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gewesen war.

      »Wovon leben die Prices?« erkundigte ich mich.

      Der Portier schaute mich an, als hätte ich wissen wollen, ob New York in Amerika liegt. Soviel Dummheit konnte er nur mit Verachtung strafen.

      »Von ihrem Geld natürlich«, schnarrte er.

      »Eigentlich wollte ich wissen, womit sie es verdienen«, sagte ich bescheiden.

      »Sie haben es«, meinte er knapp. »Das ist alles.«

      »Hm«, machte ich beeindruckt. »Ist jemand von den Prices zu Hause?«

      »Ich glaube.«

      Der mahagoniholzgetäfelte Lift war fast so groß wie mein Wohnzimmer. Seine ledergepolsterten, daunengefüllten Sitze hatten sicherlich mehr gekostet als das, was ich in meinem Zimmer stehen hatte. Vom Lift zur Apartmenttür der Prices führte eine Teppichgalerie, die sich nahtlos in den Luxusrahmen einfügte und gut zu dem wohltönenden Dreiklanggong paßte, den mein Klingeln im Wohnungsinnren auslöste. Die Tür öffnete sich. Ich erlebte eine Sensation, die mich fast aus meinem Salz-und-Pf eff er-Anzug kickte. Vor mir stand Corinna Price!

      Sie trug eine dieser modischen, sehr weit geschnittenen Hosen und dazu eine Chiffonbluse, unter der sie nur ihre I laut offerierte und das, was diese Haut umschloß. Ich hatte einige Mühe, meinen Blick auf das Gesicht des Mädchens zu konzentrieren. Silberblondes Haar, seegrüne Augen, lange Wimpern.

      »Sie wünschen?« fragte mich die junge Dame. Die Stimme brachte mich auf den Erdboden zurück. Sie war um eine Nummer dunkler als die Corinnas.

      »Ich bin Jesse Trevellian vom FBI«, stellte ich mich vor.

      Der volle weiche Mund des Mädchens formte sich zu einem rotschillernden Krater. »Oh«, hauchte sie. »FBI?«

      Ich hatte das Empfinden, daß sie meinen Namen zum erstenmal hörte.

      »Ich habe heute Ihre Zwillingsschwester kennengelernt«, sagte ich ernst. »Corinna.«

      »Ich bin Corinna«, meinte das Girl. »Wie heißt Ihre Schwester?«

      »Lala«, sagte das Mädchen.

      »Wie bitte?«

      »Lala«, wiederholte sie. »Lala Price. Ein Einfall meines Vaters. Kommen Sie herein, bitte.«

      Die Diele war hell beleuchtet. Als Corinna Price vor mir die Diele durchquerte, hatte ich Gelegenheit, die Bewegungen ihrer delikat geformten Schulterblätter unter dem durchsichtigen Chiffon zu bewundern. Das Wohnzimmer lenkte mich davon ab. Es hatte den Stil und den Pfiff eines Raumes, der von einem geschmackssicheren Innenarchitekten geformt worden war. Wir setzten uns. Corinna Price lehnte sich zurück. Der Stoff der Bluse modellierte ihren Oberkörper ebenso zärtlich wie herausfordernd.

      »Was ist mit Lala?« fragte sie.

      »Sie ist tot«, sagte ich.

      Corinna Price setzte sich abrupt auf. »Nein!« hauchte sie.

      »Sie wurde erschossen«, sagte ich. »Mitten auf der Straße.«

      Das Mädchen starrte mich an. Ihr Gesicht wirkte wie gemeißelt. Es war von makelloser Schönheit. Es war unmöglich, zu erkennen, ob sie der Schreck, das Entsetzen oder die Trauer lähmten, oder alles zusammengenommen. Ich war nicht sehr stolz darauf, gleichsam mit der Tür ins Haus gefallen zu sein, aber die Erfahrung sprach dafür, Botschaften dieser Art direkt anzubringen. Jede andere Methode macht es nur viel schlimmer.

      »Wer hat es getan?« flüsterte sie. Ihr Blick ging dabei starr ins Leere.

      »Ich weiß es nicht. Der Schuß wurde aus einem vorüberfahrenden Wagen abgegeben.«

      »Das ist… Es ist sinnlos«, murmelte Corinna Price. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Ich holte eine Packung Zigaretten aus der Tasche. Mein Blick streifte die Bluse des Mädchens. Ich haßte mich dafür. Diese Situation ließ keinen Raum für Frivolitäten, andererseits wirkte das Mädchen wie ein Magnet, und sie selber war es, die diesen Magnet aufgeladen hatte. Ich hielt ihr das Päckchen unter die Nase. Sie griff mechanisch danach. Ich gab ihr Feuer, dann steckte ich mir selber eine Zigarette an.

