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hat Brüder wie Ike Clanton Brüder hat, und wer Brüder hat, der ist nicht allein.«

      »Aber Wyatt Earp ist doch Marshal oben in Dodge City.«

      »Das ist schon richtig, aber wenn Virgil ihn ruft, dann läßt Wyatt nicht auf sich warten. Er ist in letzter Zeit öfter hier unten als uns lieb sein kann. Dieser Wyatt Earp ist der gefährlichste Wolf, den es im Westen gibt. Schon allein deswegen ist bis heute noch kein vernünftiger Mensch auf die Idee gekommen, ausgerechnet hier eine Bank ausrauben zu wollen.

      Und dann noch etwas: du hast Ike Clanton gesehen, und höchstwahrscheinlich hast du schon vorher von ihm gehört. Er ist der Herrscher von Tombstone und vom ganzen Cochise County. Er schätzt es ganz sicher nicht, wenn sich irgendein lausiger Strolch herausnimmt, ausgerechnet in Tombstone eine Bank zu überfallen. Wer sagt dir, daß die Clantons kein Geld auf dieser Bank haben?«

      »Die Clantons…?« brachte Thorpe verstört hervor.

      »Yeah, die Clantons. Du wirst sie doch nicht für Bettler halten? Ike Clanton hat zwanzig Meilen vor der Stadt eine große Ranch; das heißt, noch gehört sie seinem Vater.

      Auch mein Bruder Tom und ich stammen von einer Ranch in der Umgebung. Und die anderen, die zu uns gehören, sind ganz sicher keine Hungerleider. Curly Bill zum Beispiel, Bete Spence, Joe Henninger und Lary Artys, sie alle haben Geld. Billy Clayborne und Jeff Hunter sind Spieler. Ebenso Frank Stilwell und Harry Lamp. Und die anderen, die noch zu uns gehören, sind ebenfalls Männer, die ohne weiteres Geld auf einer Bank deponiert haben können.

      An so etwas denkt ein Bursche mit Verstand. Du hast also bewiesen, daß du von dem Zeug nicht allzu viel unter deinem Hut hast. Trotzdem«, Frank McLowery schob seine Zigarette von einem Mundwinkel in den anderen und sah den Mann aus Nogales fast wohlwollend an, »trotzdem hast du Mut bewiesen. Aber es war ein sinnloser Mut.

      Ich will dir was sagen, Thorpe, du paßt nicht nach Tombstone! Ranze Dillinger hat mir erzählt, daß du in Pearce einen Mann erschossen hast…«

      Thorpe schrak zusammen und mußte sich Mühe geben, seinen Schrecken vor den anderen zu verbergen.

      Pearce?! Wie lange war das schon her! Es schien ihm Monate zurückzuliegen. Und doch war es erst gestern gewesen.

      »Wer ist dieser Ranze Dillinger?«

      »Das geht dich einen Dreck an, Thorpe«, entgegnete der Desperado schroff. »Ich wollte dir nur sagen, daß wir alles wissen. Und jetzt hör zu.«

      Frank McLowery nahm den Schlüssel und öffnete die Zelle. Er hielt die Linke mit dem Handrücken vor Thorpes Brust und sprach den Nogalesman über die Schulter in seiner herablassenden Art näselnd an:

      »Du wirst aus der Stadt verschwinden, Thorpe. Leute wie dich können wir hier in Tombstone nicht brauchen. Vielleicht wirst du einmal ein Rebell. Ein freier Mann, den wir brauchen können. Aber dazu mußt du noch viel lernen. Du mußt eine Weile auf dem großen Trail bleiben, um zu lernen. Wenn du hinüber nach River Hill reitest, wirst du Boys finden, die besser zu dir passen als die Clantons. So, und jetzt hau ab!«

      Jim Thorpe nahm seinen Waffengurt wieder an sich und ging zur Tür. Er war wütend. Die Art, wie dieser Frank McLowery glaubte mit ihm reden zu dürfen, mißfiel ihm so sehr, daß er die Zähne knirschend aufeinanderbiß. Noch in der Tür blieb er stehen und wandte sich um.

      »Sie führen eine stolze Sprache, Frank McLowery. Ich bin nicht gewohnt, daß man so mit mir redet. Um es deutlicher zu sagen, ich spreche mit Männern, die glauben, so mit mir reden zu dürfen, sonst nur mit dem Revolver.«

      Eine ölige Lache kam von den Lippen McLowerys.

