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geht es.«

      Rubinchen ging in den Laden von Frau Brühl. Sie blieb einen Augenblick an der Tür stehen und sah Nanni und Pipp mit sehnsüchtigen Augen an. Dann ging sie hinein.

      »Einen Reißverschluss für mein Kleid. Einen roten«, sagte Rubinchen zu Frau Brühl.

      »Musst du immer in einem so leichten Kleid bei der Kälte laufen?«, fragte Frau Brühl missbilligend.

      »Wenn es Tante Lilo doch so will«, erwiderte Rubinchen.

      »Dass dein Vater das zulässt, wo du so klein und dünn bist«, brummte Frau Brühl. Rubinchen schwieg.

      Die Krapfen vergaß sie in der Aufregung, aber daran dachte Lilo auch nicht mehr. Sie hatte hochrote Wangen, als Rubinchen heimkam.

      »Du hast einen feinen Vater«, platzte sie erregt heraus. »Du wirst noch dankbar sein, wenn ich mich um dich kümmere. Er hat geschrieben – und was meinst du wohl, hat er vor? Heiraten will er!« Lilo schrie es fast.

      Seltsame Gedanken gingen durch den Kopf des Kindes. War das wieder gelogen? Sie wusste nicht mehr, was bei Tante Lilo Wahrheit oder Schwindel war.

      »Ich werde es dir vorlesen«, sagte Lilo heiser, und diesmal hatte sie einen Brief in der Hand, den Rubinchen noch nicht gesehen hatte. Sie hörte erst richtig zu, als Lilo eine bestimmte Stelle erreicht hatte: »Sobald wir ein Haus gefunden haben, werde ich dich holen, Rubinchen. Du wirst dich mit Yasmin bestimmt gut verstehen. Sie mag Kinder sehr gern, und sie ist sehr hübsch und sehr lieb. Wir werden endlich wieder beisammen sein.«

      »Ist das eine Türkin?«, fragte Rubinchen leise.

      »So eine wird es wohl sein, aber ich werde deinem Vater schon die Meinung sagen. Schließlich war deine Mutter meine Schwester, und ich werde nicht zulassen, dass du eine Stiefmutter bekommst.«

      Rubinchen schluckte, dann fragte sie: »Und wenn Daddy dich geheiratet hätte, wärest du dann nicht meine Stiefmutter?«

      »Leg dich jetzt hin und schone dein Bein«, stieß Lilo wütend hervor.

      Das ließ sich Rubinchen nicht zweimal sagen, denn das Bein schmerzte höllisch, weil sie so schnell gelaufen war.

      *

      Jan Campen war groß, blond, und er hatte die gleichen Augen wie seine Tochter. Er war ein Mann, nach dem die Frauen sich umdrehten, besonders in diesem Land, wo man solche Männer höchst selten sah.

      Er ging in seinem modernen Büro hin und her, und die nachtdunklen Augen der bildhübschen jungen Frau, die vor der Schreibmaschine saß, folgten ihm.

      »Jetzt werden sie meinen Brief wohl schon haben, Yasmin«, sagte er mit gepresster Stimme.

      Sie lächelte ironisch. »Das klingt, als hättest du Angst vor deiner Tochter, Jan«, sagte sie anzüglich.

      »Ich habe plötzlich Bedenken, wie Lilo es ihr beibringen wird. Sie ist unberechenbar. Vielleicht hätte ich es Rubinchen besser selbst sagen sollen.«

      Yasmin Haman war klug und diplomatisch. Sie sagte nichts, was ihn hätte ärgern können. Es hatte Monate gedauert, bis sie diesen recht verschlossenen Mann aus seiner Reserve gelockt hatte, und nun wollte sie ihn um keinen Preis mehr verlieren.

      Er war für sie die große Chance, herauszukommen aus dieser engbegrenzten Welt, in der sie sich nach der Familie richten musste. Sie war die älteste von vier Geschwistern, ihr Vater war ein kleiner Beamter. Recht und schlecht hatte er seine Familie durchs Leben gebracht und wirklich alle Hoffnung auf seine ebenso kluge wie schöne Tochter gesetzt, die einen blendend bezahlten Posten als Sekretärin bekam und ihm nun den Direktor der Firma auch noch als Schwiegersohn präsentierte.

      »Jetzt mach dir nicht so viel Gedanken, Jan«, sagte sie in ihrem sehr guten Deutsch, das nur einen aparten Akzent aufwies. Ihre großen dunklen Augen, die wie ein samtener Nachthimmel schimmerten, sahen ihn lockend an.

      Sie hatte ihn bezaubert mit ihrem Charme. Sie war so ganz anders als Ruth, die immer ein wenig gehemmt gewesen war.

