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eines Privatbetriebes besaß, auf die eine oder andere Weise vom Wohlwollen des Bürgermeisters ein wenig abhängig. »Also meinetwegen«, kam es dann über Anja Westphals Lippen, »sagen Sie Frau Hofstätter, daß Sie morgen um… um… elf Uhr kommen kann.« Sie nickte der Sekretärin freundlich zu und verschwand.

      »Morgen um elf Uhr, Frau Hofstätter«, teilte Marga Stäuber der Bürgermeistersfrau mit. »Frau Dr. Westphal erwartet Sie. Schönen Tag noch«, wünschte sie und legte mit einem kurzen Gruß den Hörer auf.

      *

      Etwas besorgt blickte Bürgermeister Hofstätter seine attraktive Frau an. Wie immer, registrierte er mit einem gewissen Stolz, daß seine Angela mit ihrem faltenlosen glatten Gesicht keineswegs einer Frau ähnelte, die schon auf die Mitte der Vierzig zuging. Sie war zwar etwas mollig, aber gerade das mochte er so an ihr. Insgeheim freute er sich auch darüber, daß sie seit vier Monaten, als er zum neuen Bürgermeister von Auefelden gewählt worden war, ein richtig damenhaftes Benehmen an den Tag legte. Sicher – manchen gefiel das nicht so sehr, aber darum kümmerte er sich nicht.

      Für ihn zählte eigentlich nur, daß Angela als erste Dame des Ortes, als sogenannte First-Lady von Auefelden respektiert wurde und sich mit Fug und Recht zur achtbaren und gehobeneren Gesellschaftsschicht des Ortes zählen durfte. Immerhin war sie die Frau des Bürgermeisters. Er selbst war ja auch die nunmehr höchste Respektsperson von Auefelden. Er wußte auch, daß er geachtet wurde, und zwar nicht nur seiner Stellung wegen, sondern wegen seiner bisherigen Verdienste im Interesse der Gemeinde. Durch seine Energie und sein dynamisches Wirken hatte er Auefelden in der kurzen bisherigen Amtszeit bereits einige Vorteile verschafft, die sich günstig in der Stadtkasse auswirkten. Eben hatte er wieder ein Projekt in die Wege geleitet, das der Gemeinde nicht unerhebliche Vorteile finanzieller Art bringen würde. Die Verhandlungen darüber mit dem Bauunternehmer Strasser aus München waren so gut wie abgeschlossen.

      Bei all seinen Aktivitäten jedoch dachte er immer auch an seine Frau, die er liebte und für die er stets nur das beste im Sinn hatte. Deshalb war er jetzt auch etwas besorgt, nachdem Angela ihm mitgeteilt hatte, daß sie am nächsten Tag zu einer Untersuchung in die Klinik am See müßte. »Weshalb?« wurde er neugierig. »Was fehlt dir denn, und was für eine Untersuchung soll das werden?«

      »Weil ich seit einiger Zeit Schmerzen habe«, gab Angela Hofstätter zurück. »Unterleibsschmerzen.«

      »Inwiefern?« hakte der Bürgermeister nach. »Bekommst du etwa gar ein Baby?«

      »Unsinn«, wehrte die dunkelblonde Frau ab. »Du weißt genau, daß ich keine Kinder bekommen kann.«

      »Weshalb also die Schmerzen?«

      »Das möchte ich ja morgen untersuchen lassen«, erwiderte Angela Hofstätter.

      »Hm.« Das war alles, was Thomas Hofstätter dazu sagte. Er wollte zwar noch etwas hinzufügen, versagte es sich jedoch, weil in diesem Augenblick die Sekretärin einen Besucher meldete.

      »Herr Strasser aus München ist hier…«

      »O ja, den habe ich schon erwartet«, wurde der Bürgermeister lebhaft. »Bitten Sie Herrn Strasser in ein paar Sekunden herein«, sagte er und wandte sich an seine Frau. »Entschuldige bitte, aber jetzt mußt du gehen – am besten durch jene Tür.« Er deutete nach dem Nebenausgang seines Amtszimmers, in dem ihn Angela vor Minuten aufgesucht hatte. »Ich habe eine Besprechung wegen eines großen Projektes.«

      »Schon verstanden, Thomas.« Angela Hofstätter lächelte ihrem Mann zu und entfernte sich, während fast zur selben Sekunde der von der Sekretärin angemeldete Besucher aus München durch eine andere Tür das Zimmer betrat.

