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stand vor der Erlöserkirche und telefonierte mit Fred. „Also, wenn ich zusammenfassen darf. Bis auf Schneider sind alle Personen, die du mir genannt hast, sauber. ­Schüttler erscheint etwas dubios. Aber wie sagt man so schön? Im Zweifel für den Angeklagten.“

      ­Melanie ging die Informationen im Geist durch. Er hatte berichtet, dass der Jungnazi aufgrund verschiedener Delikte wie Landfriedensbruch, Volksverhetzung und das Zeigen von Nazisymbolen zu einzelnen, kleineren Strafen verurteilt worden war. Die letzte lag ein halbes Jahr zurück. Gegen den Architekten war zweimal wegen Betrugs ermittelt worden. Letztlich hatte man ihm nichts nachweisen können.

      ­Melanie schaute zum Schlosspark. Die Menschenmenge vor dem Flatterband der Polizei am Eingangstor vergrößerte sich minütlich. Dahinter standen drei Feuerwehrfahrzeuge und ein Rettungswagen. An der Kreuzung zur Löwengasse ein Polizeiwagen und ein dunkles Zivilfahrzeug mit einem auf dem Dach befestigten Blaulicht.

      Freds Stimme kam aus der Ferne. „Übrigens, Matthias Leber, der Ex-Freund aus Düren, lebt nicht mehr in Deutschland.“ Er räusperte sich. „Philipp Heimke ist in Michelstadt gemeldet.“

      Ein Stück entfernt am Zaun erkannte ­Melanie die Klettke und Mumer. Direkt vor dem Absperrband versuchte Nadine Gissel mit einem Polizisten ins Gespräch zu kommen. Die einzige Reaktion bestand in einem Kopfschütteln, begleitet von einer grimmigen Miene.

      ­Melanie konzentrierte sich wieder auf ihren Gesprächspartner. „Fred, was ist mit dem Grafen?“ Sie lief die paar Schritte zum Kircheneingang, weil sie ihn bei dem Geräuschpegel kaum verstehen konnte.

      „Ach ja, ­Siegfried Graf zu Biebenau. Hätte ihn fast vergessen. Der war tatsächlich einmal Staatsanwalt in Düsseldorf. Ist dort unter ominösen Umständen ausgestiegen und bald darauf verschwunden. Seine Frau hat sich vorher umgebracht. Schuldt konnte sich daran erinnern, da das alles wohl mit dem Fall von irgendeinem bekannten Dealer zusammenhing und durch die Presse ging. Ich habe recherchiert. Es gibt keine Eintragungen zu ihm. Ist schon krass, dass der jetzt auf der Straße lebt.“

      ­Melanie sah einen blauen Audi die Dorotheenstraße entlangkommen. Er bremste wenige Meter von ihr. Ein schlaksiger Typ, Mitte dreißig, zwängte sich unter dem Flatterband durch und eilte auf das ankommende Auto zu. Aus ihm stieg ein Mann um die vierzig. Die gewellten schwarzen Haare reichten ihm bis beinahe zu den Schultern, die dürre Gestalt steckte in Jeans, einem braunen T-Shirt und einer dunklen Lederjacke. Dazu trug er Sportschuhe.

      „Du Fred, ganz lieben Dank für deine Hilfe“, flüsterte ­Melanie in ihr Handy. „Ich muss Schluss machen. Hier wird es gerade spannend. Melde mich wieder.“

      Das waren hundertprozentig Polizisten! Sie schlenderte wie zufällig auf die beiden zu. Sie schienen keinerlei Notiz von ihr zu nehmen, weshalb sie sich hinter dem Wagen auf eine Bank setzte und damit aus deren Blickfeld verschwand.

      „Na, ­Sandro, was soll das Großaufgebot hier?“, begann der Neuankömmling.

      „Im Schlosspark hat es gebrannt, genauer gesagt direkt bei ­Goethes Ruh.“

      ­Melanies Magen zog sich zusammen.

      „Die Wehr hat das Feuer gelöscht. Wie es scheint, wurden die Sachen von einem Penner abgefackelt, der dort öfter sein Quartier aufgeschlagen hat. Zum Glück haben die Flammen nicht auf den Pavillon übergegriffen. Die Kriminaltechnik ist bereits eingetroffen.“

      „Was ist mit dem Obdachlosen? Hat er den Brand verursacht?“

      „Das wissen wir nicht. Er ist verschwunden.“

      „Super! Kannst du mir mal bitte erklären, warum wir dann hier sind? Die Mordkommission ruft man, wenn es einen Toten gibt oder zumindest den Verdacht, es könnte einen gegeben haben!“ Der Unmut in seiner Stimme war kaum zu überhören.