      »Es ist eben ein dummes Gefühl, wenn man eine fast sechsjährige Tochter mit in die Ehe bringt«, bemerkte er.

      Sie lachte melodisch. »Ich habe doch kleine Geschwister. Für mich ist das nicht so schlimm.«

      »Ich hätte sie nicht bei Lilo lassen sollen«, sagte er. »Nein, das war nicht richtig. Es kompliziert alles.«

      »Dann hast du Angst vor dieser Frau?«, fragte Yasmin.

      »Angst nicht. Aber ich fürchte, sie hat sich Hoffnungen gemacht, dass ich sie heiraten würde.« Nun war es heraus. Yasmin sah ihn nachdenklich an.

      »Hast du ihr solche Hoffnungen gemacht?«, fragte sie.

      »Gott bewahre, nein, aber sie ist schon dreißig und hat noch keinen Mann. Aber lassen wir das jetzt. Wir gehen heute Abend aus. Jetzt werden es deine Eltern erlauben.« Er holte tief Atem. »Schau mich nicht so an, Yasmin. Du bringst mich noch ganz durcheinander.«

      Sie war sich seiner sehr sicher. Kein Mensch auf der ganzen Welt würde es fertigbringen, sie noch zu trennen, auch diese Lilo nicht. Vielleicht wäre es nicht einmal das Schlechteste, wenn das Kind bei ihr bleiben würde. Doch darüber konnte sie mit Jan reden, wenn sie erst verheiratet waren.

      *

      Lilo hatte Rubinchen Baldriantropfen gegeben. Sie wusste sehr gut, dass die Verletzung am Knie schmerzhaft sein musste, aber mehr denn je setzte sie ihre ganze Hoffnung auf den morgigen Tag. Wie sehr sie Jans Brief mit Zorn erfüllt hatte, zeigte sie nicht. Sie hatte sich beherrscht und sogar zu Rubinchen gesagt, dass sie sich keine Gedanken machen solle.

      »Wenn dir diese Frau nicht gefällt, bleibst du eben bei mir«, hatte sie bemerkt. »Hier gefällt es dir doch.«

      »Ich möchte aber auch mit anderen Kindern spielen«, sagte Rubinchen, mit kindlicher Schläue ihre Chance nutzend.

      »Das darfst du auch, wenn du morgen alles zeigst, was du kannst«, erwiderte Lilo. »Du darfst dann auch zu Nanette in die Gymnastikstunde gehen.«

      Das kam Rubinchen alles ein bisschen komisch vor, aber immerhin eröffneten sich ihr da Möglichkeiten, von denen sie nicht zu träumen gewagt hätte. Sie war auch etwas zornig über ihren Daddy. Wenn er eine fremde Frau heiraten wollte, traute sie es ihm auch zu, dass er mit ihren Eislaufkünsten protzen wollte. Es war doch möglich, dass er dieser Yasmin davon erzählt hatte und dass sie auch so ehrgeizig war wie Tante Lilo. Rubinchen dachte sich noch manches, bis sie endlich einschlief. Sie spürte den Schmerz im Bein nicht mehr. Das Herz tat ihr viel weher. Sie wurde früh geweckt, noch früher als sonst. In der Nacht war wieder Neuschnee gefallen, und es war ganz hell draußen, sodass Rubinchen gar nicht wusste, wie früh es noch war.

      »Du ziehst heute besser lange Hosen und den dicken Pulli an«, sagte Tante Lilo. »Du läufst nach Kalinka. Die Musik allein macht schon Eindruck. Wir proben es dreimal durch, und dann kannst du dich ausruhen bis heute Nachmittag.«

      Nach ihrem Bein erkundigte sie sich nicht, und Rubinchen dachte nur daran, dass Nanni heute schon ganz früh ins Stadion kommen wollte.

      *

      »Ist aber mächtig kalt heute«, murrte Henrik, der gar nicht begeistert war, das warme Haus so früh verlassen zu müssen.

      »Du kannst ja hierbleiben«, schlug Denise vor. »Wir wollen uns Rubinchen anschauen.«

      Nanni machte sich Sorgen um Rubinchen. Das Thermometer war auf zwölf Grad unter Null gefallen. Aber Lilo würde auch das nichts ausmachen.

      »Ich finde, dass das eine Quälerei ist«, bemerkte Frau von Willbrecht. »Es müsste verboten werden, dass kleine Kinder so drangsaliert werden.«

      Sie hatten am Abend noch lange über Rubinchen gesprochen, und Nick hatte manches mitgekriegt.

      »Mit Pünktchen haben sie es auch so gemacht«, sagte er. »Sie musste schon als ganz kleines Kind im Zirkus auftreten.«

      »Und wenn

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