      Die Begrüßung zwischen dem Bürgermeister und dem bullig wirkenden Bauunternehmer mit dem Bürstenhaarschnitt war kurz, aber geradezu herzlich. Kein Wunder, wenn man wußte, daß sich beide einen guten Gewinn von dem schon vor Wochen besprochenen und nun vertragsreifen Projekt versprachen. Der Bürgermeister hatte sofort das gute Geschäft gewittert, auf das er von Andreas Strasser seinerzeit angesprochen worden war. Es ging um ein größeres, im Gemeindebesitz befindliches Gelände auf der Südseite des Sees – ein Stück lichter Kiefernwald gehörte auch dazu – auf dem der Bauunternehmer eine Art Sommer-Ferienzentrum errichten wollte, mit Campingplatz, einigen kleinen Sommerhäusern, einem Bootssteg mit Bootsverleih und einem noch auszubauenden Stück Badestrand.

      Thomas Hofstätter war sofort begeistert eingestiegen, als er von An­dreas Strasser das Angebot gehört hatte.

      Es war auch nicht schwierig gewesen, die Gemeinderatsmitglieder von dem Verkauf des bewußten Geländes zu überzeugen. Und das nicht nur wegen des großzügigen Angebots, sondern auch wegen der finanziellen und wirtschaftlichen Vorteile für Auefelden. Die entsprechenden Verträge waren ausgefertigt und brauchten nur noch unterschrieben und ratifiziert zu werden.

      »Nun, Herr Bürgermeister, wie sieht es aus?« kam Andreas Strasser auch sofort zur Sache. Er hatte eine polternde Stimme, die Autorität si­gnalisierte.

      »Bestens, Herr Strasser«, antwortete der Bürgermeister. »Die Verträge müssen nur noch vom Gemeinderat gegengezeichnet werden. In ein paar Tagen ist es soweit, und Sie können ebenfalls unterschreiben und die Finanzen in unsere Kasse fließen lassen.« Über seine Lippen kam ein zufriedenes Lachen.

      »Vortrefflich«, entgegnete Andreas Strasser. »Dann kann ich ja schon die Vermessungen vornehmen lassen.«

      »Dem steht nichts im Weg«, versicherte der Bürgermeister.

      Der Bauunternehmer nickte. »Hm, da wäre allerdings noch etwas«, stieß er hervor und sah den Bürgermeister mit wachsamen Augen an. »Sie glauben nicht, daß die Klinik da unten am See, deren Areal ja direkt an das von mir erworbene Gelände anstößt, irgendwelche Schwierigkeiten macht?« fragte er.

      »Aber ich bitte Sie, Herr Strasser«, erwiderte der Bürgermeister und tat entrüstet. »Das Gelände ist Eigentum der Gemeinde, und nur die hat das Verfügungsrecht darüber. Machen Sie sich also keine Sorgen. Die Sache läuft.«

      »Das will ich hoffen«, meinte An­dreas Strasser. »Immerhin stecke ich eine erhebliche Summe in dieses Projekt.« Daß diese Summe zwar nicht ihm gehörte, sondern seiner Frau, die das Bauunternehmen von ihrem Vater geerbt hatte, behielt er natürlich für sich.

      Die beiden Geschäftsfreunde besprachen noch einige wenige Details, ehe sie sich wieder trennten. »Ich werde also morgen oder übermorgen die Vermessungen vornehmen lassen«, meinte Andreas Strasser abschlie­ßend. »Ein paar Tage später komme ich dann auch her. Ach ja…«, setzte er hinzu, »… ich nehme doch an, daß ich in Auefelden ein Quartier bekomme.«

      »Da kann ich Ihnen den GOLDENEN OCHSEN empfehlen«, riet der Bürgermeister. »Sie werden wahrscheinlich mit Ihrer Gattin kommen, nehme ich an.«

      »Ja, ich komme mit einer Frau«, bestätigte der Bauunternehmer ein wenig undeutlich. Er dachte dabei nicht an seine eigene Frau, sondern an die schwarzhaarige Gisela, die ihm seit mehr als einem halben Jahr schon das Leben angenehmer gestaltete.

      Dem Bürgermeister fiel es gar nicht auf, daß Andreas Strasser nicht von meiner Frau, sondern nur von einer gesprochen hatte.

      Mit einem kräftigen Händedruck verabschiedete sich der Bauunternehmer, um wieder nach München zurückzufahren, während sich Bürgermeister Hofstätter zufrieden die Hände rieb.

      *

      Anja Westphal streifte ihre hauchdünnen Handschuhe ab und wandte sich zum Gehen. »Sie übernehmen ja die weitere Untersuchung und Betreuung, Herr Hoff«, rief sie dem Chirurgen zu. »Die Kindesmutter überlasse ich Ihnen«, gab sie dann noch dem Anästhesisten Dr. Reichel zu verstehen und verließ den OP.

      Im Vorbereitungsraum, in dem sie sich ihres OP-Kittels entledigte, wurde sie von Schwester Karla angesprochen.

      »Beinahe hätte ich es vergessen, Frau Doktor – die Sekretärin des Chefs hat angerufen…«

      »Ja?« Fragend sah die Ärztin die Schwester an.

      »Ich soll Ihnen nur ausrichten, daß die Frau

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