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Boden angekommen, wieder zurück auf den Bauch und kam dann auch irgendwie wieder auf die Knie.

      Ich war überglücklich, dass die Garage nicht überbreit war, ich die naheliegende Wand zu packen bekam, an der ich mich langsam heraufstemmen konnte, sodass ich wieder auf die Beine kam. Auch, wenn das Ganze vermutlich wenig elegant aussah. Im gut gelernten und noch vor wenigen Minuten bewunderten Roboter-Style betrat ich das Wohnzimmer und die Dame des Hauses freute sich merklich über meine ungeplante, fröhliche Tanzeinlage – bis ich ihr erklärte, dass ich im Sportstudio gewesen wäre. Ich erklärte ihr, dass ich an dem Kursus teilgenommen hatte, dessen Namen ich nicht aussprechen wollte, weil es mich dabei nicht nur körperlich schmerzte. Ihr Lachen steckte mich an und ich bemühte mich, nun endlich Platz zu nehmen. Denn dabei hatte ich mittlerweile meine ganz eigenen Tricks, auch wenn sie nicht immer ansehnlich waren. Unsere Katzen fauchten mich im Laufe des Abends mehrfach missmutig an, als ich ihnen das ein oder andere Mal ihr Territorium mittels „auf dem Boden kriechen“ streitig machte und mich dabei gefährlich nahe an ihren Futternäpfen vorbei bewegte.

      Nach einem wundervollen Essen, das die Hausdame aus einigen Überbleibseln gezaubert hatte – ohne Ofen versteht sich (oder haben Sie etwa die Schlechtwetterfront vergessen?). Obwohl ich eigentlich meinen Fleischkonsum herunterfahren wollte, hungerte es mich jetzt nach allem, was greif- und essbar war. Mein Körper, angekurbelt durch dieses mörderische Work-out, lief wohl innerlich, vollkommen unerwartet, auf Höchstleistung. Mein ungezügelter Appetit war eine der spürbarsten Auswirkungen dieses sportlichen Eklats.

      Während die Köchin – die übrigens eine gute Freundin von mir ist, seit sie mich geheiratet hat – erst bei der zweiten Schnitte Brot war, merkte ich, dass ich den Rest des 500-Gramm-Brotes nun vollständig verzehrt hatte. Ebenso wie den ganzen Aufschnitt. Ich begab mich auf die Suche nach weiterem Essbaren und verstand nun auf einmal auch unsere Katzen, die ewigen Jäger, immer auf der Suche nach Futter, sowie ihre andauernde Hungersnot. Zum ersten Mal hatte ich Mitleid mit ihnen.

      In einer Zeitschrift hatte ich etwas interessantes über Ernährung gelesen: Wenn man beim Essen kontinuierlich trinkt, würde man sein individuelles Sättigungsgefühl schneller erreichen. Also schnell eine Flasche Mineralwasser medium aufgemacht, angesetzt und sie in mich hineingeschüttet. Dann sofort die nächste gesucht. Erst als ich trank, merkte ich, was für einen enormen Brand ich hatte. Der war also nicht nur innerlich zu spüren. Es musste ein Flächenbrand sein, denn dieser Brand hatte sich bis hinauf in meine Kehle gearbeitet und war beinahe unerträglich. Nach der dritten Flasche Wasser ließ der Durst genauso schlagartig nach, wie er sich in mein Stammhirn per Neuronen hinaufgefunkt hatte. Damit war nun im Haushalt weder Wasser noch Brot zu finden. Die Angeheiratete zauberte schneller einen Zettel aus dem Handgelenk als Copperfield irgendeine Karte aus seinem Ärmel. Und dieser war auch noch zu all meinem Unglück komplett beschrieben mit allen benötigten Dingen, die nun im Kühlschrank fehlten. Und zwar fehlten auf einmal alle Joghurts, Kinderriegel, eine Packung hartgekochter Eier, Quark, Sahne. Sofort sah ich ein, dass ich meinen Beitrag zur Erneuerung unserer Lebensmittelration zu leisten hatte. Lediglich auf ein Fortbewegungsmittel musste ich wohlwissend verzichten.

      Dass ich mir heute insgeheim sehnlichst einen elektrischen Rollator wünschte, auf den ich mich stützen oder mit dem ich sogar fahren könnte, wollte ich unter keinen Umständen preisgeben. Es hätte auch nichts genützt, denn die interne Sicherheitskoordinatorin hatte alle Stecker vorsichtshalber gezogen und bis auf weiteres fachfraulich verplombt.

      Ich werde wohl beim nächsten Mal ein Gesuch zur Nutzung meines E-Wagens bei Schönwetter bei ihr einreichen müssen. Sonst „is nix mit irgendwohin fahren,“ dachte ich. Gut wenigstens, dass ich meinen Wagen heute noch heimlich an den Strom angeschlossen hatte, sofern die Hausherrin ihn nicht schon entfernt und ebenfalls verplombt hatte.

