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dass eine Form der Selbstbestätigung auch bei Menschen relevant sein könnte, die Volksverhetzungen bzw. Hatespeech posten420. Die Studie von Rost et al. deutet darauf hin, dass ein signifikanter Anteil (im Rahmen der Studie sogar 71,8 Prozent) Volksverhetzungen und artverwandte Äußerungen im Internet unter ihrem Klarnamen posten, und zwar weil sie nur so die Anerkennung für ihre Äußerungen erhalten und im besten Fall in der jeweiligen Gruppe einen höheren sozialen Status erreichen können421. Dies könnte ein Grund sein, warum die Aufklärungsquote bei Volksverhetzungen gem. § 130 StGB über das Tatmittel Internet im Jahr 2016 bei 71,2 Prozent lag, es also offenbar keine großen Probleme bei der Ermittlung der Tatverdächtigen gab422. Dieses Phänomen zeigt sich auch in der gesellschaftlichen Debatte um Verkehrsunfälle, bei denen sog. „Gaffer“ als Täter Unfälle filmen, um sie online zu teilen oder ins Internet einzustellen423. In einer mittelbaren Form kann diese Entwicklung u.a. daran abgelesen werden, dass beispielsweise die russische Polizei Warnhinweise mit Piktogrammen zur Anfertigung von Selfies gibt424, da sich tödliche Unfälle bedingt durch waghalsige Bilder gehäuft haben. Seit 2012 sollen weltweit insgesamt 49 tödliche Unfälle aufgrund der Anfertigung von Selfies bekannt geworden sein425. Dabei posten oder streamen auch immer mehr Täter ihre Tathandlungen im digitalen Raum, was aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden die Ermittlungsarbeit fördert426. Dieses Wissen um die Zurverfügungstellung von Informationen in Sozialen Medien wird bereits z. B. im Rahmen sog. Open Source Intelligence Techniken (OSINT) von Polizeibehörden weltweit genutzt427.

      Eine besondere Bedeutung nimmt in diesem Gedankengang die Vorbildfunktion von erwachsenen Familienangehörigen und Bekannten ein, aber auch von Persönlichkeiten im öffentlichen Interesse, beispielsweise Schauspielern, Musikern, Sportlern, aber auch Models. So sollen bereits 64 Prozent der Kinder und Jugendlichen ab dem 12. Lebensjahr den „Gefällt mir Button“ von Sozialen Medien einsetzen428. Damit ist dies nach „Nachrichten an andere verschicken“ (86 Prozent) und „in einer Online-Community chatten“ die dritthäufigste Aktivität von Jugendlichen in Sozialen Medien429. Entsprechend naheliegend ist dann, dass sich Minderjährige offen im Netz präsentieren und auch die Hemmschwelle zur Kommunikation und zum Austausch von Medien mit reinen Onlinebekanntschaften sinkt. Dies wird insbesondere an der Verbreitung bzw. Veröffentlichung sogenannter Selfies festgemacht, also zumeist mit der internen Kamera von Smartphones gemachter Selbstporträts einer oder mehrerer Personen. Dieser Mechanismus kann wiederum von Cybergrooming-Tätern für die Anbahnung genutzt werden.

      Diese Entwicklung geht auch damit einher, dass mittlerweile einige Eltern, aber auch andere Verwandte ganz selbstverständlich Bilder und Videos der eigenen oder anderer Kinder wie auch von Situationen aus dem Lebensalltag der Familie im Internet veröffentlichen. Sicherheitsbehörden wie die Polizei Hagen430 warnen aufgrund der Sicherheitsrisiken, aber auch wegen einer für den Laien undurchsichtigen Rechtslage vor diesem Trend431. Eine Studie des Internet-Sicherheitsdienstes AVG ergab, dass 81 Prozent der unter 2jährigen Kinder in irgendeiner Form bereits mit Bildern oder Videos im digitalen Raum präsent sind432. In diesem Bericht wird davon gesprochen, dass die Kinder damit bereits „digital footprints“ – also eine Art digitale Identität – haben433. Dieser Trend setzt sich beim Heranwachsen fort: Nach einer Studie von 2016 mithilfe des Youth Insight Panels der Bauer Media Group mit 4.400 Jugendlichen in der Altersgruppe von 12–19 Jahren haben bereits 67 Prozent der Mädchen und 49 Prozent der Jungen ab 13 Jahren in Deutschland sog. Selfies – also Selbstporträts – von sich digital veröffentlicht434. Hierbei ist davon auszugehen, dass diese Kinder nicht alle erst mit 13 entsprechende Bilder gepostet haben, sondern in noch jüngeren Jahren angefangen haben. Diese Tendenz zeigt sich auch darin, dass mittlerweile Kinder selbst als Vlogger (eine Portmanteaubildung aus Video und Blogger) mit der Veröffentlichung eigenproduzierter Videos auftreten435.

