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Doktorarbeit brauche«, erklärte er überraschend ernst. »Außerdem würdest du es noch nicht mal eine Woche ohne deine Herde aushalten. Stimmt’s oder hab ich recht?« Wenigstens kurz blitzte der gewohnte Schalk in seinem Gesicht auf, und Daniel lachte.

      »Offenbar kennst du mich besser als ich mich selbst«, gestand er großzügig. »Gehe ich recht in der Annahme, dass du dir schon ein Thema ausgesucht hast?«

      Diese Frage hätte Danny sofort beantworten können. Aus taktischen Gründen und um keinen Verdacht zu wecken, zögerte er aber kurz.

      »Es gibt viele interessante Themen, mit denen man sich beschäftigen könnte. Im Augenblick fasziniert mich aber ehrlich gesagt alles, was mit der Leber zu tun hat.« Sinnend trank er einen Schluck Wein und drehte dann das Glas in den Händen. »Es gibt da eine ganz neue Technik, das sogenannte Split-Leber-Verfahren. Darüber hinaus interessieren mich aber auch Lebererkrankungen … Hepatitis B und C zum Beispiel.«

      Daniel hatte den Ausführungen seines Sohnes aufmerksam zugehört.

      »Das wundert mich jetzt schon ein bisschen«, gestand er ehrlich.

      »Ich bin eben immer für eine Überraschung gut«, grinste Danny. »Was meinst du: Gibt zum Beispiel das Thema Hepatitis C genügend Stoff her?«

      »Interessant, dass du das ausgerechnet jetzt fragst. Heute war ein Vertreter in der Praxis, der ein völlig neues Medikament für diese Art der Leberentzündung im Gepäck hatte.«

      »Aber bevor man diese Medikamente einsetzen kann, ist es doch wichtig, zuerst einmal eine klare Diagnose zu stellen. Das ist meines Wissens gerade bei einer Hepatitis C nicht so einfach«, bemerkte Danny zu recht. »Woran würdest du denn so einen Verdacht festmachen?«

      Daniel, der zu so fortgeschrittener Stunden nicht mehr mit einem Fachgespräch gerechnet hatte, musste einen Moment nachdenken und seine grauen Zellen mobilisieren.

      »Zuerst einmal würde ich eine gründliche Anamnese durchführen und den Patienten eingehend befragen. Wenn sich herausstellt, dass der Patient Drogen konsumiert, Bluttransfusionen erhalten hat oder in einem medizinischen Beruf arbeitet, in dem er mit infiziertem Blut in Kontakt gekommen sein könnte, denke ich in der Tat schnell an diese Erkrankung.«

      Schon jetzt hatte sich das Gespräch mit seinem Vater bezahlt gemacht. Ein zufriedenes Lächeln spielte um Dannys Lippen, als er weiter fragte. »Und welche Möglichkeiten der Diagnose gibt es? Das Anfangsstadium verläuft bei dieser Krankheit ja erfahrungsgemäß mit unspezifischen Beschwerden.«

      Irritiert zog Daniel eine Augenbraue hoch.

      »Du willst es aber ganz genau wissen.«

      »Ich möchte mir eben ein Bild darüber verschaffen, ob dieses Thema auch interessant genug wäre«, redete sich Danny schnell heraus. Eine verräterische Röte überzog seine Wangen, die seinen Eltern nicht verborgen blieb. Doch als gäbe es eine stumme Vereinbarung zwischen Fee und Daniel sagte keiner der beiden ein Wort. Geduldig beantwortete der erfahrene Arzt die nicht enden wollenden Fragen seines Sohnes. Als sich Danny eine Stunde später verabschiedete, wusste er, was er am nächsten Morgen zu tun hatte, um Sicherheit über die Erkrankung seines heimlichen Gastes zu bekommen.

      »Ach, wisst ihr übrigens, ob Tatjana heute Nacht zu mir kommt?«, fragte er wie beiläufig, als er sich an der Haustür von seinen Eltern verabschiedete. Um diese Jahreszeit waren die Nächte kühl. Fröstelnd zog Fee die Strickjacke enger um den Körper. Daniel bemerkte es und legte den Arm um ihre Schultern.

      »Ach ja, sie hat mir aufgetragen, dir zu sagen, dass sie bei sich übernachtet.«

      »Gut.« Danny nickte erleichtert, als er die argwöhnischen Blicke seiner Eltern bemerkte. »Ich meine, weil sie doch morgen früh auf die Hochzeit geht und die Vorbereitungen dafür ziemlich aufwändig sind. Wie soll ich mich da fertig machen, wenn sie das Bad stundenlang blockiert?«, ließ er sich schnell eine Ausrede einfallen, die auch in seinen Ohren wenig plausibel klang. Doch weder Fee noch Daniel stellten Fragen, sondern nickten nur scheinbar verständig. Die vielsagenden Blicke und entsprechenden Bemerkungen tauschten sie erst, nachdem sie die Tür hinter ihrem Sohn geschlossen hatten.

