindau griff öfter nach seinem Taschentuch, um sich die winzigen Schweißperlen von der Stirn abzutupfen.

      Eben hatte er zwei Ansichtskarten geschrieben – eine an seine Tochter Astrid und deren Mann und eine an das Ärzteteam der Klinik am See. Die wollte er noch vor dem Mittagessen in einen Briefkasten werfen.

      Sinnend starrte er vor sich hin und ließ seinen Gedanken freien Lauf. Er konnte es nicht verhindern, daß er immer wieder an die Klinik dachte. Natürlich räumte er ein, daß ihm dieser Urlaub wirklich guttat – jedenfalls hatte er es in diesen wenigen Tagen, die er nun hier unten am Gardasee war, noch nicht bereut, dem Drängen seiner Tochter und des Schwiegersohnes nachgegeben zu haben. Andererseits aber war er viel zu stark mit seiner Klinik und deren Belangen verbunden, als daß er sich nicht doch ab und zu zurücksehnte. Überhaupt hatte er seit dem gestrigen Tag ein eigenartiges Gefühl im Zusammenhang mit der Klinik. Er konnte es nicht genau definieren, aber ihm war, als gäbe es da oben in Auefelden irgendwelche Probleme.

      Unsinn, redete er sich in Gedanken zu, wenn es das wäre, so würde man mich bestimmt anrufen. Er hatte ja vor seiner Abreise ausdrücklich darum gebeten – Astrid und Alexander ebenso wie seine Stellvertreterin Frau Dr. Westphal.

      Er hatte diese Überlegung gerade beendet, als einer der Kellner auf die Terrasse gelaufen kam. »Signore Dottore, es ist Telefon für Sie, aus Deutschland… von Klinik…«, rief er.

      Dr. Lindau sprang auf. »Grazie«, dankte er und eilte ins Innere des Hotels. »Telefon für mich?« fragte er an der Rezeption.

      »Si, Signore Dottore – Kabine due… zwei.«

      Dr. Lindau begab sich in die bezeichnete Kabine und meldete sich. »Doktor Lindau…«

      »Guten Tag, Herr Doktor, wie geht es Ihnen?« Es war Marga Stäuber, die das fragte.

      »Danke, Frau Stäuber, ich bin zufrieden«, antwortete Dr. Lindau und war froh, daß die Verbindung gut war. »Aber Sie rufen doch sicher nicht an, nur um sich nach meinem Befinden zu erkundigen.«

      »Nein, Herr Doktor, Frau Dr. Westphal möchte mit Ihnen sprechen. Ich verbinde Sie…«

      In diesem Augenblick meldete sich bei Dr. Lindau wieder dieses merkwürdige Gefühl, das er in den vergangenen Stunden schon einige Male bemerkt hatte. Es war, als ob etwas auf ihn zukäme, dem er nicht auszuweichen vermochte. Aber was konnte das sein?

      »Hier ist Dr. Westphal«, kam plötzlich die Stimme der Ärztin. »Hendrik, kannst du mich hören?«

      »Ja, sehr gut sogar«, erwiderte Dr. Lindau. »Was gibt es? Du wolltest mich sprechen? Ist etwas passiert?« Ungeduldig klang seine Stimme.

      »Passiert noch nicht, aber es kann bald geschehen«, klang es durch die Leitung. »Deshalb habe ich mich überwunden und dich angerufen, weil ich nicht weiter weiß. Ich hoffe, du verzeihst mir die Störung deiner Urlaubsruhe.«

      »Rede nicht herum«, wurde Dr. Lindau energisch, »und sag schon, was los ist!«

      »Ja, es geht um folgendes…« Dr. Anja Westphal berichtete, was sich in diesen Tagen getan hatte und noch weiter tat. Sie erzählt auch von ihren Bemühungen, den Bürgermeister umzustimmen. »Leider ohne Erfolg«, bekannte sie. »Ich weiß nun nicht, was weiter geschehen soll, um diese Attacke auf die Ruhe und den Frieden der Klinik zu unterbinden beziehungsweise erst gar nicht beginnen zu lassen.«

      Dr. Lindau hatte die Kollegin mit keinem Wort unterbrochen. Seine Miene war

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