      Auch die Anzahl der Freundschaften bzw. Followerzahlen kann diese Entwicklung widerspiegeln. Gemäß einer Studie sollen 12- bis 17-jährige amerikanische Facebook-Nutzer im Durchschnitt 521 Facebook-Freunde haben, in der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen sogar 649436. Eine andere Studie kommt für die USA auf eine durchschnittliche Anzahl von 300 Facebook-Freunden in der Alterskategorie von 18 bis 29 Jahren437. Insgesamt sollen 23 Prozent aller Facebook-Nutzer zwischen 100 und 250 Freunde, 20 Prozent zwischen 250 und 500 Freunde und 15 Prozent sogar mehr als 500 Freunde besitzen438. Diese Zahlen liegen teilweise weit über dem Limit der sogenannten Dunbar’s Number von etwa 150 Personen, mit denen ein Mensch noch eine freundschaftliche Beziehung im Sinne von Zwischenmenschlichkeit führen kann439.

      Aber nicht nur Kinder und Jugendliche präsentieren sich auf diese Weise, auch Erwachsene nutzen die Möglichkeiten der Selbst- und Fremdpräsentation in Kombination mit der Vernetzung und den damit einhergehenden Rückmeldemöglichkeiten der Sozialen Medien440. Dies dient nicht allein privaten Interessen. Vielmehr ist es durch die Sozialen Medien heutzutage nicht unüblich, sog. Business-Netzwerke über Plattformen wie LinkedIn und Xing aufzubauen und durch die Eigenpräsentation zu unterhalten441. Die Entwicklung zur Selbstdarstellung lässt sich auch an Trends wie Food-Bloggen oder der Verbreitung von Selfie-Sticks ablesen, also manueller Geräte, die quasi als Verlängerung des Armes die Aufnahme von Selbstporträts aus einer unterschiedlichen Perspektiven ermöglichen.

      Je mehr – v. a. eigene persönliche – Informationen öffentlich geteilt werden, umso vulnerabler können die teilenden Personen werden. So können Bilder von Kindern gerade auch Tätern einen einfachen Einstieg in eine Konversation und damit letztlich in den Cybergrooming-Prozess ermöglichen. Beispielhaft werden Fälle thematisiert, in denen sich Täter gegenüber Mädchen auf Grundlage ihrer Bilder als Modellagenten ausgeben und versuchen die Kinder mit dem Versprechen eines Fotoshootings zur Übersendung weiterer Bilder zu überreden442. Genauso ist denkbar, dass sich ein Täter beispielsweise als Talentscout von einem Lieblingsfußballverein ausgibt und ein Kind zu einem Probetraining einlädt, für das er aber ein Bild in Unterwäsche benötigt, um die Physionomie einzustufen. In solchen Fällen versuchen die Täter zu verhindern, dass Kinder ihre Eltern informieren, indem typischerweise vorgeschlagen wird, dass selbst zu unternehmen, wenn man nach Zusendung der Bilder auch tatsächlich zu einem Treffen einlädt. Sobald die Bilder übersandt sind, hat der Täter dann entsprechendes Erpressungsmaterial in der Hand. Daneben können Bilder auch immer vulnerable Informationen über Personen und damit auch die Kinder selbst beinhalten443. So ist es denkbar, dass Kinder ihr Haus, ihre Schule, auch Geschwister oder beispielsweise ihre Laufstrecke aus Fitness-Apps öffentlich posten und damit entsprechende Übergriffe erleichtern444.

      In dem bereits angesprochenen Fall der App Musical.ly hat sich diese Verbindung zwischen digitalem Narzissmus und der Gefahr von Cybergrooming-Tathandlungen offen gezeigt. Jugendschützer zeigten hier auf, dass bereits junge Kinder auf Musical.ly verstanden haben, dass sie durch das „[…] Zeigen von sehr viel Haut […] Aufmerksamkeit und Anerkennung […]“ generieren konnten445. Unter szenetypischen Hashtags wie „#Bellydance“ oder „#bikini“ fanden sich entsprechende Clips. Diese wurden dann von „[…] Profilen namens „Wickedluver69“ oder „mhberlindauergeilxxl“ […] mit Lob und Herzen […]“ überhäuft. Gleichzeitig wurde aufgewiesen, dass einige der Nutzer mit Profilnamen wie „daddys_girlz“ oder „Loveyourbelly“ explizit Videos von sehr jungen Kindern in Unterwäsche oder Bikini folgten und mit Kommentaren wie „hot und sexy“ versahen und zu weiteren Videos aufforderten446. Kinder haben offenbar schnell verstanden, dass sie mit offenherzigen Videos mehr Aufmerksamkeit generieren können. Gleichzeitig können solche Videos Tätern, wenn sie sich diese z. B. direkt von den Kindern senden lassen, als Erpressungsmaterial dienen oder schlicht einen Zugang zu den Opfern bieten. Der digitale Narzissmus ist offenbar ein wichtiges Element bei der Tatbegehung. Entsprechend erscheint es sinnvoll gerade auch dort bei Präventionsmaßnahmen anzusetzen, was noch zu thematisieren sein wird.

      Ein Kennzeichen des interaktionsbezogenen digitalen Raumes ist, dass die Nutzer in sprachliche Kommunikation oder nonverbale Interaktion miteinander treten, ohne immer sicher zu sein, wer genau die

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