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Herrn Severin einfach mal fragen müssen“, meinte er.

      „Rüdiger glaubt übrigens, dass Frau Gerath ein Verhältnis mit Severin hat.“ Berringer blieb fast der Bissen im Hals stecken. „Wie – und das erzählst du mir jetzt erst?“

      Mark Lange machte eine wegwerfende Handbewegung, trank sein Alt aus und wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab. „Mehr als ein Gerücht ist das nicht. Ein Kollege hat Rüdiger erzählt, dass er die beiden mal in einer offenbar vertraulichen Situation gesehen hätte. Aber erstens war das wohl doch nicht so eindeutig und zweitens ist das ...“

      „... Hörensagen vom Hörensagen“, vollendete Berringer.

      „Richtig“, bestätigte Mark Lange. „Ist also fraglich, ob man darauf irgendetwas bauen sollte.“

      „Ich habe schon aus viel windigeren Sachen was gebaut, das hinterher auch vor Gericht noch standhielt“, hielt Berringer dem entgegen. „Wie auch immer – es ist jedenfalls eine interessante Information.“

      Das Fernglas wird justiert und scharf gestellt. Diesmal kein Fadenkreuz.

      Zu sehen ist eine der Villen im Krefelder Stadtteil Bockum.

      Ein Heim wie eine Festung.

      Die Villa

      Der Gerath.

      Das passt zusammen.

      Der Blick auf die Terrasse ist frei. Es brennt Licht.

      Jetzt wartest du.

      Die Dämmerung setzt ein.

      Sind wir nun endlich vereint in dem Gefühl, dass das Universum ungerecht ist?

      Vereint im Hass auf jemanden, der Schicksal spielte?

      Du wartest auf eine Reaktion.

      Das Licht im Erdgeschoss wird abgedimmt. Da ist etwas Blaues, Flackerndes, Flimmerndes. Ein Fernseher.

      Das ist nur der Anfang des Schreckens.

      Aber du wirst dich entscheiden müssen.

      Länger leiden lassen oder kurzer Prozess.

      3. Kapitel: Zwei Frauen in Weiß

      Am nächsten Morgen fuhr Berringer zu Geraths Villa im Krefelder Stadtteil Bockum, fünf Minuten von der Galopprennbahn entfernt. Das Gebäude war weiträumig von einer hohen Mauer mit einem aufgesetzten gusseisernen Gestänge umgeben. Für jemanden, der in einem ganz gewöhnlichen Reihenhaus oder Bungalow aufgewachsen war, wirkte die Gerath’sche Villa wie ein Palast. Aber im Verhältnis zu anderen Residenzen in der näheren Umgebung war sie allenfalls Mittelmaß.

      Personenschützer in den Uniformen eines privaten Sicherheitsdienstes patrouillierten auf dem kurz geschorenen Rasen.

      Berringer hatte sich zuvor telefonisch angemeldet, und so brauchte er vor dem Passieren des gusseisernen Eingangsstores den Wagen nicht zu verlassen und die Sprechanlage zu bedienen. Ein Kameraauge erfasste ihn und seinen Wagen, das Tor öffnete sich mit einen leisen Surren, und Berringer konnte bis zum Haus fahren.

      Einer der Wachhunde kläffte.

      „Der tut nix!“, meinte der Wachmann.

      „Und warum trägt er dann einen Maulkorb?“, fragte Berringer zurück.

      „Ist Vorschrift - wegen der Rasse.“

      Wer’s glaubt wird selig, dachte Berringer. Und wahrscheinlich trotzdem gebissen!

      Der Kollege des Wachmanns kam auf Berringer zu. „Sie sind Berringer?“

      „Nein“, antwortete Berringer. „Ich bin Herr Berringer. Berringer nennen mich nur Freunde und Ganoven.“

      Der Mann ging nicht darauf ein. „Kommen Sie bitte mit.“ Berringer folgte ihm die Stufen zum Hauseingang hoch und trat in eine weiträumige Empfangshalle. Das Mobiliar war überraschend schlicht. An einer Wand hing ein Ölgemälde, das das Firmengelände von Avlar Tex zeigte. Kein Kunstwerk, eher Kunsthandwerk, fand Berringer. Aber ein Zeichen dafür, welchen Stellenwert die Firma in Peter Geraths Leben einnahm. Sie war sein Lebenswerk.

      Eine Freitreppe führte ins Obergeschoss.

      Berringer hörte Stimmen. Eine weibliche und eine männliche. Es schien nicht gerade friedlich zuzugehen im Hause Gerath, aber Berringer konnte unmöglich verstehen, worum es ging.

      Dann wurde eine Tür zugeschlagen, woraufhin die Stimmen überhaupt nicht mehr zu hören waren.

      „Setzen Sie sich“, sagte der Sicherheitsmann und deutete auf eine Sitzecke.

      Er öffnete die Fell besetzte Jacke mit der Aufschrift SAFE & SECURE.

      „Ist das die Firma, für die Sie arbeiten?“, fragte Berringer und deutete auf die Aufschrift, die in Miniaturform auch auf den Schultern zu finden war.

      „Ja.“

      „Wie heißen Sie?“

      „Sven Giselher.“

      „Sie haben nicht zufällig früher bei Delos gearbeitet?“

      „Doch, hab ich. Woher wissen Sie das?“

      „War nur geraten.“

      „Zweitausend Mann haben die entlassen - und der Rest kommt auch noch dran. Das ist vielleicht eine Schei... ein Mist.“

      „Wem sagen Sie das.“

      „Und das Schlimmste ist, dass die ganze Branche darunter zu leiden hat. Viele Geschäftsleute bringen jetzt ihre Einnahmen lieber selber zur Bank, als eine Firma wie Delos damit zu beauftragen.“

      „Aber Sie haben Glück gehabt und sind wieder untergekommen.“

      „Ja, ich bin froh über den Job.“

      Berringer setzte sich, schlug die Beine übereinander und wartete.

      „Herr Gerath wird Sie gleich empfangen“, wurde ihm gesagt. „Warten Sie bitte.“

      „Was ist mit Frau Gerath?“, fragte Berringer. „Ich hätte sie auch gern gesprochen.“

      „Die ist momentan nicht da. Und ich kann Ihnen auch nicht sagen, wann sie zurückkehrt.“

      „Sorgt sich Herr Gerath denn gar nicht, dass auch ein Anschlag auf seine Frau verübt werden könnte?“, fragte Berringer.

      „Doch, das schon, aber Frau Gerath hat ihren eigenen Kopf. Wenn Sie verstehen, was ich meine.“

      Berringer schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wirklich.“

      „Sie lässt sich keine Vorschriften machen, das meine ich. Von ihrem Mann nicht und von uns schon gar nicht. Aber mehr sage ich besser nicht.“ In diesem Augenblick wurde oben wieder eine Tür geschlagen, und eine ziemlich aggressiv klingende weibliche Stimme war zu hören.

      Dann folgten schnelle Schritte.

      Eine junge Frau mit schulterlangem blondem Haar lief mit finsterem, dunkelrot verfärbtem Gesicht die Treppe herab. Sie war vollkommen in Weiß gekleidet: Ein weißes leinenartiges Gewand hing ihr bis über die Hüften, und dazu trug sie eine schneeweiße Jeans.

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