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DIE ZÜRCHER ACHSE. Eveline Keller
Читать онлайн.Название DIE ZÜRCHER ACHSE
Год выпуска 0
isbn 9783347085176
Автор произведения Eveline Keller
Жанр Триллеры
Издательство Readbox publishing GmbH
Doch seit dem Tod seiner Frau war seine gute Laune verschwunden und morgens kam er nur mit Mühe aus dem Bett.
Sich in die Arbeit zu stürzen, war sein Mittel, um damit fertig zu werden.
Bei ihm liefen alle Fäden zusammen, er führte jedoch nicht vom Schreibtisch aus, sondern war oft vor Ort anzutreffen. So hielt er seinen Leuten den Rücken frei, wenn etwas nicht nach Plan lief, und irgendetwas ging immer schief. Da waren schnelle Entscheidungen gefragt, wie letzte Woche, als der Betonmischer vor dem Tor stand und die Gitter für den Eisenleger noch nicht geliefert worden waren. Diese Herausforderungen waren die Würze im täglichen Einerlei, und wenn Not am Mann war, packte er auch mal mit an.
Aber eine Leiche, da konnte er nicht mitreden und sie auch nicht wegorganisieren; das war nicht sein Metier. Es war das Feld der sperrigen Kommissarin mit ihrem Tross von Beamten, die seine Arbeiter mit Fragen belästigten: Gelinde gesagt, ein Ärgernis.
Davids Kiefer bewegte heftig als er einige Verwünschungen ausstieß. Er war kein Freund der Polizei. Und auch seine Leute verunsicherte ihre Anwesenheit, hinterher musste er doppelt Druck machen, damit die Arbeiten fristgerecht fertiggestellt werden würden.
„Ähem, Chef!“ Vor ihm stand der Sanitärinstallateur, ein kleiner drahtiger Mann, und hielt ihm seinen Plan unter die Nase. „Wie sollen wir die Leitungen vom Verwaltungsgebäude zum Außenbecken verlegen, wenn die Idioten den Kanal zugemauert haben? Das müssen wir alles wieder ausfräsen, was uns wertvolle Zeit kosten wird. So kann ich nicht garantieren, dass wir den Termin einhalten, und das ist nicht unsere Schuld.“
David rief den Polier zu sich und besprach mit ihm, wer den Sanitärinstallateur unterstützen könnte. Und der fragte ihn, was sie alle beschäftigte: „Wann können wir weiterarbeiten, Chef?“
„Kann ich im Moment nicht sagen. Sobald die Kripo grünes Licht gibt.“
„Ich habe gehört, die Kommissarin sei ein heißer Feger?“, feixte der Installateur.
„Ungefähr so sexy wie Zwerg Brummbär aus Schneewittchen“, grinste David und nickte ihm abschließend zu. Ein paar Schritte weiter blieb er stehen und rief nach dem Gerüstbauer, die Decke im zukünftigen Aerobic-Raum musste besser abgestützt werden.
„Hossa! Hossa! Hossa!“ Was wie ein Niesen tönte, stellte sich als sein neuer Handy-Klingelton heraus. Er musste unbedingt ein Wörtchen mit der Tochter seiner Assistentin reden. Sein Handy war tabu für solche Spielchen.
„Fiesta, Fiesta Mexicana…“ Hastig drückte er Rex Gildos Trällern weg. „Maler?“, bellte er in den Hörer.
„Hallo, David, Dumont am Apparat. Wie läuft‘s?“
Martin Dumont war ein gewichtiger Investor des Konsortiums und ließ keine Gelegenheit aus, ihm reinzureden. David hatte bisher einen Konflikt vermieden, sich agil durch dessen „wohlgemeinte“ Ratschläge geschlängelt. Doch in letzter Zeit setzte er ihm zu.