      »Es würde mich interessieren, zu erfahren, wer Les war und welche Rolle er in Lalas Leben spielte«, sagte ich.

      »Les?«

      Ich nickte. »Diesen Namen nannte Ihre Schwester, als sie mich mit der Pistole bedrohte. Sie wollte mich töten.« Corinna Price starrte mir in die Augen. »Lala… Sie töten? Sie haben den Verstand verloren! Mein Gott, und ich dachte schon, es wäre wahr.«

      »Es ist wahr, auch wenn es wie der Bericht eines Verrückten klingt«, sagte ich. »Rufen Sie die Mordkommission an — oder warten Sie ihren Besuch ab. Der Fall wird von Lieutenant Baker bearbeitet. Er wird hier aufkreuzen, sobald er die Ermittlungen am Tatort abgeschlossen hat.«

      »Wird er — wird er die Wohnung durchsuchen?« fragte mich das Mädchen. Ich bemerkte, daß sich ihre Muskeln ein wenig strafften. Ich fragte mich, was sie mit der Frage bezweckte und was sich dahinter verbarg.

      »Nur wenn jer die Notwendigkeit dafür sieht — und wenn er einen Haussuchungsbefehl vorweisen kann«, sagte ich. »Aber der ist nicht so leicht zu bekommen.«

      »Ich verstehe«, sagte das Mädchen. »Ich möchte vermeiden, daß die Polizei Lalas Sachen durch wühlt.«

      »Haben Sie etwas zu verbergen?«

      »Nein, nein«, meinte sie hastig. »Was bringt Sie denn darauf?«

      Ich zuckte mit den Schultern. »Ich finde, Sie sollten der Polizei keine Schwierigkeiten machen und den Beamten erlauben, Lalas Zimmer anzusehen. Schließlich geht es darum, einen Hinweis auf die Motive Ihrer Schwester und des Täters zu bekommen.«

      Corinna 'Price betrachtete das glühende Ende der Zigarette. Ich hätte etwas darum gegeben, in diesem Moment Gedanken lesen zu können.

      »Wohnen Sie hier bei Ihren Eltern?« erkundigte ich mich.

      »Nein — das Apartment gehört Lala und mir.«

      »Wo leben Ihre Eltern?«

      »Wir haben nur noch einen Vater«, sagte sie.

      Ich wurde ungeduldig. Ich hatte Verständnis für die Verwirrung, die die Nachricht von Lalas Ende in dem Mädchen ausgelöst hatte, andererseits kam ich nicht von dem Verdacht los, daß Corinna Price’ Einsilbigkeit andere Ursachen hatte als die eines Schocks. Mir schien es so, als sei sie bestrebt, Zeit zu gewinnen oder meine Ermittlungsbemühungen zumindest zu bremsen.

      »Wer ist Ihr Vater?« fragte ich sie. »Raymond Kenneth Price«, antwortete sie.

      Ich starrte sie an. »Ist er unter dem Namen Ken Price bekannt?«

      »Ja«, sagte sie.

      Ken Price! Er lebte in Chicago. Er war möglicherweise der letzte große Syndikatsboß aus der Capone-Ära. Niemand wußte genau, wie er es geschafft hatte, das Sterben der großen Syndikate zu überdauern. Ken Price war bereits eine Legende. Ich hatte nicht gewußt, daß seine Töchter in New York lebten.

      »Wann war er zuletzt hier?«

      »Papa kommt nie nach New York«, erklärte Corinna Price. »Sie sind der erste, der erfährt, daß Lala und ich seine Töchter sind. Selbstverständlich gibt es ein paar Eingeweihte, die die Wahrheit kennen. Meine Schwester und ich hatten keine Ursache, damit hausieren zu gehen. Papa war strikt dagegen. Er hat viele Feinde, das wissen Sie. Er wollte diesen Feinden keine Gelegenheit geben, uns zu entführen, er wollte sich nicht auf diese Weise erpressen lassen. Price ist ein häufiger Name, fast Dutzendware. Niemand in New York denkt sich was dabei, wenn man ihn trägt. Und doch ist es ein besonderer Name«, schloß sie bitter. »Lalas schreckliches Ende beweist es.«

      »Wäre Lala einfach so erschossen worden, hätte ich annehmen können, daß es dem Täter darum ging, Ihren Vater zu treffen.

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