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einzige Möglichkeit der Verteidigung der Machtlosen nicht nur gegen Verschlechterungen sein, sondern sogar noch grundsätzlicher gegen jegliche, von den durchsetzungsfähigeren Personen initiierten Veränderungen, die nicht in ihrem Interesse sind.«5

      Es ist also durchaus problematisch, die soziale Interaktion einzig unter dem Primat einer alles überlagernden Nutzenfunktion zu betrachten. In Hirschmans Beispiel, in dem sich eine kleine Gruppe von machtvollen Mitarbeitern (beispielsweise höheren Führungskräften) ihren Vorteil zu Lasten einer größeren Gruppe weniger privilegierter Personen sichert, ist deren Verhalten nicht alleine durch das Nutzenprinzip erklärbar. Denn in arbeitsteiligen Organisationen wäre die in diesem Beispiel offensichtliche Ausübung von Macht gegenüber der »silent majority« aus Nutzenüberlegungen nicht logisch. Erstens würde Machtausübung unter Inkaufnahme des Schadens Anderer langfristig auch den eigenen Nutzen unterminieren, weil Menschen sich aus der Kooperationsbeziehung entweder vollständig entfernen und das Unternehmen wechseln, wie Hirschman ausführt, oder zumindest innerlich kündigen. Und zweitens ist zur Ausübung von Macht per definitionem generell ein Verzicht auf subjektive Nutzenmaximierung notwendig, da Machtausübung den Einsatz von Ressourcen erfordert, die der Realisierung des persönlichen Nutzens dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Und Macht ist ja an sich noch kein Zweck, es ist allenfalls ein strategisch einsetzbares Mittel zum Zweck und damit zunächst ressourcenkonsumierend.

      Das Denkmodell des homo oeconomicus, der nach der ökonomischen Verhaltenstheorie so rational wie möglich versucht, seinen persönlichen Nutzen zu maximieren, steht damit nicht nur auf Grund der Beliebigkeit des Rationalitätsbegriffs in der Kritik, sondern auch auf Grund des Versuchs, menschliche Interaktion in Organisationen allein mit eigennützigen Kalkülen der beteiligten Personen zu erklären und andere Verhaltensmaßstäbe außer acht zu lassen. Denn oftmals steht gar nicht der persönliche Nutzen oder vielleicht noch die Machtfülle des Handelnden im Vordergrund. Das Interesse könnte ganz anderen Überlegungen gelten: beispielsweise der Herstellung von sozialem Konsens und der Etablierung einer solidarischen Gemeinschaft im Unternehmen; oder auch der persönlichen Integrität der Handelnden und der Berücksichtigung ethischer Standards.6

      Das Nutzenprinzip ist also keineswegs die einzig denkbare Handlungslogik. Solidaritäts- und Integritätsüberlegungen können gleichermaßen Antriebsfeder menschlichen Verhaltens in Organisationen sein.

      Das alles überlagernde Primat der individuellen Nutzenmaximierung, wie es die ökonomische Verhaltenstheorie vorsieht, scheint also der Realität sozialer Interaktion zwischen den Menschen in Organisationen nicht gerecht zu werden; noch nicht einmal in privatwirtschaftlichen Unternehmen, in denen die aufeinander abgestimmten Handlungen der Organisationsmitglieder einzig der Maximierung des Nutzens der Organisation und ihrer Mitglieder dienen.

      Auch in arbeitsteiligen Organisationen kann man sich nicht nur auf das Verhalten und die Intentionen Einzelner konzentrieren, sondern muss stets das Ergebnis ihrer Handlungen in Kooperationsbeziehungen mit anderen Personen berücksichtigen. Dabei zeigt sich, dass rein individuelle Nutzenüberlegungen nicht zum Erfolg führen können, weil die Akteure letztlich doch zusammen arbeiten müssen und deshalb darauf angewiesen sind, sich untereinander abzustimmen. Diese Abstimmung kann aber nur erfolgreich sein, wenn jeder Beteiligte seine eigenen Interessen bis zu einem gewissen Grad zurück stellt, und zwar nicht nur temporär, sondern durchaus auch dauerhaft, wie folgendes Fallbeispiel zeigt.

       Fallbeispiel 1: Arrows Unmöglichkeitstheorem

       »A, B, C sind drei Alternativen, und 1, 2, 3 sind drei Individuen. Angenommen Individuum 1 präferiert A gegenüber B, und B gegenüber C (und damit A gegenüber C); Individuum 2 präferiert B gegenüber C, und C gegenüber A (und damit B gegenüber A); und Individuum 3 präferiert C gegenüber A, und A gegenüber B (und damit C gegenüber B). Dann präferiert eine Mehrheit A gegenüber B, und zugleich präferiert eine Mehrheit B gegenüber C. Man kann also feststellen, dass alle drei Individuen zusammen als Gemeinschaft A gegenüber B, und B gegenüber C präferieren. Wenn das Verhalten der Gemeinschaft als rational angenommen werden soll, dann muss man zu dem Schluss kommen, dass A gegenüber C präferiert wird. Aber tatsächlich präferiert eine Mehrheit in der Gemeinschaft C gegenüber A.«7

      Wenn jeder der drei Beteiligten ausschließlich seinen jeweiligen Präferenzen folgt, seinen ganz persönlichen Nutzenüberlegungen also, dann würde:

      – Individuum 1 auf Alternative A bestehen,

      – Individuum 2 auf Alternative B, und

      – Individuum 3 auf Alternative C.