      »Mit diesen Worten hast du erneut bewiesen, daß du noch ein blutiger Anfänger bist. Verschwinde jetzt, sonst könnte es dir passieren, daß ich deiner Aufforderung zum Kugeltanz noch Folge leiste. Und daß ich das nicht tue, liegt nicht zuletzt daran, daß wir auf dem Graveyard nur noch wenig Platz haben. Eigentlich nur drei, vier richtige Plätze. Und die sind für andere Leute reserviert.«

      »Für wen?« fragte der Nogalesman.

      »Für Männer, Jim Thorpe. Nicht für grüne Jungen.«

      Wieder kam die Lache von den Lippen des Desperados.

      »Ich weiß nicht, wie ich dazu komme, es dir zu sagen. Ich sollte es eigentlich auch nicht tun, aber offenbar habe ich heute meinen milden Tag.« Er richtete sich auf und hakte die Daumen in die Ausschnitte seiner Weste.

      »Diese vier Männer sind: »Wyatt Earp, Doc Holliday, Virgil Earp und Morgan Earp.«

      Frank McLowery fletschte die Zähne.

      »Yeah, und wenn es ein guter Tag ist, müßte auf einem Wegende auf dem Graveyard ein sieben halb Fuß großes Loch ausgeschachtet werden. Und da würde dann Luke Short verscharrt.«

      Es war auf einmal Stille im Office.

      Der berühmt-berüchtigte Frank McLowery hatte den von ihm selbst als grün bezeichneten Jim Thorpe aus Nogales einen Blick in seine Seele tun lassen.

      Auf dem Vorbau waren Schritte zu hören. Thorpe fuhr zusammen und zog seinen Revolver.

      McLowery schüttelte den Kopf. »Steck das Eisen weg. Wen glaubst du hier erschießen zu können?«

      »Vielleicht ist es Wyatt Earp«, stieß Thorpe flüsternd hervor.

      Da lachte Frank Lowery schrill los. »Ich habe es ja gesagt, Jim Thorpe, du bist noch zu grün hinter den Ohren – Wyatt Earp! Bildest du dir allen Ernstes ein, daß du Wyatt Earp mit dem Revolver schlagen kannst? Oder daß es dir auch nur gelingen könnte, ihn zu überraschen?«

      Thorpe wollte etwas erwidern, aber Frank schnitt ihm mit einer herrischen Geste die Rede ab.

      »Sei still, Thorpe. Einen Mann wie Wyatt Earp schlägst du nie. Und nie wird ihn ein einzelner Mann schlagen. Es müssen viele sein. Starke, große und schnelle Männer. Und sie müssen einen Kopf haben, Junge, und eiskalt müssen sie sein. Alles das sind Dinge, die dir fehlen.«

      Die Schritte draußen waren verhallt.

      »Verschwinde jetzt«, gebot Frank.

      Wie ein geprügelter Hund schlich der Mann aus Nogales hinaus.

      Drüben vorm Marshal Office schaukelte ein Windlicht im leisen Nachtwind, der singend über den Sand strich und pfeifend an den Häuserwänden entlangfuhr.

      Frank McLowery trat hinter Thorpe auf den Vorbau.

      »He, da bist du ja immer noch. Habe ich dir nicht gesagt, daß du verduften sollst? Und falls du es noch nicht begreifst: Ike Clanton bereitet sich auf einen großen Kampf vor. Dazu brauchen wir Ruhe in der Stadt, verstehst du?«

      Jim Thorpe verstand nicht.

      »Da drüben im Windlicht, wer hat es angezündet?«

      »Ach, das wird Virgils Frau getan haben. Seit Virgil gehört hat, daß sein großer Bruder oben in Dodge bei Einbruch der Dunkelheit ständig ein Licht vor seiner Office-Tür anzündet, hält er es auch so. Eine Marotte von ihm.«

      Der Outlaw Jim Thorpe schlich sich davon. Er lief zum Office des O.K. Corrals hinüber, und auf sein Trommeln an der Tür erschien der kleine Chinese.

      »Sie wollen weg?« fragte er mit einer leichten Verbeugung.

      »Ja, hol meinen Gaul. Ich habe einen kleinen Ritt vor.«

      »Sie kommen wieder?«

      »Yeah«, sagte Jim Thorpe. »Du hast wohl Angst um deine armseligen Kröten?«

      Der Chinaman zog den Kopf ein.

      »Der Mietstall gehört nicht mir, Mister. Und Sie wären nicht der erste, der davonreitet, ohne zu zahlen.«

      Der kleine gelbe Mann hatte sich umgewandt, um auf den Stall zuzugehen. Im gleichen Moment erhielt er einen so fürchterlichen Fußtritt, daß er mehrere Yards nach vorn stolperte und mit dem Gesicht voran auf den Boden stürzte. Er blieb einen Augenblick liegen und

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