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Para-Kontinuum versickerten, ohne dass sich eine Möglichkeit ergab, den Austrittspunkt festzustellen.

      Frustriert und unzufrieden mussten die Wissenschaftler schließlich aufgeben.

      Das Forschungsraumschiff kehrte nach Katta zurück, und die beiden Forscher beschäftigten sich mit anderen wichtigen Dingen. Das Rätsel um die stellaren Impulse blieb vorerst ungelöst.

      Das blieb auch so – bis zum Jahre 2108, als der Transmitter auf Nadar-3 aktiviert wurde. Und noch nahm niemand in der allgemeinen Hektik nach der Zerstörung der PLUTO IV die stellaren Impulse ernst.

      Aber das änderte sich bald darauf.

      3.

      Vergangenheit: Dezember 2095

      Die umgängliche, freundliche, manchmal sogar zu Scherzen aufgelegte Seite von Gabrielle da Locca schien nicht mehr zu existieren. Dieser private Teil ihrer Persönlichkeit war wie ausgelöscht, seit diese Mission begonnen hatte. Die Kommandantin des Kugelraumers gab es sozusagen nur noch beruflich. Und da war sie als hart und unnachgiebig bekannt. Den Besatzungsmitgliedern, die schon häufiger unter ihrem Kommando gedient hatten, war das bereits vertraut. Die anderen lernten sie jetzt so kennen und schwankten zwischen Missmut, leise brodelndem Zorn und auch Furcht angesichts ihres kompromisslosen, untypischen Verhaltens. Der Respekt überwog einstweilen noch, doch es war beinahe abzusehen, dass die kommenden Tage und Wochen schwierig werden würden.

      Ohnehin herrschte auf dem Kugelraumer eine Atmosphäre der Anspannung und Nervosität. Man fühlte sich allgemein desorientiert und ratlos, beinahe wie blind. Unbekannten Mächten und Kräften ausgeliefert, dachte Funkleitoffizier Ben Silverman, der gern zu leicht übertriebenen, pathetischen Metaphern griff, ohne das wirklich ernst zu meinen.

      Diese Stimmung unter der Besatzung hatte nur einen einzigen, ganz bestimmten Grund: Den Befehl!

      Diesen absurden, sinnlos wirkenden Befehl, unter dem die Mission stand. Die Crew verstand ihn einfach nicht.

      *

      KALT, SCHWARZ UND LEER war der Weltraum, der sich um den mächtigen Kugelraumer herum ausdehnte. Der Durchmesser des Raumfahrzeugs betrug 387 Meter, und in seinem Innern konnte man sich leicht verlaufen, sofern man sich nicht auskannte.

      Diese Schwärze und Leere war es, die Neulingen im All oft auf den Magen schlug und sogar lang andauernde psychische Probleme verursachen konnte. Es machte vielen Menschen arg zu schaffen, und manche – oft gerade die, die sich eingebildet hatten, Abenteuer zwischen den Sternen heiß und innig zu lieben – musterten bereits nach ihrem Jungfernflug gleich wieder ab, um sich auf einen sicheren Büro- oder Technikerposten auf Terra zurückzuziehen. Bei einem solchen Job war man nicht in diesem Ausmaß mit der gnadenlosen Unendlichkeit des Weltraums konfrontiert.

      Für andere wiederum war das erste Raumerlebnis geradezu berauschend, wirkte wie eine Droge, was dazu führte, dass man es immer wieder und wieder genießen wollte.

      Zur letzteren Sorte von Raumfahrern gehörte Marge Kimazu, die für die Überwachung des Kombischirms zuständig war. Trotz ihrer Jugend besaß sie bereits beträchtliche Erfahrung, und obwohl dies erst ihr dritter Flug in den Diensten der Corporation war, unterschied sie sich kaum noch von sogenannten alten Hasen, und es gab so leicht nichts, was die Halbjapanerin aus der Fassung bringen konnte. Auch durch einen unverständlichen Auftrag verlor sie nicht gleich ihre Gelassenheit.

      So kam es auch, dass sie sich an Bord des Kugelraumers am Besten mit dem Funkleitoffizier Ben Silverman verstand, mit dem sie zum ersten Male zusammenarbeitete. Er war nicht nur in etwa gleichaltrig – Mitte Zwanzig, also ein Küken wie sie –, sondern teilte auch Marge Kimazus ruhige Einstellung, auch wenn er in privaten Gesprächen manchmal zu wilden Übertreibungen neigte.

