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hinter ihm herhastete.

      »Das habe ich nicht gesagt«, verteidigte ich mich.

      »Ich halte Sie hier nicht fest. Sie können jederzeit gehen und Ihrem Onkel schöne Grüße von mir ausrichten«, meinte er recht bissig, während er nach der Klinke seiner Bürotür griff.

      »Das hätten Sie wohl gerne!«, fauchte ich und seine Augen richteten sich fest auf mich.

      »Ja, das hätte ich gerne!«, zischte er zurück und riss seine Tür auf, um in dem Raum dahinter der Unterhaltung zu entfliehen. Doch der Schritt, den Mr Reed in das Zimmer setzen wollte, wurde ein kleines Stolpern und er klammerte sich mit schockiertem Gesichtsausdruck an seinem Türrahmen fest.

      Ich hätte ihm gerne an den Kopf geworfen, dass er gestern noch behauptet hatte, er würde mich hier brauchen, schürzte jedoch lediglich die Lippen, denn er hätte mir sicher nicht zugehört.

      »Bei Gott, was ist das?!«, stieß er hervor und seine Augen wurden so weit, dass es mir ungesund vorkam.

      »Ihr Büro, Mr Reed. Und zwar so, wie es aussehen müsste, damit man darin effektiv arbeiten kann!«, erwiderte ich erzürnt und verschränkte die Arme vor der Brust. Es war mir egal, wie trotzig ich dabei aussah, denn ich hatte meinen Schlaf geopfert, um dem Chaos Herr zu werden.

      »Waren Sie das etwa?«, fuhr Mr Reed mich an und die Wut erreichte seine Augen. Aber jetzt konnte er mich nicht mehr einschüchtern. Ich kannte seine Schwächen.

      »Natürlich war ich das! Aber es hätte nicht meine Aufgabe sein sollen, sondern Ihre!«, antwortete ich ihm im gleichen Ton und Mr Reeds Finger krampften sich um das Holz des Türrahmens, bis die Fingerknöchel weiß hervortraten.

      »Das ist mein Büro, Miss Crumb. Sie haben darin überhaupt nichts verloren«, platzte ihm der Kragen und seine Stimme wurde deutlich lauter.

      »Das sagen Sie. Aber ich habe versucht, meine Arbeit zu machen. Sie haben es nicht einmal geschafft, mir die nötigen Unterlagen bereitzustellen. Wären Sie hier gewesen, hätte ich Sie ja gefragt. Aber Sie hatten es ja für wichtig erachtet, einfach so zu verschwinden«, keifte ich zurück, löste meine Hände aus ihrer Verschränkung und zeigte anklagend mit dem Finger auf den Bibliothekar.

      »Ich habe Termine wahrgenommen«, verteidigte er sich zu meiner Überraschung und ich erahnte einen wunden Punkt, den ich sogleich in Angriff nahm.

      »Sie haben mich in der Stunde der Not hier allein gelassen, an einem Tag wie gestern. Sie hätten mir wenigstens Bescheid geben können, Sie Unmensch!«, warf ich ihm an den Kopf und die Wut trieb mir die Tränen in die Augen.

      »Das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, in mein Büro einzubrechen und all meine Ablagen zu durchwühlen«, versuchte er dagegenzuhalten, aber seine Abwehr schwankte. Die Tränen in meinen Augen machten ihn weich. Ich wischte sie weg, wollte ihm ebenbürtig gegenüberstehen und nicht wie jemand, den man zu bemitleiden hatte.

      »Ablagen? Dass ich nicht lache«, rief ich und langsam wurde mir zu heiß in meinem dicken Mantel. Die Hitze des Streites drückte mir auf die Brust und ich begann an meinen Knöpfen zu fingern, ohne Mr Reed aus den Augen zu lassen. »Wenn Sie mir jetzt erzählen wollen, dass es in der Unordnung ein System gab, dann werde ich Sie einen Lügner nennen, Mr Reed!«

      »Sie haben doch keine Ahnung!«, wies er meinen Vorwurf von sich.

      »Doch, die habe ich, ob es Ihnen passt oder nicht. Sie scheuchen mich, Sie sehen auf mich herab, schon seit ich diese Bibliothek betreten habe. Sie schätzen mich gering und schimpfen mich eine langsame und unfähige Person. Sie machen mich klein, um sich groß zu fühlen, dabei sind Sie keinen Deut besser als ich!«, begann ich meine Schimpftirade und holte nicht lang genug Luft, als dass Mr Reed mich hätte unterbrechen können. »Sie leben eine Unordnung, die Ihnen über den Kopf wächst. Sie sind zu unorganisiert, um Ihre Arbeit in den Griff zu bekommen und wälzen Ihren Ärger auf mich ab. Wissen Sie, ich dachte, Sie wollten mich schikanieren, indem Sie mir so viele Informationen vorenthalten, aber ich habe mich geirrt. Jetzt weiß ich, dass Sie es nur vergessen haben, weil in Ihrem Kopf genauso viel Unordnung herrscht wie in Ihrem Büro!« Ich holte tief Atem, zog mir mit einem Rück den Mantel von den Schultern und ließ Mr Reed einfach stehen, während ich an ihm vorbei zum kleinen Räumchen nebenan ging.