      Im naheliegenden Supermarkt angekommen, begab ich mich zügig zur Fleischtheke. „Zügig“ war in meinem Falle das, was mein Körper überhaupt noch an Bewegungen zuließ. Auch, wenn mir die Bewegung genommen wurde, nicht aber mein Hunger. Der blieb. Und er forderte seine Opfer. Einem unaufmerksamen Kleinkind in der Metzgerabteilung stahl ich in einem unbemerkten Augenblick gekonnt die Wurstscheibe aus der kleinen Hand. Denn mein Taschengeld war begrenzt. Mein Hunger leider nicht. Auch die diversen Kostproben in der Fleischereiabteilung verschwanden so schnell wie ich selbst hinter den vielen Regalen des Supermarktes, kaum, dass sich die Produktwerberin einmal nachlässig zur Seite drehte. Jetzt endlich ging es mir ein wenig besser. Doch zugleich schoss mir ein schrecklicher Gedanke durch den Kopf: Tatsache war, dass ich mich vermutlich nicht nach jedem Training durch Kühlschrank und Supermarkt durchfuttern konnte. Wollte ich nicht auffliegen oder gar die Kosten im eigenen Haushalt sprengen.

      Aber Hunger und Durst sind nun mal unbarmherzige Gesellen. Mit denen lässt sich nicht spaßen. Es ließ sich also auf lange Sicht nicht vermeiden, eine neue, verträglichere Strategie zu entwickeln. Eine, die die Haushaltskasse nicht überstrapazierte.

      Für den circa einen Kilometer entfernten Supermarkt bis nach Hause benötigte ich exakt zwei Stunden. So lange dauert es eben, wenn man sich von Hauswand zu Hauswand tasten und zwischendurch auf diversen Bänken, Blumenkübeln und allem, was zum Sitzen herhalten kann, ausruhen muss. Weil die Beine einem nicht mehr gehorchen. Mittlerweile kannte ich alle Graffiti an den Wänden in unserem Dorf und auch deren Sprayersignaturen auswendig.

      Aber wann endlich tritt denn das Wohlgefühl ein, von dem ich schon so oft von sportlich aktiven Personen um mich herum gehört hatte? Vielleicht sollte ich nochmal nachlesen, wo genau dieses Gefühl auftritt und mit welcher individuellen zeitlichen Verzögerung. Denn von einem solchen Gefühl war ich weit entfernt. Bisher schrie mein Körper bloß vor blankem Schmerz, der sich durch jeder seiner Fasern zu ziehen schien. Nur meinem übermenschlichen Willen war es geschuldet, dass ich es bis nach Hause schaffte.

      Mit meiner lieben Frau verbrachte ich dann noch ein angenehmes Abendprogramm, an das ich mich leider aber nur noch brüchstückweise erinnern kann, da sich in meinem organischen Datenspeicher leider nicht immer alle Aufzeichnungen lückenlos wiederherstellen lassen. Meine geehelichte Betreuerin und vereidigte „Kleiderverlegerin“ ließ mich später wissen, dass ich schon nach fünf Minuten extremen Couchsittings wie ein Baby eingeschlafen sei.

      Aber endlich wusste ich, was alle mit dem Wohlgefühl meinten, das nach dem Sport einträte, denn es schien nun endlich auch mich gefunden zu haben.

       Kapitel 6 – Der Morgen danach

      Da war es wieder. Dieses komische Geräusch. So weit weg, dass man es zunächst nicht richtig orten konnte. Da! Nochmal, diese unerträgliche Tonfolge. Immer schriller werdend. Wie unangenehm! Bis mir langsam dämmerte: Es geht wieder von vorne los. Das Murmeltier war wieder da. Es zeigte seine hässliche Fratze in Form meines digitalen Weckers. Und ich wollte meine Chance nicht ungenutzt lassen, es zu bestrafen.

      Es war endlich soweit und ich ballte schon die Faust, in der festen Absicht, diesen elendigen, aufdringlichen Wecker jetzt und für alle Ewigkeiten, ein für alle Mal, zu erledigen. Beim nächsten Geräusch würde ich ihm den Garaus machen. Der Wecker klingelte ein weiteres Mal und, als wenn er gewusst hätte, was ihm bevorstand, wurde das Geräusch noch lauter. Er schien einen letzten Protest zu veranstalten. Vielleicht wollte das Gerät mir einfach nur mitteilen, dass es nicht bestraft werden wollte. Egal. Denn mein Mitleid kannte Grenzen – vor allem für den lauten, unsensiblen Unhold. Ich erhob meine Faust und versuchte, den digitalen Wicht mit einem einzigen gezielten Schlag zu erwischen. Aber – was war das? Außer, dass ich die Faust geballt hatte, bewegte sich mein Körper verwunderlicherweise nicht einen einzigen Zentimeter. Das erschrak mich doch sehr. Ich setzte zu einem erneuten Schlag an, in der Hoffnung, dass ich diesmal Herr über meinen korumpierten Körper sein würde. Wieder nichts.

      Außer einem Muskelkater, der sich so großflächig ausgebreitet hatte wie ein Flächenbrand auf trockenem Gras, rührte sich absolut nichts. Alles, wirklich alles tat mir weh. Jede Faser meines malträtierten Körpers schmerzte. Von wegen Verbesserung der Bewegungskoordination und Sensomotorik, wie es der Kurs im Fitnessstudio versprochen hatte. Nun hatten sämtliche Steueraggregate meines Körpers einen Totalausfall erlitten. Da half auch keine ausgeschlafene Besetzung in der Steuerzentrale. Das Einzige, was sich noch motorisch ansteuern ließ, so stellte ich erleichtert

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