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ökonomische Verhaltenstheorie geht davon aus, dass Menschen sich eingeschränkt rational eigennutzmaximierend verhalten; eingeschränkt rational und nicht vollständig rational, weil sie nie alle Informationen zur Verfügung haben, die sie bräuchten, um perfekte Entscheidungen treffen zu können. Für die betriebliche Praxis hat die Annahme rationalen Verhaltens weitreichende Konsequenzen. Denn wer kennt nicht das alltägliche Kopfschütteln über Kollegen, die »schon wieder« etwas gemacht haben, »was doch einfach nicht wahr sein kann« – wobei die Formulierungen oft erheblich prägnanter sind.

      Wenn man jedoch annimmt, dass sich alle Menschen im Unternehmen rational verhalten, dann kann man sich nicht mehr über diese Kollegen ärgern. Denn wenn deren Verhalten unverständlich ist, dann kann das ja nur an fehlenden Hintergrundinformationen liegen. Und die verbleibende Frage ist nur noch, ob den betreffenden Kollegen notwendige Informationen fehlten, um eine gute und sinnvolle Entscheidung zu treffen, oder ob einem selbst wichtige Kenntnisse fehlen, um deren Verhaltensweise verstehen zu können.

      2.1 Rationalität trotz ständiger Konflikte im Unternehmen?

      In Sinne einer konstruktiven Zusammenarbeit im Unternehmen ist es eine gute Idee, stets von rationalem Verhalten aller Beteiligten auszugehen. Rationalität bedeutet aber nicht, »dass das Individuum in jedem Augenblick optimal handelt, dass es also gleichsam wie ein wandelnder Computer durch die Welt schreitet, der immer die beste aller vorhandenen Möglichkeiten blitzschnell ermittelt. […] Rationalität bedeutet in diesem Modell lediglich, dass das Individuum, wenn es seinen Intentionen folgt, prinzipiell in der Lage ist, gemäß seinem relativen Vorteil zu handeln, d.h. seinen Handlungsraum abzuschätzen und zu bewerten, um dann entsprechend zu handeln.«2

      Hinter diesem Rationalitätsbegriff steht die aus ökonomischer Sichtweise geleitete Annahme, dass Individuen mit ihrem Handeln immer einen für sich selbst erwünschten und durch ihr zielgerichtetes Handeln erwartbaren persönlichen Nutzen realisieren wollen. Der angestrebte Nutzen entstammt dabei aus einem über einen gewissen Zeitraum stabilen Katalog bestimmter Ziele und Wünsche (Präferenzen), deren Realisierbarkeit allerdings durch widrige Umstände (Restriktionen) geschmälert wird.

      Der Vorteil dieser ökonomischen Sichtweise auf das menschliche Verhalten ist, dass auf diese Weise nahezu jedes Verhalten erklärt werden kann. Es kann sogar prognostiziert werden, sofern man sowohl die individuellen Ziele als auch die diesen entgegenwirkenden äußeren Umstände kennt.

      Das Verhalten seiner Mitarbeiter einschätzen und prognostizieren zu können, ist für ein Unternehmen natürlich hochinteressant. Denn mit dem Verhalten der Mitarbeiter wird damit ein großer Teil der für den Unternehmenserfolg entscheidenden Einflussfaktoren und Stellgrößen prognostizierbar. Vor allem aber können Führungskräfte das Verhalten ihrer Mitarbeiter im Sinne des Unternehmens beeinflussen, wenn die Annahme stimmt, dass Menschen einen mehr oder weniger klar gegliederten Katalog von Wünschen und Zielen haben, der ihre Handlungen bestimmt.

      Es gibt jedoch auch Kritik an der Annahme eines unmittelbaren und zwangsläufigen Zusammenhangs zwischen bestimmten Verhaltensintentionen und dem anschließenden tatsächlichen Verhalten. Denn unter dieser Annahme ist prinzipiell jedes Verhalten rational erklärbar und die ökonomische Verhaltenstheorie damit ohne nennenswerten Erkenntnismehrwert der Beliebigkeit ausgesetzt, wie folgende Beispiele zeigen: Das Streben nach Wohlstand? Nur eine Funktion von beruflichen Zielen und begünstigenden Rahmenbedingungen. Enge Zusammenarbeit mit Kollegen? Lediglich Resultat einer Präferenz für Gruppenmitgliedschaft. Ethisch einwandfreies Verhalten bis hin zu Whistle-blowing oder aber das Gegenteil: unethischer Ökonomismus? Jede dieser Entscheidungen ist ebenso rational begründbar wie ihr Gegenteil. Es kommt nur auf den individuellen Katalog von Präferenzen an sowie auf die äußeren Restriktionen.

      Letztlich stellt die Rationalitätsannahme nichts weiter fest, als dass »menschliches Handeln zweckgerichtet oder absichtsgeleitet ist, und dass es im Lichte der Präferenzen […], auf denen die Entscheidung des Handelnden beruht, Sinn macht, verständlich ist. Wie exzentrisch auch immer die Präferenzen [… ] eines Handelnden sein mögen, solange sein Handeln mit ihnen logisch konsistent ist, ist es [… ] als rational anzusehen«3. Damit sind selbst Konflikte zwischen Personen rational erklärbar. Denn wenn der Grund für den Konflikt unterschiedliche Informationen sind, dann handelt jeder der beiden Kontrahenten selbst während des Konfliktes noch rational, weil er mangels notwendiger Hintergrundinformationen die Verhaltensweise seines Gegenübers ja gar nicht verstehen kann; oder aber weil er die Informationen zwar ebenfalls hat, aber anders interpretiert.

