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die Nick eines Tages im Park in ziemlich verwahrlostem Zustand aufgegriffen und mit nach Sophienlust genommen hatte, wo sie dann geblieben war und immer bleiben sollte.

      »Können wir Rubinchen nicht auch mitnehmen, Mami?«, fragte Henrik. »Bei uns wird sie nicht drangsaliert.«

      Ihm gefiel dieser Ausdruck, über dessen Bedeutung Nick ihn schnell aufgeklärt hatte.

      Aber Denise bemerkte, dass man Rubinchen wohl nicht so einfach mitnehmen könne, da ihre Tante über sie zu bestimmen hätte.

      »Das wird eine schöne Tante sein«, meinte Nick unwillig.

      »Sie ist ein Mannweib«, sagte Friedrich von Willbrecht. Darauf riss Henrik staunend die Augen auf. Er wollte wissen, was ein Mannweib sei.

      »Ich gehe schon voraus«, sagte Nanni plötzlich, ihrem Vater diese Erklärung überlassend.

      »Sie hat einen Narren an dem Kind gefressen«, stellte Herr von Willbrecht fest. »Sie sollte lieber heiraten und selber Kinder in die Welt setzen.«

      »Sie hat eben noch nicht den richtigen Mann gefunden«, lenkte Annemarie von Willbrecht ein.

      »Krankengymnastin musste sie werden«, polterte der Hausherr.

      »Du weißt ja warum«, sagte Annemarie von Willbrecht leise, da schwieg ihr Mann.

      Denise wusste auch, warum Nanni diesen Beruf ergriffen hatte. Ihr Jugendfreund war mit neunzehn Jahren an Kinderlähmung erkrankt, und das hatte das sensible Mädchen völlig verändert. Niemand hatte ihm helfen können. Er war nach einem Jahr gestorben, doch Nanni trauerte ihrer ersten Liebe wohl immer noch nach.

      »Ich gehe jetzt auch«, sagte sie. »Wenn es euch zu kalt ist, bleibt ihr eben hier.«

      »Papi schläft noch«, meinte Henrik.

      »Er hat es nötig. Ihm steckt die Grippe immer noch in den Gliedern«, sagte Denise. »Das Schaulaufen will er sich aber nicht entgehen lassen.«

      *

      Rubinchen war schon auf dem Eis, als Nanni mit Pipp nahte. Es war so kalt, dass der Hauch vor dem Mund gefror.

      Findet sich denn niemand, der Lilo gehörig die Meinung sagt, dachte Nanni niedergeschlagen, doch im Grunde musste sie Rubinchens Zähigkeit bewundern. Sie lief fehlerlos. Pipp war kein Freund von Musik. Er begann kläglich zu jaulen. Empört drehte sich Lilo um. »Wir sind beim Training«, sagte sie scharf. Sie war wütend, dass Nanni schon wieder hier war.

      Nanni straffte sich. »Haben Sie das Stadion gepachtet?«, fragte sie zurück. Sie konnte sich einfach nicht mehr beherrschen.

      »Lassen Sie doch wenigstens den Hund draußen«, fuhr Lilo sie an.

      Pipp trottete von selbst davon. Rubinchen zog weiter ihre Kreise, als hätte sie nichts bemerkt.

      Nanni zog ihre Schlittschuhstiefel an, und als sie mit dem Verschnüren fertig war, nahten auch schon die Schoeneckers.

      Lilo konnte nicht aufbegehren. Wenn die Gäste auch selten zu so früher Stunde im Stadion erschienen, hindern konnte man sie nicht, die Eisfläche zu benutzen.

      »Du kannst aufhören, Sabine«, sagte sie. »Du hast deine Sache gut gemacht.«

      Das passte Rubinchen heute nun gar nicht. »Ich übe noch mal die Pirouette«, sagte sie.

      Denise hatte die Situation schnell erfasst. Sie zwang sich zu einem Lächeln, als sie an Lilo herantrat.

      »Ein ungewöhnliches Talent«, sagte sie. »Wohl eine große Hoffnung für die Zukunft?«

      Lilo wusste nicht, wie sie diese Dame mit Nanni in Einklang bringen konnte. Es schmeichelte ihr, dass Rubinchens Können so viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

      »Wenn man ein Talent beizeiten schult, kann man für die Zukunft hoffen«, sagte sie. »Leider verstehen nicht alle, dass es ohne Fleiß auch keinen Preis gibt.«

      Denise wusste genau, dass dies auf Nanni gemünzt war.

