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drehte sich in der geräumigen Diele vor Wiedersehensfreude immer wieder wild um sich selbst, er freute sich mindestens so sehr wie Sascha über das Wiedersehen.

      Im Wohnzimmer, in das Andreas seine Besucher führte, blinkten Kacheln an den Wänden, und auf dem Dielenboden lagen helle Webteppiche, die einen guten Kontrast zu den dunklen Deckenbalken bildeten.

      Alles in allem war es ein Haus, in dem man sich wohlfühlen konnte. Nicht protzig, wie Kornelia befürchtet hatte, sondern urgemütlich und anheimelnd.

      Kaffee und Kuchen waren vom Hausherrn schon vorbereitet worden. Streuselkuchen, den Sascha besonders liebte, wenn er mit Kirschen verfeinert war, wartete schon unterm Glassturz. Blauweißes Geschirr, das zur blauen Tischdecke mit dem weißen Spitzeneinsatz passte, stand bereits auf dem Tisch. Ebenso natürlich eine Kanne Kakao für Sascha.

      Was für ein hübscher Anblick, ging es Kornelia durch den Sinn. Es wäre wirklich schade gewesen, wenn sie nicht mitgekommen wäre! Dieses Haus und der Garten, der bis zum Wasser reichte, waren einfach märchenhaft schön!

      Sie warf dem Hausherrn einen verstohlenen Blick zu. Gut sah er aus. Er passte in dieses Haus, in diese Umgebung. Besser eigentlich als zu den Jetset-Freunden, die ihn daheim überfielen und mit denen er sicherlich auch in Berlin oft zusammen war.

      Karolines Herz erwärmt sich allmählich, während Andreas es spürbar vermied, sie mit ihrem Namen anzusprechen. Umso emsiger war er bemüht, es ihnen behaglich zu machen. Es schien ihm sehr daran gelegen zu sein, dass sich Mutter und Sohn wohl fühlten.

      Und er wurde nicht müde, Saschas unzählige Fragen zu beantworten. Zum Beispiel, ob Kurt auch für längere Zeit hier bliebe. Und ob sie hinterher, nach dem Kaffeetrinken, mit Ben zum Strand hinuntergehen könnten. Wie lange sein „Opa“ hier in seinem Landhaus bleiben würde. Ob er ein Schwimmabzeichen habe - und wenn ja, welches.

      Immer neue Fragen fielen ihm ein, und Andreas beantwortete sie geduldig.

      „Sascha“, meinte Kornelia nach einer Weile, als sie glaubte, nun sei es endlich genug mit dem Examinieren, „jetzt sei mal leise, setz dich wieder hin und halt den Mund.“

      Andreas lachte. „Die letzten beiden Fragen hab ich ja noch nicht beantwortet. Also: Kurt und ich, wir bleiben noch ein Weilchen hier. Und: Ich habe den Rettungsschwimmer gemacht. Wenn man hier am Meer lebt, ist das Ehrensache.“

      „Aber du lebst doch nicht hier!“, wandte Sascha ein und sah ihn zweifelnd an.

      „Jetzt nicht mehr, da hast du recht. Aber ich bin hier aufgewachsen. Als ich so klein war wie du, bin ich im Nachbardorf, das ein bisschen größer ist, zur Schule gegangen. Das hier war das Haus meiner Großeltern.“

      „Aha.“ Sascha machte große Augen, aber fürs Erste war sein Wissensdurst gestillt. Er zog es vor, mit Ben ein bisschen durch den Garten zu toben, statt mit den Erwachsenen noch länger am Kaffeetisch sitzen zu bleiben.

      Nachdem Kornelia die dritte Tasse Kaffee halb ausgetrunken hatte, schlenderten sie durch die spärlich bewachsenen Dünen, während Sascha mit Ben weit entfernt herumtobte. Man hörte nur das Lachen des Jungen und hin und wieder Bens übermütiges Bellen.

      Der Himmel stand blau und klar über Land und Meer. Am Horizont fuhren drei Schiffe vorbei, sie waren so weit entfernt, dass man nicht einmal erkennen konnte, ob es Passagierdampfer waren oder Frachter.

      „Beim nächsten Mal nehmen wir ein Fernglas mit“, sagte Andreas. „Dann können wir genau erkennen, wer hier entlang fährt.“

      Irgendwann erreichten sie den kleinen Friedhof des Ortes. Andreas griff nach Kornelias Hand. „Komm mit, ja?“

      Sie folgte ihm, und es war wie selbstverständlich, dass er sie duzte.

