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zu machen, hatten es wie immer in sich.

      Hermann Brinkmann ahnte schon nichts Gutes, als seine Ehegattin mal wieder unangemeldet und somit überraschend bei ihm auftauchte. Und er musste nicht lange rätseln, um darauf zu kommen, worum es ihr diesmal ging, nämlich schon wieder - oder vielmehr immer noch! - um Adele. Genauer: Um ihre verbotene Liebe zu Johann.

      „Wie kommt es, dass du sogar bei einer solch einfachen Aufgabe dermaßen versagst?“, fragte sie ihn ohne weitere Umschweife.

      Das klang doch tatsächlich, als würde sie sich nur einmal ganz beiläufig nach dem Wetter erkundigen, als gemütliche, herzensgute Oma zu ihrem sie über alles liebenden Gemahl gewandt.

      Doch sie fügte sogleich hinzu:

      „Du hattest den klaren und mindestens genauso einfachen Auftrag, Georg Wetken über die Affäre seines Sohnes in Kenntnis zu setzen. Doch was ist in Wahrheit geschehen? Gar nichts! Wie kann das wohl sein?“

      Hermann wusste, dass er jetzt sehr genau überlegen musste, wie seine Antwort lautete. Zumal er sicher war, dass seine Botschaft bei Georg Wetken durchaus angekommen sein musste.

      Er betrachtete argwöhnisch seine Frau. Es war ihm inzwischen völlig klar, dass sie ihm auf die Schliche gekommen war: Sie wusste, dass er heimlich mit Georg Wetken, ausgerechnet ihrem erklärten Todfeind, in Verbindung stand. Nicht deshalb, weil er dabei unbedingt seine Frau hintergehen wollte, sondern weil er der Auffassung war, dass eine solche Verbindung in diesem kräftezehrenden Dauerkrieg zwischen den beiden Gilden nur von Nutzen sein konnte. Für Hermann Brinkmann diente das ergo der Schadensbegrenzung, nicht dem Verrat.

      Das war auch der Grund, wieso Georg Wetken seine Informationsquelle aus dem Hause Brinkmann für absolut glaubwürdig hielt, weil er mit Hermann Brinkmann völlig einer Meinung war. Ihre Verbindung zueinander, obwohl mit der gebotenen Heimlichkeit gepflegt, weil sie nicht nur in den Augen von Margarethe sicherlich genauso schlimm erscheinen würde wie die Liaison zwischen Adele und Johann, hatte in der nahen Vergangenheit tatsächlich beiden Gilden sehr viel Nutzen gebracht.

      Es war dennoch klar, dass nicht einmal Johann davon erfahren sollte, wenn es nach dessen Vater ging, und es war klar, dass außer Margarethe und dem Kammerdiener Hermanns sonst niemand eingeweiht war auf der Seite des Hansehauses Brinkmann und der Gilde, deren Wirtschaftspolitik es maßgeblich bestimmte.

      Schlimm genug, dass Margarethe ihm auf die Schliche gekommen war, aber was hatte sie eigentlich erwartet, was passieren würde, wenn Georg Wetken in Kenntnis gesetzt wurde über die Heimlichkeiten seines Sohnes?

      Hermann Brinkmann schüttelte bedauernd den Kopf.

      „Vielleicht solltest du einfach auch einmal in Betracht ziehen, dass inzwischen das Misstrauen gegenüber dem Hause Brinkmann durch deine ständigen Machenschaften dermaßen groß geworden ist, dass man jegliche Information aus unserem Hause zunächst einmal mit Vorsicht begegnet?“

      „Willst du damit sagen, dass dein persönliches Versagen bei einer dermaßen einfachen Aufgabe in Wirklichkeit auf mich selbst zurückzuführen ist? Könnte denn eine Ausrede noch billiger sein?“

      Auch sie schüttelte jetzt den Kopf.

      „Nein!“, widersprach er mit für sie ungewohnt fester Stimme. „Du solltest wirklich nur einmal berücksichtigen, dass Georg Wetken zwar mir vertraut, aber eben nicht unbedingt dem, was ich ihm zu berichten habe. Weil er vielleicht die Möglichkeit in Betracht zieht, dass ich selbst einer Fehlinformation aufgesessen sein könnte. Und dafür hat nun einmal dein Ruf gesorgt, den du dir längst eingehandelt hast – und nicht der meinige.“

      „Aha, und daher kann dieser Johann weiterhin unserer Adele den Hof machen, und dein Georg Wetken sieht diesem Treiben tatenlos zu? Wie naiv musst du bloß sein, solches anzunehmen? Georg Wetken ist der mächtigste Mann in ganz Hamburg, und ich bin die einzige echte Gefahr, die ihm in seiner bevorzugten Stellung droht.