      »Miss Crumb«, begann Mr Reed und seine Stimme war dunkel vor Wut.

      Doch ich ließ ihn nicht sprechen. Nicht jetzt. Das hier war mein Moment und ich würde ihn mir bewahren. »Wagen Sie es ja nicht, mich je wieder zu kritisieren, wenn Sie davor nicht verdammt noch mal dafür gesorgt haben, dass Sie perfekt sind!«, fauchte ich wie eine teuflische Straßenkatze in ihrem achten Leben und schenkte ihm einen so niederschmetternden Blick, dass Mr Reed die Erwiderung im Hals stecken blieb und er ohne ein weiteres Wort langsam, wie im Rückzug, in seinem Büro verschwand.

      Ich hängte meinen Mantel an seinen Haken, atmete so lange ein, bis meine Lunge nichts mehr aufnehmen konnte, und ließ die Luft langsam wieder entweichen.

      Meine Hände zitterten, mein Kopf fühlte sich ganz leer an und all die Wut, die ich seit meinem ersten Arbeitstag mit mir herumgetragen hatte, war wie durch Zauberhand verschwunden. Ich hatte sie herausgeschrien und ich wusste, dass es nun in Zukunft in dieser Bibliothek anders für mich laufen würde. Die größere Veränderung würde aber wohl Mr Reed bevorstehen. Das konnte ich ihm versprechen!

      Das Elfte oder das, in dem mein Herz hüpfte.

      Meine Zeit rannte davon und füllte sich mit dem Sortieren von Büchern, dem lästigen Gang ins Archiv und einer Menge Buchrückgaben.

      Als mein Onkel sich plötzlich neben mir räusperte und ich beim Einräumen der Bücher beinahe drei Geschichtswälzer fallen ließ, war ich völlig überrascht, dass es bereits Mittag sein sollte. Doch ein Blick auf die Uhr im Foyer bestätigte die Richtigkeit seiner Anwesenheit und ich ging meinen Mantel holen.

      Für einen Moment blieb ich vor Mr Reeds Tür stehen, fragte mich, ob ich einfach gehen und ihn in seinem Büro weiter schmollen lassen sollte.

      Denn das tat er. Seit unserem Streit hatte er die Tür seines Raumes nicht geöffnet und ich hatte keinen Mucks mehr von ihm gehört.

      Ich seufzte in mich hinein. Wenn ich jetzt ging, ohne ihn noch einmal zu sprechen, würde sich die Situation zwischen uns sicher über den freien Tag hinweg verschlimmern; und am Montag wieder hier zu erscheinen, würde mich große Überwindung kosten.

      Zaghaft klopfte ich gegen die Tür. Ein leises Geräusch in einem so stillen Gebäude und doch schien es im Raum dahinter gänzlich zu verschwinden.

      Ich hörte das leise Rascheln von Papier, das Knarren von Holz, auf dem das Gewicht verlagert wurde, und ein erschöpftes Seufzen. »Herein«, rief Mr Reed und ich öffnete die Tür einen Spaltbreit.

      Das Büro sah noch fast so aus, wie ich es gestern verlassen hatte. Die Bücher in den Regalen, die Akten in den Schränken, die Vorhänge geöffnet. Nur auf dem Schreibtisch sah ich die Ansätze des Chaos wieder, welches ich gestern beseitigt hatte.

      Mr Reed saß auf seinem Stuhl, einen Stapel Briefpapiere, ein geöffnetes Tintenfass, Briefumschläge und die Liste mit den zerstörten Büchern vor sich, die er wohl gerade abarbeitete.

      Er schrieb also an all diese Adressen? Fünfundachtzig Adressen, fünfundachtzig Briefe.

      »Miss Crumb?«, sprach Mr Reed mich an, als ich nicht reagierte und nur starr im Türrahmen stand.

      Ich blinzelte. »Sie schreiben all diese Briefe persönlich?«, erkundigte ich mich schockiert, obwohl ich mich eigentlich nur hatte verabschieden wollen.

      »Ja«, antwortete er mir knapp und hielt sich noch reservierter, als er es sonst tat. Es war der Streit, der zwischen uns stand und den ich begonnen hatte. Also war es auch an mir, ihn wieder zu beenden.

      »Ich könnte Ihnen dabei helfen«, bot ich an und

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