      „Das ist ja das Problem! Die Kollegen von der Streife haben uns sofort gerufen. An der Tür der Hütte haftet eine Menge Blut. Damit sind wir in der Verlosung.“

      ***

      ­Melanies rechtes Bein war eingeschlafen. Sie musste sich anders hinsetzen, am besten aufstehen, was sie schließlich tat. Der ältere Mann fuhr herum und funkelte sie an.

      „He, was machen Sie da? Haben Sie uns belauscht?“

      Sie zeigte auf das Smartphone, das sie noch immer in der Hand hielt, und schüttelte den Kopf. „Quatsch, warum sollte ich? Hatten Sie was Interessantes zu erzählen? Ich habe telefoniert!“ Sie wusste nicht, ob die beiden ihr das glaubten, doch das war ihr egal, denn in diesem Moment sah sie ­Rosenthal durch die Löwengasse auf das Geschehen zugehen. Bevor die verdutzt schauenden Kriminalbeamten etwas erwidern konnten, war sie an ihnen vorbei gehumpelt und lief auf Ralf zu.

      Von links eilte Nadine Gissel herbei. „Ah, die Herren ­Schubert und Kimmerle von der Mordkommission! Sie können mir sicher endlich Auskunft geben, was hier eigentlich passiert ist.“

      Ralf blickte erstaunt, als ­Melanie ihn am Arm packte und zurück in die Gasse zog. Schnell berichtete sie ihm von dem mitgehörten Gespräch.

      Er rieb sich das Kinn. „Das hört sich übel an. Hoffentlich stammt das Blut nicht von Siggi.“

      ­Melanie wiegte den Kopf. „Wäre schön, nur von wem sollte es denn sonst sein?“

      „Vom Brandstifter. Der gute ­Siegfried ist ziemlich kräftig und weiß sich zu wehren. Außerdem ist er ja, wie du gehört hast, weg. Der oder die Täter werden ihn wohl kaum am helllichten Nachmittag durch den Schlosspark getragen haben.“ Er grinste schief und wirkte auf ­Melanie nicht überzeugend.

      Ihr Handy klingelte. Anja.

      „Hallo, was gibt es?“

      „Mel, du musst sofort kommen! Vater hat aufgegeben. Die Ärzte geben ihm höchstens ein paar Stunden!“

      27. April

      ­Melanie hingen die Erlebnisse der vergangenen Tage wie Mühlsteine um den Hals. Endlich war sie zurück in Bad Homburg, um ihren Auftrag zu erledigen und dennoch kreisten die Gedanken permanent um Hamburg. Sie versuchte, ihre Nerven zu beruhigen, und wo sollte das besser klappen als in der beinahe mystischen Atmosphäre der Erlöserkirche.

      Gänsehaut überzog sie, als sie an die Beerdigung ihres Vaters dachte, die sich als gesellschaftliches Ereignis entpuppt hatte. Mit zahlreichen Vertretern der Anwaltsgilde, den Abgesandten der Stadt und unzähligen Menschen, die ­Melanie nicht kannte.

      Sie war Fred Spiegel und Wolfgang Schuldt dankbar gewesen, dass sie gekommen waren. Aber warum hatte Wolfgang nichts über ihre Suche nach Jan Wolter gesagt? Sie hatte ihn ebenfalls nicht angesprochen, da sie einerseits den Anlass als unpassend empfand, andererseits Fred nicht kompromittieren wollte, weil sie ja Schuldts Interesse von ihm wusste.

      Eine Träne löste sich und kullerte ihre Wange entlang. Wäre die Bahn dieses eine Mal pünktlich gewesen, hätte ihr Vater bei ihrem Eintreffen noch gelebt. Wie friedlich er ausgesehen hatte, als er in dem Sterbezimmer gelegen hatte.

      ­Melanie nahm ein Papiertaschentuch aus der Jackentasche und schnäuzte sich die Nase. Sie musste die Ermittlungen vorantreiben und baldmöglichst zu Ende bringen, schon, um Anja zur Seite zu stehen, die viel stärker trauerte als sie selbst.

      Sie verzog das Gesicht, als die Gedanken den Weg zurück zum Fall fanden. Sie hatte zwar verschiedene Fäden gefunden, aus denen ließ sich aber kaum etwas stricken.

      Ihr Auftraggeber war gestern bei ihrem Treffen nicht besonders begeistert gewesen, als sie ihm vorsichtig mitgeteilt hatte, wie wenig sie bisher erfahren hatte. Sie grinste, als sie daran dachte, dass sie ihn schließlich davon überzeugen hatte können, geduldig zu bleiben, weil sie weder unnötig auffallen, noch wichtige Spuren vernichten wollte. Wenn es wenigstens welche gegeben hätte!

      ­Melanie erhob sich. Sie musste sich um ­Sabrinas andere Ex-Freunde kümmern. Mit Philipp Heimke würde sie beginnen und ihn in Michelstadt aufsuchen. Schließlich hatte der ebenfalls die Kurstadt Hals über Kopf verlassen. Vielleicht konnte

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