      Und das Hansehaus Brinkmann hört auf meine Befehle. Also ist zwangsläufig unser Haus die größte Gefährdung seiner Macht. Und da willst du mir tatsächlich weismachen, dass er einer Liaison zwischen Johann und unserer Adele einfach so zustimmt, sie vielleicht sogar begrüßt?“

      „Das habe ich doch gar nicht behauptet. Aber vielleicht solltest du einmal darüber nachdenken, dass dieser Johann nicht umsonst der Nachfolger von Georg Wetken sein soll? Wir wissen beide nicht, wie er wohl reagierte, als sein Vater ihn mit dieser Behauptung konfrontierte. Vielleicht hat er ja seinem Vater eine plausible Erklärung geliefert, die völlig von seiner heimlichen Liaison mit Adele ablenkt?“

      „So etwas traust du ihm tatsächlich zu?“

      „Und wieso nicht? Was hast du denn ansonsten erwartet? Dass Georg Wetken seinen Lieblingssohn verstößt, nur wegen einer Behauptung aus dem Hause Brinkmann? Obwohl er mir voll und ganz vertraut wohlgemerkt, aber wäre es denn so unvorstellbar, dass er am Ende doch lieber seinem Sohn vertraut?“

      „Aber es ist die Wahrheit!“, beharrte Margarette Brinkmann.

      „Ja, das wissen wir beide – und durchaus auch Johann. Aber das weiß nun einmal nicht sein Vater. Und wieso bist du nicht zufrieden damit, denn eines hast du damit ja offensichtlich erreicht: Wenn er seine Liaison mit Adele leugnet, wird es in Zukunft auch keine Liaison mehr zwischen den beiden geben können. Und das war doch das eigentliche Ziel, nicht wahr? Oder wolltest du etwa die Gelegenheit nutzen, um diesen Johann zur Strafe zu vernichten und damit gleichzeitig dich an seinem Vater zu rächen? Dafür zum Beispiel, dass er immer noch die Nummer eins ist vor dir innerhalb der Obrigkeit von Hamburg?“

      Sie sah ihn nur an, mit einem vernichtenden Blick, der so gar nichts mehr mit einer alten, gemütlichen, herzensguten Oma zu tun hatte, die sie so gern spielte. Dann wandte sie sich brüsk ab und verschwand ohne ein weiteres Wort.

      Sie ließ einen grübelnden Ehegatten zurück, und dieser grübelnde Ehegatte dachte einmal ausnahmsweise nicht an sich und an die Geschäfte, die er im Auftrag seiner Ehefrau erfolgreich führen musste, sondern an seine Enkelin Adele.

      Er hatte sich noch nie so richtig um diese gekümmert. Das wurde ihm jetzt erst recht schmerzlich bewusst. Er war ihr tatsächlich nie der gute Großvater gewesen, der er hätte sein sollen, weil er eben zu sehr damit beschäftigt war, unter der Fuchtel seiner Frau zu stehen, in der steten Gewissheit, dass er nicht der Einzige war in seinem Umfeld, dem das bekannt war.

      In all den Jahren hatte er eigentlich nur ein einziges Mal etwas getan, was eben nicht dem ausdrücklichen Willen seiner Frau entsprochen hatte, nämlich indem er Kontakt aufgenommen hatte zu Georg Wetken. Um ausgerechnet für diesen so etwas wie ein Spion in den Reihen der Brinkmann-Gilde zu werden.

      Eben nicht um seiner eigenen Gilde etwa Schaden zuzufügen, sondern tatsächlich nur zum Nutzen aller Beteiligter. Das war er sich und der Gilde einfach schuldig gewesen.

      Und jetzt sah er auf einmal eine weitere Chance, einfach einmal er selbst zu sein, eine eigene Entscheidung zu treffen. Eine echte Chance vor allem, endlich der Großvater zu werden, der er eigentlich nie gewesen war.

      Er verließ auf der Stelle seine Gemächer und ging schnurstracks zu seiner Enkeltochter Adele. Und er konnte sich lebhaft vorstellen, dass es ihr derzeit nicht besonders gut ging, denn nicht nur, dass sie den Kontakt zu ihrem geliebten Johann verloren hatte, sondern vor allem, weil sie nun zu niemandem mehr Kontakt haben durfte.

      Wie würde sie reagieren, wenn er so überraschend bei ihr auftauchte?

      14

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