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ließ Wyatt Thorpe los, ging ein paar Schritte zurück und warf sich mit der Schulter gegen die Tür.

      Krachend und berstend zersplitterte das Holz. Die Tür flog auf.

      Alle, die in der Tür standen, sahen das, was der Missourier sah.

      Der Sheriff lag seelenruhig auf seiner Pritsche, mit abgewandtem Gesicht, und schien fest zu schlafen.

      Wyatt Earp stieß ihn derb an die Schulter. »Behan!«

      Langsam wandte sich der Sheriff um. Er hatte nicht geschlafen. Das sah man sofort. Es wäre ihm auch unmöglich gewesen, bei diesem Lärm zu schlafen.

      »Yeah, was ist denn los?« fragte er gähnend. »Kann man denn nicht mal seinen Mittagsschlaf…«

      »Hier, Jonny Behan«, unterbrach ihn der Marshal rauh. »Hier bringe ich Ihnen einen Mann, dem offenbar zu wohl in seiner Haut war.«

      »He, das ist doch der – der Stranger. Den kenne ich! Haben Sie ihn etwa ermordet?«

      Statt einer Antwort wandte sich Wyatt ab, nahm den Zellenschlüssel von der Wand und beförderte den Outlaw in eine der Gitterzellen.

      Da kam Jim Thorpe wieder zu sich. Er schüttelte den Kopf, um die Benommenheit loszuwerden, und starrte den Missourier aus weiten Augen an.

      »He!« Er sprang hoch und rannte gegen das Gitter. »He, du hast mich – du hast mich niedergeschlagen! Du verdammter Skunk! Ich werde dir ein Loch…«

      »Halt’s Maul, Bandit!« fuhr ihn der Marshal schroff an. Und zu dem Sheriff gewandt: »Sie können jetzt weiterschlafen, Behan.«

      Damit verließ er das Office.

      Die Leute an der Tür bahnten ihm einen Weg.

      Der Marshal überquerte die Straße und hielt auf den Barbier Shop zu.

      Der Barbier zuckelte kurzatmig hinter ihm her.

      »Weiterrasieren«, sagte der Missourier, als er wieder in dem Rasierstuhl saß.

      Die große Strähne Jimmy Thorpes schien abgelaufen zu sein. Er war gegen ein Bollwerk gerannt, gegen das er auch in seiner stärksten Stunde keine Chance gehabt hätte.

      Immer noch benommen kauerte der Outlaw auf seiner Pritsche und starrte vor sich hin.

      Drüben in der zertrümmerten Tür des Schlafraumes stand eine Jammergestalt: Jonny Behan, der Sheriff von Tombstone.

      Weshalb sah er eigentlich so armselig aus? Er hatte doch ein recht gut geschnittenes Gesicht, eine gerade Figur und eine klare Stimme. Weshalb sprach er immer so leise und stockend? Weshalb vermittelte er einen so unsicheren Eindruck?

      Als Jonny Behan in die Stadt gekommen war, hieß es, daß er ein sehr kluger Bursche sei, und Eingeweihte, die ihn von Tuscacore her kannten, wollten wissen, daß er ein guter Schütze sei.

      Von alledem hatte sich jedoch nichts bewahrheitet. Er war eine farblose Gestalt, dieser Jonny Behan. Was beabsichtigte er eigentlich? Ging es ihm nur darum, den Stern in Tombstone zu behalten? Jenen Stern, dem er doch absolut keine Achtung zu verschaffen wußte? Weshalb klammerte der undurchsichtige Mann sich an einen Posten, für den er nicht im geringsten das Zeug mitbrachte?

      Auch jetzt stand er da in der Tür, als ob er gar nicht in diesen Raum gehöre. Sein Gesicht war ausdruckslos wie immer; hilflos hatte er die Arme neben seinen Oberschenkeln hängen.

      Jim Thorpe hatte den Mund offenstehen. He, war nicht das da drüben der Sheriff? Was tat der denn hier?

      Richtig, er steckte ja im Jail, wohin ihn dieser eisenharte Mann gerade gebracht hatte.

      Und was war mit Sheriff Behan? Weshalb stand er so niedergeschlagen da?

      Thorpe erhob sich ächzend und rieb sich mit dem Handrücken das schmerzende Kinn, wohin der Faustschlag des Missouriers getroffen hatte, nach dem ihm sofort die Besinnung geschwunden war.

      »He, Sheriff. Was ist eigentlich los?«

      Der Mann drüben in der Tür blickte nicht auf. Immer noch abwesend starrte er auf die Holzsplitter am Boden.