      Wenn Rationalität jedoch nur eine Frage der Verfügbarkeit von Informationen ist und selbst Konflikte als Ergebnis unvollständiger Informationen rational erklärt werden können, dann hat der Begriff der Rationalität zur Erläuterung und zum Verständnis des Verhaltens von Menschen im Unternehmen eigentlich keine Bedeutung mehr. Schließlich ist jedes Verhalten rational. Dennoch ist der Rationalitätsbegriff in der Unternehmenspraxis von höchster Wichtigkeit, denn wenn jedes Verhalten im Unternehmen rational erklärbar ist, sofern man die Ziele des Handelnden kennt, dann besteht kein Grund mehr, Konflikte mit Kollegen, Vorgesetzten oder sogar untergebenen Mitarbeitern emotional auszutragen. In solchen Konfliktsituationen sollten die Beteiligten vielmehr einen Schritt zurück treten und nach rational erklärbaren Gründen für das Verhalten ihres Kontrahenten suchen. Sie werden mit Sicherheit fündig und können destruktive Emotionalität in proaktive und kooperative Zielorientierung übertragen. Konflikte sind damit zwar nicht ausgeschlossen, werden aber mit mehr unternehmerischem Verständnis geführt.

      2.2 Der Nutzen des Nutzenprinzips

      Da jedes privatwirtschaftliche Unternehmen nach ökonomischen Grundprinzipien organisiert ist, muss der unternehmerische Nutzen stets die Grundlage allen menschlichen Handelns und aller sozialer Interaktion im Unternehmen sein. Und da sich Menschen einzig auf Grund bestimmter persönlicher Nutzenüberlegungen für die Mitarbeit in einem Unternehmen entscheiden, haben auch sie ein Interesse an der Etablierung des Prinzips der Nutzenmaximierung als gemeinsames Handlungsmuster aller Akteure im Unternehmen. Wie lassen sich dann aber die latenten und oftmals auch offen ausgetragenen Konflikte zwischen Kollegen und ganzen Abteilungen im Unternehmen erklären? Sie mögen rational begründbar sein, nutzenstiftend sind sie jedoch meistens nicht.

      Ein Kernelement der ökonomischen Verhaltenstheorie ist die Annahme einer unabhängigen Nutzenfunktion; die Annahme also, dass Menschen ihren eigenen Nutzen unabhängig vom daraus entstehenden Nutzen oder auch Schaden für Andere verfolgen. Sollte der eigene Nutzen anderen Menschen zum Schaden gereichen, dann ist das zwar nicht intendiert, wird aber gegebenenfalls billigend in Kauf genommen. Nach der ökonomischen Verhaltenstheorie kann aber selbst das nicht zum Problem werden, da alle Menschen zur gleichen Zeit daran arbeiten, ihren persönlichen Nutzen zu realisieren, und auch nur solange im Unternehmen mitarbeiten, wie ihre persönliche Zielerreichung (= Nutzenmaximierung) gewährleistet ist. Dabei akzeptieren sie, dass ihr eigener Nutzen nicht immer sofort realisierbar ist. Aber zumindest wollen und müssen sie in der Lage sein, die Erreichbarkeit ihres persönlichen Vorteils in einem annehmbaren Zeitraum und mit hinreichender Sicherheit prognostizieren zu können.

      Bei strenger Auslegung dieser Denkrichtung dürften Konflikte zwischen Kollegen allenfalls temporär auftreten, müssten aber innerhalb einer überschaubaren Zeitspanne aufgelöst sein. Denn andernfalls würde doch der unterlegene Kontrahent das Feld räumen, da er sich mit seinen eigenen Zielen nicht durchsetzen konnte. Die Erfahrung zeigt aber, dass das nicht der Fall ist. Und die Erklärung, dass der Verlierer eines innerbetrieblichen Konfliktes es halt so lange versucht, bis er sich doch irgendwann durchsetzen konnte, ist nicht stichhaltig, wie Hirschmans »Exit-and-Voice«-Modell zeigt: Hirschman hat untersucht, unter welchen Bedingungen Menschen, die eine Änderung einer für sie nachteiligen Unternehmenssituation wünschen, ihre Stimme erheben, um diese Änderungen herbeizuführen (Voice), oder aber andernfalls abzuwandern und ein neues Betätigungsfeld in einer anderen Organisation suchen (Exit).4 Letzteres ist insbesondere dann zu erwarten, wenn eine kleine Gruppe von besonders einflussreichen Personen ihre Machtstellung im Unternehmen nutzt, um ihre Ziele selbst dann durchzusetzen, wenn dies zum (dauerhaften) Schaden anderer Organisationsteilnehmer und vielleicht sogar der Organisation als solcher wäre. Hierzu stellt Hirschman fest: »Sofern Abwanderung unter

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