      Marge musste oft darüber lachen; sie besaß überhaupt einen Sinn für Humor, der ihr vieles erleichterte.

      Es ist schon eigenartig, sinnierte sie in diesem Augenblick, wie wir Menschen dazu neigen, uns stets im Brennpunkt des Geschehens zu sehen. Das Weltall besitzt gigantische Dimensionen, und trotzdem denkt man: Es dehnt sich um UNS herum aus – dabei sind wir doch nur Staubkörner im All ... Wir gehen immer von uns aus, und unser jeweiliges Raumfahrzeug erscheint wie ein Symbol für das aufgeblähte menschliche Ego.

      Wobei dieser Gedankengang gerade auf den Kugelraumer besonders gut zutraf. Denn im Vergleich zu den meisten anderen Raumschiffen der HFL-Corporation war die fremdartige fliegende Kugel riesig. Trotzdem war und blieb das Kugelschiff ein Exot – aus mehreren Gründen.

      Marges Mandelaugen wanderten zum Kommandositz hinüber. Gabrielle da Locca saß ernst und schweigsam, mit einer verschlossenen, abweisenden Miene in ihrem Kontursessel. Hin und wieder warf sie einen Blick auf eine Berichtfolie in der Ablageschale zu ihrer Linken.

      Sie weiß schon, was sie tut, dachte Marge Kimazu, die zum zweiten Mal mit Gabrielle da Locca flog. Im Unterschied zu vielen anderen Besatzungsmitgliedern hatte sie nicht nur Respekt vor ihr, sondern bewunderte sie ganz offen. Dafür gab es mindestens zwei Gründe: Zum einen waren da Gabrielle da Loccas technisches Verständnis und ihr Erfindungsreichtum, gepaart mit einer enormen Arbeitsleistung: Marge Kimazu gehörte zu den wenigen Eingeweihten, die von einem Projekt wussten, an dem Gabrielle da Locca beteiligt war. Wann immer es möglich war, korrespondierte sie mit der Corporation-Ingenieurin Luisa dos Santos oder traf sich mit ihr zu intensiven Klausuren. Die beiden hochqualifizierten Frauen tüftelten an einer Weiterentwicklung des DaCern-Triebwerks. Mehr wusste Marge nicht darüber, und auch diese wenigen Informationen behielt sie für sich. Die hübsche Halbasiatin war keine Plaudertasche.

      Neben ihrer Bewunderung gab es noch einen weiteren Aspekt: Marge kannte die freundliche Seite ihrer Kommandantin, die von dieser zur Zeit so hartnäckig unterdrückt wurde. Während der letzten Reise hatten die beiden Frauen in fröhlicher Runde verbracht, in der sich rangniedere und ranghöhere Besatzungsmitglieder zwanglos mit Kartenspielen wie Skat und Bridge zerstreuten. Gabrielle da Locca war weit davon entfernt gewesen, den Captain herauszukehren; sie spielte nicht gerade sehr geschickt und konnte sich darüber jedes Mal ausschütten vor Lachen. Ja, sie war alles andere als eine Spielverderberin. Trotz der Spielrunden jedoch blieb Gabrielle da Loccas Autorität stets unangetastet.

      Wie ein im Zeitraffer ablaufender Filmstreifen flackerte diese Erinnerung jetzt an Marges geistigem Auge vorüber, während sie verstohlen das Profil der Kommandantin musterte. Gabrielle da Loccas Körper war ohne Zweifel angespannt, und sie saß sehr gerade im Sessel, so dass sie schlanker wirkte, als sie tatsächlich war. In Wirklichkeit besaß ihre Gestalt üppige Rundungen; sie war schon als mollige Frau zu bezeichnen. Wenn es notwendig war, konnte sie sich allerdings ungeheuer flink bewegen, wie Marge auch schon erfahren hatte. Die halblangen schwarzen Haare mit den roten Strähnchen trug die Kommandantin seit einiger Zeit hochgesteckt, was sie größer erscheinen ließ als ihre 1,77 m.

      Es war Marge Kimazu unmöglich, aus diesem strengen Profil herauszulesen, was Gabrielle da Locca gerade durch den Kopf ging. Ben Silverman hatte von seinem Funkleitstand sicher die bessere Position, um Beobachtungen zu machen; wenn er aufblickte, konnte er das Gesicht der Kommandantin sehen und ...

      »Zustand des KSS?«, fragte Gabrielle da Locca plötzlich knapp und schroff.

      Jetzt war Marge ebenfalls in der Lage, ihr in die Augen zu sehen,

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