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Lüttdorf ziehen wollten, hoffte ich immer, diese Schwedin würde sich zurückziehen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, daß eine junge Frau unsere Ehe so bedrohen könnte!«

      »Liebt Gerhard diese Nora?«

      Natalie schluchzte. »Er behauptet, daß er sie nie geliebt hat. Aber das glaubt ihm kein Mensch. Sonst wäre sie doch nicht in unser Haus gekommen.«

      »Und Angie?«

      Nun endlich begann Natalie zu erzählen. Sie gestand ihrer Mutter, daß sie ihren Mann verlassen und ihre Hoffnung, er würde sie zurückholen, sich nicht erfüllt hätte. Gerhard hätte seiner Schwester vorgelogen, sie müßte ihre Mutter pflegen. Darum war Angie natürlich sofort nach Lüttdorf gefahren.

      »Das ist ja unerhört«, schimpfte Frau Kibeling. »Ich und kränklich! Nein, mein Kind, jetzt bleibst du wirklich hier. Hat Angie von dir die ganze Wahrheit erfahren?«

      Natalie nickte. »Natürlich. Sie war ebenfalls ganz entsetzt. Aber Gerhard ist wieder fort. Er hat Nora dort im Haus entdeckt, als er von einer Reise zurückkam, und ist sofort wieder verschwunden. Ich hoffe sehr, daß Angie noch etwas bleibt, Mutter. Meine Kinder…«

      »Ja, Angie wird dich nicht enttäuschen, Natalie. Sie ist ein guter Mensch.« Frau Kibeling war aufgestanden und hatte sich neben Natalie gesetzt. Sie tröstete ihre weinende Tochter und sah hinaus in die aufsteigende Nacht. Jetzt kam wirklich alles auf Angie an. Sie sollte ihrem jüngeren Bruder, diesem Halunken, nur reinen Wein einschenken.

      Se füllte ihr Glas ein zweites Mal und wartete geduldig darauf, daß Natalies Tränen versiegen würden.

      *

      »Guten Morgen, Frieda!«

      »Guten Morgen, Frau Winkler.« Die Haushälterin hatte gerade mit der Vorbereitung zum Frühstück begonnen. Sie sah erstaunt auf, als Angie die Küche betrat und schon fix und fertig angezogen war. Sonst leistete sich die junge Witwe immer den Luxus, etwas länger zu schlafen.

      »Wir werden heute abfahren, Frieda«, begann Angie ohne Umschweife. »Ich habe mich entschlossen, die Handwerker fürs erste zu beurlauben. Dann können Sie sich um die Kinder kümmern.«

      Frieda fiel fast der Wasserkessel aus der Hand.

      »O nee, Frau Winkler, o nee!« stammelte sie. »Das muß ja wohl nicht sein.«

      »Doch, es muß sein.«

      »Haben Sie etwas an mir auszusetzen, Frau Winkler?« Die gute Frau sah ganz verstört drein.

      »Nein, gewiß nicht, Frieda. Wenn ich Ihnen nicht vertrauen würde, könnte ich kaum die Kinder meines Bruders unter Ihrer Obhut lassen.«

      »Aber warum denn, Frau Winkler? Jetzt, wo es doch endlich etwas behaglicher im Haus wird und der Junge wieder gesund ist, können Sie doch auch etwas mehr ausruhen.« Sie holte tief Luft. »Und sogar Fräulein Anderson mit ihren ewigen Befehlen ist wieder fort, jetzt kann es doch schön sein, Frau Winkler. Och nee…«

      »Unser Zug fährt erst am frühen Nachmittag, Frieda. Uns bleibt noch genug Zeit, um alles zu besprechen.« Damit nahm Angie ihr den Wasserkessel aus der Hand und setzte ihn mit Nachdruck auf die Platte. Sie holte ein Tablett und stellte Teller, Butter, Brot und Marmelade darauf. Frieda folgte jeder ihrer Bewegungen mit ratloser Miene.

      Gleich darauf polterten die Kinder in die Küche. »Tante Angie, heute können wir Kahn fahren!« rief Xenia. »Die Sonne scheint, und du kannst endlich deine kleine Staffelei auspacken und mit uns malen.«

      »Zunächst muß ich Hubs mal aus seinem Zimmer locken«, erwiderte Angie ungerührt. »Allmählich wird er Hunger haben. Ihr zieht euch erst mal richtig an!«

      Sie gab sich alle Mühe, aber die Veränderung, die seit gestern abend mit ihr vorgegangen war, konnte auch den Kindern nicht lange verborgen bleiben. Wenn Nora festgestellt hatte, daß sich in ihren Mundwinkeln ein bitterer Zug gebildet hatte – so stimmte das jetzt. Angie war verbittert, zutiefst verletzt. Sie hatte erkannt, daß sie ein Spiel mitgemacht und ihr Herz es verloren hatte. Die Ahnung vom gestrigen Abend hatte sich bestätigt. Ihr blieb nur noch der Abschied. Der Abschied von diesem Paradies, das einem aus Lügen erbauten Irrgarten glich.