      »Es ist ja auch sehr selten, dass ein Kind schon so früh derart perfekt ist«, bemerkte sie.

      »Ich habe mir auch die größte Mühe gegeben«, sagte Lilo.

      »Vielleicht könnten Sie meinen Kindern auch ein paar Trainingsstunden geben«, sagte Denise. »Übrigens, mein Name ist Schoenecker.«

      »Mir fehlt augenblicklich leider die Zeit«, sagte Lilo. »Warum wenden Sie sich eigentlich nicht an Fräulein von Willbrecht?«, fügte sie dann noch spitz hinzu.

      Nanni glitt schon über die Eisfläche. Staunend sahen Nick und Henrik, wie sie sicher ein paar Sprünge ausführte und sich dann rasend schnell um ihre eigene Achse drehte.

      »Toll«, sagte Nick.

      »Ja, warum wende ich mich eigentlich nicht an Fräulein von Willbrecht«, sagte Denise. »Ich wusste gar nicht, dass sie so perfekt läuft.« Denise konnte auch herablassend sein, wenn es ihr angebracht erschien, und diesmal traf das zu.

      »Komm jetzt, Ruth«, sagte Lilo im Befehlston. »Du musst dich schonen.«

      »Du hast aber doch gesagt, dass ich auch einmal mit andern Kindern spielen darf«, begehrte Rubinchen jetzt auf.

      »Morgen. Auf dem Eis wird nicht gespielt.«

      Nur mühsam unterdrückte Rubinchen die Tränen. Wieder wurde ihr alles verdorben. Sie hatte so sehr gehofft, dass sie die beiden Jungen ein bisschen näher kennenlernen könnte.

      *

      »Es ist schwer, dieser Lilo beizukommen«, sagte Denise zu Nanni.

      »Wem sagen Sie das? Ich würde Herrn Campen gar zu gern meine Meinung sagen.«

      »Warum schreiben Sie ihm nicht? Als Freundin von Rubinchens Mutter könnten Sie das doch tun?«

      »Ich mische mich nicht gern ein. Ich weiß doch nicht, wie er eingestellt ist. Ich glaube, dass er ein Mann ist, bei dem man leicht ins Fettnäpfchen treten kann.«

      Denise musterte sie mit einem eigentümlichen Blick.

      »Was ist er für ein Mann?«, fragte sie. »Herrisch?«

      »Sehr selbstbewusst. Ich denke, auch sehr ehrgeizig. Aber, wie gesagt, ich kenne ihn nur flüchtig. Ich war achtzehn, als er Ruth heiratete, und da war Karlheinz gerade gestorben. Deswegen war ich auch nicht auf der Hochzeit.«

      Henrik kam angestolpert. »Ich lerne das nie, Mami«, sagte er kleinlaut. »Schau bloß Nick an. Er kann sich auch schon drehen.«

      »Du lernst es auch noch, Henrik«, sagte Nanni und sie schien froh, abgelenkt zu werden. »Komm, wir probieren es gemeinsam.

      So wurde die Stunde auf dem Eis für die Schoenecker-Kinder doch noch zu einem Erlebnis, denn unter Nannis Obhut lernte auch Henrik, wie man umsprang. Es erfüllte ihn mit ungeheurem Stolz.

      *

      In Sophienlust vermisste man Nick und Henrik. Pünktchen sah noch sehr verschnupft aus. Ihr Näschen war rot, während ihr reizendes Gesicht sehr blass war und die Sommersprossen, denen sie ihren Namen verdankte, traten doppelt deutlich hervor.

      Heute hatte sie eine Ansichtskarte von Nick bekommen, doch ihre Freude darüber wich schnell, als sie las, wie er von dem kleinen Mädchen schwärmte, das so wundervoll eislaufen konnte.

      »Einfach klasse!«, schrieb er, und das war dreimal unterstrichen. Das Alter von Rubinchen hatte er nicht dazu geschrieben, und nun war Pünktchen doppelt bekümmert, denn unwillkürlich stellte sie sich ein Mädchen in ihrem Alter vor, da Nick auch zu ihr manchmal »kleines Mädchen« sagte. Man hatte auch in so jungen Jahren schon seine Nöte, wenn man jemand so schrecklich gern hatte wie Pünktchen ihren Nick, dem sie es doch zu verdanken hatte, dass sie sorglos heranwachsen durfte.

      Eine Eisprinzessin war bestimmt etwas ganz Besonderes. Pünktchen konnte nicht ahnen, wie glühend Rubinchen sie beneidet hätte, wüsste sie von ihrem glücklichen, unbeschwerten

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