      Nach ein paar Metern blieb er vor einem windschiefen Holzkreuz stehen. Nur ein Name stand darauf: Franziska Vorbeck.

      „Den wollte ich dir zeigen“, sagte Andreas mit ein wenig heiserer Stimme, „um ein Missverständnis zwischen uns aus der Welt zu schaffen.“

      Kornelia schwieg betroffen. Aus großen Augen sah sie ihn an. Sie sah die leichte Wehmut in seinem Blick, als er nochmals zu dem Grab hinunter schaute. Sie sah die kleinen Fältchen um seine Augen. Sie sah seinen Mund...

      „Sie war meine Mutter“, sagte Andreas in diesem Moment. „Ihr Name steht für das Wesen, das ich immer gesucht habe - einen Menschen, der exakt für mich gemacht zu sein scheint. Franziska... das ist ein Sinnbild, weiter nichts.“

      Kornelia sah ihn an. „Deshalb also hast du mich Franziska genannt?“

      „Ja.“

      „Aber... du kennst mich doch gar nichts. Woher willst du wissen, ob ich dem Wesen entspreche, das du suchst?“

      „Kornelia.“ Er sprach ihren Namen mit großer Zärtlichkeit aus, dabei sah er sie nicht an, sondern malte mit der Schuhspitze kleine Zeichen in den Sand. „Ich bin vierzig Jahre alt und habe, wenn sonst nichts, reichlich Menschenkenntnis gesammelt. Menschen auch, ja. Aber es war keine einzige Frau darunter, die mir das Gefühl gegeben hätte, am Ende meiner Suche, am Ziel meiner Wünsche zu sein. Sonst hätte ich sie geheiratet. Das kannst du mir glauben.“

      Kornelia wusste nicht ein noch aus. Sie blickte auf den Sand zu ihren Füßen, dann wieder zum blauen Himmel hinauf und schließlich, weil es sie magisch anzog, in Andreas’ Gesicht.

      Da war so viel Ernst in seinen Augen, aber auch so viel Zärtlichkeit, dass sie beinahe erschrak.

      „Wenn du mir doch nur glauben würdest!“ Er streckte beide Arme nach ihr aus.

      „Aber das tu ich doch! Ich zweifle nicht an deinen Worten. Ich weiß nur nicht...“ Hilflos brach sie ab.

      „Was du damit anfangen sollst?“ Er lachte leise.

      „So ungefähr, ja. Versteh mich, Andreas, für mich dreht sich die Welt im Augenblick viel zu schnell. Ich komme mir vor wie auf einer Achterbahn - und ich hab Angst, herunterzufallen.“

      „Dann halt ich dich.“ Er griff nach ihren Händen.

      „Mir ist ganz schwindelig“, murmelte Kornelia. „Haben wir Zeit, über alles nachzudenken und in Ruhe zu reden?“

      Er nickte. „Alle Zeit, die wir brauchen - und noch mehr.“

      Kornelias Züge entspannten sich. „Dann ist’s gut.“ Ihre Augen glänzten, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und Andreas einen Kuss auf die Wange hauchte.

      Er wollte sie fester an sich ziehen, doch sie entwand sich ihm. „Später“, lächelte sie. „Wir haben doch Zeit!“

      *

      SASCHA, DER MIT BEN auf einem Hügel aus Sand und Gras gewartet hatte, schien nichts dabei zu finden, das Andreas und seine Mutter Hand in Hand auf ihn zukamen.

      Auch hatte er nichts dagegen, im Ziegelhaus unter dem Reetdach zu übernachten, nachdem sie im Alten Herrenhof angerufen und sich abgemeldet hatten. Er schlief in einem gemütlichen alten Bett, Ben auf einem Flickenteppich davor.

      Draußen vor dem Haus, auf einer Bank unter einem hellroten Rosenbogen, saßen Andreas und Kornelia. Sie sahen die Dämmerung sinken, den Tag sich allmählich zur Nacht verdichten, sie hörten den Wind mit dem Strandhafer spielen, den Schrei der Möwen und das Rauschen des Meeres.

      Sie sprachen erst einmal gar nichts, genossen die Nähe des anderen. Dann, als die Schatten länger wurden, sprachen sie über Ereignisse, an die sie schon jahrelang nicht mehr gedacht hatten, obwohl ihr Leben davon geprägt worden war.

      Sie sprachen rückhaltlos über alles. Über Sascha. Über seinen Vater, einen Kunststudenten, der sich im letzten Semester als Reiseleiter nach Griechenland verpflichtet hatte und so viel Geschmack an der Ägäis fand, dass er nicht mehr zurück nach Deutschland

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