      Die Gemeinschaft als solche kommt dann allerdings nie zu einem gemeinsamen Ergebnis. In einer Mehrheitsentscheidung würden sie sich gemeinsam für Alternative A entscheiden, weil zwei der drei Individuen Alternative A gegenüber B vorziehen (Individuum 1 und 3) und ebenfalls zwei Individuen Alternative B gegenüber C präferieren (Individuum 1 und 2). Dazu kann es aber nur kommen, wenn eine Mehrheit der Individuen ihre Präferenzen aufgibt. Individuum 2 müsste sich darauf einlassen, Alternative A gegenüber B vorzuziehen, und Individuum 3 müsste entgegen seiner Präferenzen Alternative B gegenüber C akzeptieren. Zwei der drei Individuen und damit die Mehrheit der Beteiligten müsste im Interesse der Gemeinschaft nachgeben.

      Alle Akteure sind zur Umsetzung ihrer jeweiligen Interessen darauf angewiesen, sich mit ihren Gesprächspartnern zu einigen. Eigennutzmaximierung gegen die anderen Akteure funktioniert also nicht. Andererseits ist die Vorstellung, dass eine Einigung nur unter Vernachlässigung der eigenen Ziele möglich ist, auch nicht attraktiv, noch dazu, wenn es die Mehrheit der Aktuere betrifft. Nicht umsonst wird diese Konstellation als Unmöglichkeitstheorem bezeichnet.

      Fallbeispiel 1 zeigt, dass selbst reine Nutzenmaximierer zur Durchsetzung ihres eigenen Nutzens auf andere, kooperativere Verhaltensweisen zurückgreifen müssen. Damit ist offensichtlich, dass individuelles Verhalten auch in privatwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur von individueller Nutzenmaximierung bestimmt werden kann, sondern dass auch Gemeinschaftshandeln mit dem Wunsch nach Solidarität und sozialem Konsens sowie das dem Nutzenprinzip diametral entgegenstehende Integritätsprinzip mit ethischen Standards eine wesentliche Rolle spielen müssen. Und dennoch ist die Realisierung der eigennützigen Motive einziger Zweck der Mitarbeit im Unternehmen.

      Dieser Widerspruch muss aufgelöst werden, weil viele Konflikte aus genau diesem Missverständnis resultieren. Einerseits wird von den Mitarbeitern erwartet, dass sie sich für die Interessen des Unternehmens engagieren, andererseits sind ihnen ihre persönlichen Ziele naturgemäß wichtiger. Bedenkt man weiterhin, dass nach Arrows Unmöglichkeitstheorem nicht beides gleichzeitig realisierbar ist, und dass darüber hinaus jeder Akteur seine persönlichen Interessen ganz bewusst vernachlässigen müsste, um zu einem Konsens mit den Kollegen zu kommen, dann werden viele Abstimmungsprobleme in den Unternehmen plötzlich nicht nur erklärbar; sie sind sogar unausweichlich.

      Zur Auflösung dieser Konflikte müssen die Abhängigkeiten zwischen den unterschiedlichen Handlungsprinzipien beachtet werden. Jeder Mitarbeiter in einem Unternehmen macht seine Mitarbeit davon abhängig, ob er durch seinen Einsatz seine persönlichen Wünsche realisieren kann; worin auch immer diese Wünsche bestehen: sei es Karriereaufstieg und viel Geld, ein angenehmes Betriebsklima oder ethisch einwandfreies Handeln. Dafür wird er alle ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen einsetzen, und zwar unabhängig von den Interessen seiner Kollegen. Natürlich ist hierfür normalerweise auch sozialer Konsens und solidarisch-gemeinschaftliches Handeln sowie ein gewisses Maß an Integrität notwendig, aber letztlich ist es eigennutzorientiertes Handeln in Reinstform.

      Im privatwirtschaftlichen Kontext steht das Nutzenprinzip also über den Prinzipien von Solidarität und Integrität. Dieses Primat des Nutzenprinzips ist gerechtfertigt, weil ausschließlich eigennützige Motive ursächlich für die Entscheidung eines Menschen zur Mitarbeit im Unternehmen sind. Mit möglichst geringen persönlichen Opportunitätskosten soll die Mitarbeit im Unternehmen einen möglichst großen persönlichen Nutzen hervorbringen. Und die Entscheidung zur Mitarbeit in dem einen Unternehmen und nicht in einem der vielen anderen Unternehmen beruht allein auf der Überlegung, die eigenen Ziele in diesem Unternehmen mit vermutlich geringerem Aufwand erreichen zu können als in den anderen. Letztlich ist also

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