      *

      Als Danny nach Hause kam, schlief Marika immer noch wie ein Baby. Sie lächelte fein im Schlaf und halbwegs, beruhigt ging auch Danny ins Bett. Mit einem Anflug von schlechtem Gewissen versuchte er noch, Tatjana zu erreichen. Doch sie ging nicht ans Telefon, und so schaltete er schließlich das Licht aus. Doch was Danny Norden auch versuchte: An Schlaf war nicht zu denken. Stundenlang wälzte er sich hin und her und überlegte, was er tun sollte, wenn sich sein Verdacht bestätigte. Dann würde er sein Versprechen brechen müssen, und Marika würde auf Nimmerwiedersehen verschwinden, sich unter furchtbaren Qualen weiterschleppen …

      »Was? Wie? Wo bin ich?« Ein schrilles Geräusch hatte Danny aus dem Schlaf gerissen. Er war hochgeschreckt, saß aufrecht und mit wirren Haaren im Bett und versuchte herauszufinden, was geschehen war. Als er bemerkte, dass er zu Hause in seinem Schlafzimmer war, seufzte er erleichtert auf. Trotzdem wartete er nicht mehr lange, sondern stand auf, um sich zu vergewissern, dass Marika noch da war.

      »Guten Morgen!«, begrüßte sie ihn, als er den Kopf zur Schlafzimmertür heraus steckte. Fix und fertig angezogen saß sie auf dem Sofa. Sorgfältig zusammengelegt lag die Decke neben ihr, das Kissen war aufgeschüttelt.

      »Hast du gut geschlafen?«, erkundigte sich der junge Arzt, während er Kaffee kochte und Wendys Sandwichs aus dem Kühlschrank holte. »Wie geht es dir?«

      »Schon okay«, antwortete Marika und sah ihm skeptisch dabei zu, wie er Wasser in eine Glaskanne goss und dann ein appetitliches Sandwich auf ihren Teller legte. Er selbst hatte schon von seinem abgebissen, bevor er sich an den Tisch setzte, und er verdrehte genüsslich die Augen. »Köstlich!«, seufzte er und schenkte Kaffee in die beiden Becher. »Probier mal. Die sind fantastisch. Schon allein für ihre Sandwiches hat Wendy einen Preis verdient.«

      Pflichtschuldigst lugte Marika zwischen die Brotscheiben und unterdrückte nur mit Mühe ein Schaudern.

      »Da ist ja Käse drauf«, stellte sie angewidert fest und schob den Teller von sich.

      Danny sah sie überrascht an.

      »Magst du keinen Käse?«

      »Normalerweise schon. Aber in letzter Zeit kann ich keine Milchprodukte mehr essen.«

      Das war eine weitere wichtige Information für den jungen Arzt. Er erinnerte sich an die Worte seines Vaters, dass eine Hepatitis C eine Abneigung gegen bestimmte Lebensmittel verursachen konnte. Während er sein Sandwich aß und den Kaffee trank, knabberte Marika lustlos an einem trockenen Stück Brot. Nachdem Danny sein Frühstück beendet hatte, schritt er zur Tat und nahm seiner Patientin Blut ab.

      »Du bist ein guter Arzt«, lobte Marika ihn, als er ein Pflaster auf die kleine Einstichstelle klebte. »Ich hab gar nichts gemerkt.« Sie sah ihm dabei zu, wie er die Röhrchen mit Blut sorgfältig in der Tasche verstaute.

      »Freut mich. Legst du dich bitte wieder auf die Couch?«, bat er sie dann. »Ich muss dich noch einmal untersuchen.«

      Er erinnerte sich an das, was ihm sein Vater über den Tastbefund bei einer entzündeten Leber erklärt hatte.

      Folgsam kehrte Marika auf das Sofa zurück und machte den Bauch frei. Als Danny sanft mit den Händen in den rechten Oberbauch drückte, stöhnte sie wieder.

      »Was hast du in Georgien eigentlich gemacht?«, fragte er in Erinnerung an Daniels Worte, möglichst viel über den Patienten zu erfahren. »Ich meine beruflich.«

      »Ich bin Krankenschwester.« Ein Lächeln huschte über Marikas Gesicht. »Ich kann mir keinen schöneren Beruf vorstellen, als mich um hilfsbedürftige Menschen zu kümmern.«

      »Du bist vom Fach?«, fragte Danny erstaunt und beendete seine Untersuchung. Ihre Antwort hatte ihn hellhörig werden lassen. »Kannst du dich daran erinnern, ob du in letzter Zeit mit Blut in Berührung gekommen bist?«

      Über diese Frage dachte Marika einen Moment nach.

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