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des Bürgermeisters! Na, dem werde ich etwas erzählen. Ich komme sofort nach Hause«, stieß er hervor.

      »Aber deine Ferien, Hendrik«, warf Anja Westphal ein, »die kannst du doch nicht so einfach…«

      »Und ob ich das kann«, fiel Dr. Lindau der Kollegin ins Wort. »Jetzt geht die Klinik vor. Meine Klinik, die ich mir nicht von irgendwelchen Geschäftemachern vermiesen lassen werde. Jedenfalls fahre ich spätestens in einer Stunde von hier los und bin wahrscheinlich am späten Nachmittag in der Klinik. Erwarte mich bitte! Danke für deinen Anruf.« Er legte auf.

      »Meine Rechnung, bitte, ich reise in einer knappen Stunde ab«, teilte er Sekunden später dem Mann an der Rezeption mit.

      »Signore Dottore, Sie wollen schon wieder fort?« staunte der dienstbare Hotelgeist. »Gefällt es Ihnen denn nicht mehr bei uns?«

      »Es gefällt mir gut«, erwiderte Dr. Lindau, »aber meine Klinik ist in Schwierigkeiten, verstehen Sie?!«

      »Si, si«, beeilte sich der Rezep­tions­mann zu versichern. »Ich lasse die Rechnung fertig machen.«

      »Danke. Ich packe inzwischen und werde noch etwas zu Mittag essen.« Dr. Lindau sah auf die Uhr. »In fünf­undvierzig Minuten fahre ich los.« Mit langen Schritten eilte er auf den Lift zu und fuhr nach oben, urn seinen Koffer zu packen.

      *

      Marga Stäuber deckte ihre Schreibmaschine zu, denn ihr Dienst war für den heutigen Tag beendet, und wollte gehen. In diesem Augenblick ging die Tür auf, und Dr. Lindau stand vor ihr.

      Ihre Augen wurden groß und rund, und sie schnappte nach Luft, als sie ihren verehrten Chef so plötzlich vor sich stehen sah. »Das ist doch nicht möglich«, brachte sie stammelnd hervor. »Sind Sie denn nicht…«

      »Nein, bin ich nicht mehr«, fiel Dr. Lindau seiner Sekretärin lächelnd ins Wort. »Jetzt bin ich wieder hier, wie Sie sehen.«

      Es dauerte einige Sekunden, bis sich Marga Stäuber von ihrer Überraschung erholt hatte. »Was hat das denn zu bedeuten?« fragte sie fassungslos.

      »Das, Stäuberlein, erkläre ich Ihnen später, falls Sie es noch nicht wissen sollten«, erwiderte der Chefarzt.

      »Es handelt sich sicher um dieses geplante Feriencenter neben der Klinik«, entgegnete die Sekretärin.

      »Na, Sie wissen also doch schon Bescheid…«

      »Na ja, das ist ja Tagesgespräch in der Klinik.« Fragend sah sie ihren Chef an. »Wollen Sie noch etwas diktieren oder haben Sie sonst einen Wunsch? Ich habe es nicht eilig.«

      Dr. Lindau winkte ab. »Nein, machen Sie ruhig Feierabend, Frau Stäuber«, sagte er. »Das heißt, Sie könnten vorher noch Frau Dr. Westphal zu mir bitten, Sie erwartet mich.«

      »Sofort.« Marga Stäuber rief die Ärztin an. »Sie kommt sofort herunter«, gab sie dem Chefarzt zu verstehen. »Ja, dann werde ich eben gehen«, fügte sie hinzu, obwohl sie liebend gern noch geblieben wäre, um vielleicht zu erfahren, was der Chef mit Frau Dr. Westphal noch wegen dieser Sache zu besprechen hatte. Doch da Dr. Lindau keine Anstalten machte, sie noch zurückzuhalten, sondern in seinem Zimmer verschwand, verließ sie schmollend ihr kleines Büro, um nach Hause zu gehen.

      Auf dem Flur stieß sie fast mit der Ärztin zusammen. »Er wartet schon auf Sie, Frau Doktor«, sagte sie nur und schritt weiter.

      Anja Westphal betrat Sekunden später Dr. Lindaus Zimmer.

      »Halten wir uns nicht erst bei langen Höflichkeitsfloskeln auf«, ergriff Dr. Lindau sofort das Wort. »Es geht jetzt um wichtigere Dinge. Bitte erzähl mir alles noch einmal ausführlich! Am Telefon war das ja nicht vollkommen möglich. Auch deine Unterhaltung mit dem Bürgermeister würde mich interessieren.« Einladend deutete er auf einen Stuhl.