      »Sheriff! Wie komme ich hier in das Jail? Wollen Sie mir das vielleicht erklären?«

      Da hob Jonny Behan langsam den Kopf an. Aber er sah nicht zu dem großen Zellentrakt hinüber; seine Augen blieben an den Satteltaschen hängen, die der Marshal zusammen mit dem Betäubten gebracht hatte. Sie lagen mitten in den Türtrümmern auf den Dielen.

      Zwei prallgefüllte braune Ledertaschen. Behan ging darauf zu und bückte sich.

      Ein jäher Schreck zuckte durch die Brust des Gefangenen. »Sheriff!«

      Jonny Behan sah auf. Seine Augen tasteten das Gesicht des Fremden ab.

      »Was wollen Sie?« fragte er mit seiner trägen, matten Stimme.

      »Ich verlange mein Recht«, rief Thorpe. »Wie kommt der Kerl dazu, mich niederzuschlagen und mich hier einzusperren? Ich verlange, freigelassen zu werden. Ferner verlange ich mein Eigentum zurück.«

      Behan hatte die Satteltaschen schon an dem Verbindungsgurt hochgenommen.

      Thorpe brüllte: »Wissen Sie überhaupt, wer ich bin, Sheriff? Wenn Sie es wüßten, würden Sie es nicht wagen, mein Eigentum anzutasten. Aber das sage ich Ihnen: Meine Freunde werden mit Ihnen abrechnen, Sheriff. Ich wette, daß sie schon morgen hier sind. Es sind lauter harte Jungens, die nur eine unschöne Eigenschaft haben, sie verstehen absolut keinen Spaß.«

      Behan hatte diesen Worten nachgelauscht. Sie besagten genau das, wovor ihm graute. Er war kein Kämpfer.

      Mit einer hölzernen Bewegung hing er die Satteltaschen an einem Nagel auf. Während er zu seinem Schreibtisch ging, zupfte er mit einer mechanischen Geste seine Krawatte zurecht. Dann blieb er vor seinem Stuhl stehen, stützte sich mit der Linken auf die Schreibtischplatte und blickte durch die rauchgelbe Gardine auf die Straße.

      »Wissen Sie etwa nicht, wer der Mann war, der Sie gebracht hat?«

      Nein. Jim Thorpe wußte es nicht. Er konnte sich überhaupt nur daran erinnern, daß der Fremde auf ihn zugekommen war und einen Revolver gezogen hatte. Was dann weiter geschehen war, hatte sich aus seiner Erinnerung verflüchtigt.

      Jedenfalls mußte der Mann ihn früher getroffen haben. Aber wie war das nur möglich? Thorpe hatte doch den Colt zuerst in der Hand gehabt. Mit einer tausendfach geübten Bewegung war er bisher fünfmal so schnell gewesen wie jeder andere.

      Jonny Behan sagte leise in das Halbdunkel des Raumes hinein: »Wissen Sie wirklich nicht, wer er war?«

      »Nein!«

      »Well, ich werde es Ihnen sagen, und gleichzeitig werde ich Sie bitten, so rasch wie möglich zu vergessen, daß Sie diesen Namen gehört haben.«

      »He, machen Sie es nicht so spannend, Sheriff! Wer kann der Kerl schon sein? Ein Revolverschwinger, der hart und schnell zuschlägt.«

      Behans Kopf flog herum. Es war die erste rasche Bewegung, die Jim Thorpe beobachtet hatte.

      »Haben Sie sich mit ihm geschossen?«

      »Yeah – das heißt, ich zog und…« Der Outlaw wischte sich über die Stirn. »Damned, der Kerl muß aber schnell gewesen sein.«

      »Wie schnell?« Behan hatte ihm diese Frage zugeschossen. Und in seinen matten Augen schienen plötzlich kleine Lichter zu funkeln.

      Thorpe geriet sichtlich in Verlegenheit.

      »Yeah – wenn ich das recht bedenke, dann muß der Mann höllisch schnell gezogen haben. Denn als ich den Revolver zog, da hingen seine Hände noch herunter. Ja, jetzt weiß ich es genau: Ich hatte den Colt schon vorgestoßen und gerade den Hahn gespannt, da fauchte mich der Schuß von seiner linken Hüfte her an. Das Geschoß riß mir die Waffe aus der Hand.«

      »Und…? Weiter?« forschte Behan. In seiner Stimme war plötzlich ein lauernder Ton.

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