      Als der Kaffee fertig war, füllte sie eine Tasse, stellte sie zu den Sachen auf das Tablett und trug alles hinauf zur Tür von Hubs’ Zimmer. Sie klopfte mit dem Handknöchel dagegen.

      »Öffne sofort, Hubs. Hier ist deine Mutter und muß etwas Ernstes mit dir besprechen. Und wenn du nicht sofort, dann…«

      »Mann, o Mann, ich komme ja schon«, hörte sie Hubs’ Stimme von innen. Er schloß die Tür auf und bemerkte das Tablett. »Meine Güte, hab’ ich einen Kohldampf, Mami. Das ist meine Rettung!«

      Er sah müde und übernächtigt aus, aber es konnte auch der Hunger sein, der sein Gesicht fahl und eingefallen wirken ließ. Wenigstens waren es nicht die Vokabeln und Referate. Angie war vernünftig genug, um gar nicht erst anzunehmen, daß ihr Sohn die Nacht über den Büchern verbracht hatte.

      Hubs machte sich über das Frühstück her, als hätte er eine Woche nichts zwischen die Zähne bekommen. Aufatmend sah Angie ihm zu. Liebeskummer konnte den Appetit ihres Sohnes nicht dämpfen. Vielleicht hatte er Nora schon vergessen? Dann konnte sie ihm jetzt von den Reiseplänen berichten. Hubs hörte ihr mit offenem Mund zu.

      »Warum?« fragte er kauend, als sie einmal eine Pause einlegen mußte.

      »Das sagte ich doch schon, Hubs. Mein Bruder hat mich belogen. Natalies Mutter ist gar nicht krank, sondern quietschfidel. Und Nora…«

      »Nora ist in Onkel Gerhard verknallt und nicht in mich.«

      Sie sah ihn voller Mitleid an. »Du hast es gewußt, Hubs?« fragte sie so einfühlsam wie möglich.

      Hubs kaute weiter. »Nee, aber gespürt. Mehr als so ein paar Küßchen wollte sie ja nicht. Und dann die Kinder und die Affenliebe! Und die Gardinen für Onkel Gerhards Zimmer! Eigentlich habe ich es nie so richtig geglaubt, daß sie mich mochte, Mami. Toll war es aber trotzdem.«

      Angie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Dann hast du nichts dagegen, wenn wir gleich packen und heute mittag fahren?«

      »Doch. Ich habe etwas dagegen. Ich finde, Xenia und Wolfi können am wenigsten dafür, daß Onkel Gerhard dich angelogen hat, Mami. Und die sollen die Leidtragenden sein? Nein, das finde ich nicht richtig.«

      »Nur so kann ich Gerhard oder Natalie zur Rückkehr zwingen, Hubs.«

      Hubs trank den Kaffee in einem Zug aus. »Niemals!« keuchte er. »Niemals kommen die zurück. Natalie wird jetzt erst recht sauer sein, und Onkelchen Gerhard – na, den hat Nora doch jetzt ganz für sich. Das wollte sie doch. Denkst du, sie hat alles so raffiniert eingefädelt, um den jetzt so mir nichts, dir nichts aus ihren Fängen zu lassen? Nee, Mami. Du weißt selbst, daß du mit unserer Abreise nichts erreichst. Die Kinder werden mit Frieda allein und traurig sein, das ist alles.«

      »Ich lasse mich aber nicht als Kindermädchen für die kaputte Ehe meines Bruders benutzen«, schmollte Angie. »Schließlich habe ich schon oft genug die Kastanien für ihn aus dem Feuer geholt. Nein, jetzt ist Schluß!«

      »Schluß ist wohl auch mit Thomas Hassberger, nicht?«

      Angie zuckte zusammen. »Wieso?« fragte sie ganz naiv. »Wieso mit Thomas Hassberger?«

      »Na, der mag dich doch. Und du magst ihn auch. Wenigstens habe ich dich seit Jahren nicht so jung und fröhlich erlebt wie in den Tagen, als Wolfi krank war und er immer kam.«

      »Pah! Weißt du, warum er jeden Tag kam? Um den Eindruck zu hinterlassen, daß Wolfi ernstlich krank wäre! Thomas Hassberger und Nora stecken unter einer Decke! Daß er mit mir allein sein wollte, war nur ein Trick, um Nora hier ans Haus zu fesseln und die Kinder an sie zu gewöhnen. Nora schreckt vor nichts zurück. Sie wollte sich bei den Kleinen einschmeicheln.«

      »Das glaube ich nicht.«

      »Aber ich, Hubs. Und darum packen wir. Ich will

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