      Anja Westphal kam dem Verlangen des Chefarztes nach und berichtete von Anfang an – wie sie zuerst von Dr. Bernau darauf hingewiesen worden war, von ihrer Absicht, zum Bürgermeister zu gehen, um mit ihm ernsthaft zu reden, und von seinem unvermuteten Erscheinen in der Klinik.

      »Kam er etwa her, um über diese Angelegenheit zu reden?« wollte Dr. Lindau wissen.

      »Aber nein«, erwiderte Anja Westphal. »Er hat seine Frau eingeliefert, und da habe ich eben die Gelegenheit gleich wahrgenommen und ihn zur Rede gestellt.«

      »Interessant – seine Frau liegt hier in der Klinik?«

      Die Ärztin nickte. »Sie wird wahrscheinlich morgen oder übermorgen operiert«, erklärte sie. »Ich muß das morgen noch mit Dr. Hoff absprechen. Ovarialzysten müssen ihr entfernt werden.« Fragend blickte sie Dr. Lindau an. »Was gedenkst du nun zu unternehmen?«

      »Ich werde mir als erstes den verehrten Herrn Bürgermeister vornehmen«, antwortete der Klinikchef. Ein ganz leichter drohender Unterton schwang in seinen Worten mit. »Dann werden wir weitersehen.«

      »Ich hoffe, daß du mehr Glück hast«, meinte die Ärztin. »Er ist ein harter Brocken«, setzte sie mahnend hinzu.

      »Das kann ich auch sein, wenn es erforderlich ist«, versicherte Dr. Lindau der Kollegin. »Tja, das wär’s fürs erste«, fuhr er fort. »Ich würde dich aber bitten, für morgen neun Uhr die übrigen Kollegen zu einer kurzen Sonderbesprechung im Ärztezimmer zusammenzutrommeln; noch vor der Visite.«

      »Das erledige ich«, gab die Ärztin zurück. »Hm, noch eine Frage: Bist du morgen wieder im Dienst?«

      Dr. Lindau lächelte. »Vorläufig bleibst du noch auf dem Kommandostand, verehrte Kollegin«, antwortete er.

      »Danke. Wir sehen uns dann also morgen um neun Uhr.« Anja Westphal erhob sich, verabschiedete sich mit einem freundlichen Gruß und ging.

      Dr. Lindau machte sich noch einige Notizen und verließ dann wenig später sein Büro und auch die Klinik. Gespannt war er nun auf das Gesicht seiner Tochter und des Schwiegersohnes.

      Die beiden waren aber auch tatsächlich sekundenlang sprachlos, als er keine zwanzig Minuten später vor ihnen stand. »Das darf doch nicht wahr sein, Paps«, fand Astrid zuerst ihre Sprache wieder. »Was, um Himmels willen, machst du denn hier? Wir wähnten dich immer noch da unten am Gardasee. Hat es dir nicht gefallen?«

      »Doch, mein Mädchen«, erwiderte Dr. Lindau, »aber hier bahnt sich etwas an, das mir ganz und gar nicht gefällt. Dagegen muß und werde ich etwas unternehmen.«

      »Du meinst diese Sache mit dem geplanten Feriencenter«, meldete sich Alexander Mertens zu Wort. »Das ist auch wirklich eine… eine… nun ja…«

      »Schweinerei«, fiel Dr. Lindau seinem Schwiegersohn lächelnd ins Wort. »Sag’ es ruhig, denn es stimmt ja.«

      »Ich habe davon gehört«, meinte Astrid. »Aber was willst du dagegen tun? Man kann der Gemeinde schwerlich verbieten, ihr gehörenden Grund und Boden zu verkaufen.«

      »Verkaufen können sie meinetwegen, nur nicht zu dem Zweck, auf diesem Grund ein Feriencenter zu errichten. Dagegen will ich angehen und protestieren«, erregte sich Dr. Lindau. »Morgen werde ich mit dem Bürgermeister ein paar ernste Worte reden.«

      »Tu das, Paps«, Astrid wurde energisch. »Jetzt aber ist für heute Schluß mit diesen Diskussionen. Wenn du nun schon hier bist, dann wollen wir uns wenigstens einen gemütlichen Abend machen.«

      »Astrid hat recht«, pflichtete Alexander seiner hübschen Frau bei.

      »Wir essen nachher auch gleich«, meinte Astrid. »Leider gibt es heute nur eine kalte Platte.«

      »Die kommt mir gerade recht.« Dr. Lindau feixte verstohlen. »Bevor ich von da unten abfuhr, habe ich noch Spaghetti gegessen. Jeden Tag Spaghetti… brrr… das hält…«

      »Schon gut, Paps.« Astrid lachte.

      »Also dann gehe ich erst einmal zu mir rauf, und dann werde ich den Junior begrüßen.« Dr. Lindau nickte den beiden jungen Leuten zu und verschwand mit seinem Koffer in seiner in der oberen Etage des Doktorhauses

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