„Hallo, Martin. Was für ein schöner Tag heute. Wir sind gut im Terminplan. Wenn das Wetter weiter so bleibt, sind wir früher fertig als geplant“, gab er etwas gezwungen zur Antwort
„Schön, schön. Hör mal: Ich stellte auf meiner letzten Reise nach Dubai Kontakt mit der Alexis-Gruppe her. Die haben letztes Jahr in der Nähe von Athen ein Wellnesscenter eröffnet, doppelt so groß wie unseres. Der Manager ist ein Schwede namens Ben Carlson, und der ist gestern zufällig angereist. Von dem kannst du sicher was lernen. Deshalb möchte ich, dass du ihm unser Projekt zeigst, mit dem üblichen Drum und Dran, Einladung zum Dinner, Massage aufs Zimmer, na, du weißt schon.“
David verzog das Gesicht. Zurzeit hatte er wirklich andere Sorgen. „Das passt jetzt gerade schlecht.“
„Wo liegt das Problem? Eben hast du erklärt, es laufe alles wie geschmiert. Lass mich raten: Du stehst mannshoch in Beton und Backsteinen, weil der Maurer Vaterschaftsurlaub hat, stimmt‘s?“
„Nein. Das nicht, aber…“ Besser, wenn Dumont nichts von dem Toten auf dem Bau erfuhr. Doch bis zu Carlsons Besuch würden deren Spuren wohl nicht verschwunden sein.
„Dann ist es abgemacht!“, beschloss Dumont. „Am besten, du holst Carlson um neun Uhr dreißig im Hotel Ramada ab. Wir treffen uns dann zum Lunch mit Kunz, so um dreizehn Uhr. Und Maler, sei pünktlich, ja, und bind dir eine Krawatte um, ich will mich nicht blamieren.“
Das ihm! Es gab vieles, was man ihm nachsagen konnte, aber sicher nicht taktloses Verhalten. Das traf besser auf die Geldgeber für solche Projekte zu, die wurden leider nicht nach Sympathiepunkten ausgewählt. „Ist noch was? Ich muss weiter.“
Er war im Begriff einzuhängen, als Dumont fragte: „Mir ist da was von einer Leiche auf dem Bau zu Ohren gekommen. Warum sagst du mir nichts davon?“
„Uh, oh, daaas! Hat sich nahezu erledigt, drum. Ein Unfall! Die Kripo packt gerade zusammen, die Kommissarin ist eine alte Freundin von mir. Reine Routine.“
„Wie kann so was passieren? Ich muss dir hoffentlich nicht sagen, dass das nicht gut fürs Geschäft ist. Schau zu, dass nichts an die Presse durchsickert. Hörst du! Ein Toter kann dem Wellnesscenter einen bleibenden Imageschaden bereiten - der klebt wie Hundekacke, und den Gestank wird man nicht los.“ Ohne ein weiteres Wort hängte er ein.
Einer der Vorteile auf dem Bau war, dass man sich ungeniert Luft verschaffen konnte, wenn einem danach zumute war. Keiner fühlte sich deswegen bedroht. David versetzte der nächsten Holzwand ein paar Fußtritte und fluchte alle Heiligen vom Himmel herab. Hatte er nicht schon genug Ärger? Nun durfte er morgen den Schweden herumführen wie ein Chorknabe, und dann diese Kommissarin… Die Einzige, bei der ihm sein Charme im Hals stecken blieb, weil er aus unerklärlichen Gründen für sie weniger als Luft zu sein schien. Er zweifelte, ob sie aus Fleisch und Blut war, sie war steif wie ein Androide.
Der Vergleich war witzig, er verzog seine Lippen zu einem Lächeln, was kläglich misslang. Er war müde.
4.
Im Büro angekommen blickte David selbstbewusst, vom zweiten Obergeschoss des Verwaltungstraktes aus über die Baustelle. Er hatte die Pläne im Kopf: Vorne die imposante Eingangshalle, dahinter erkannte das geübte Auge bereits das Schwimmbecken und rechts war der Durchgang zur Saunalandschaft.
Seit dem Tod von Jessica hatte ihm sein Schwiegervater die Unterstützung aufgekündigt. Und machte nun keinen Hehl mehr daraus, dass er David als Bauführer beim Wellnesscenter-Projekt für eine Fehlbesetzung hielt. Damit bildete er eine unheilige Allianz mit Dumont. Sie unterstellten ihm, ein Bau dieser Dimension sei eine Nummer zu groß für ihn, sahen in seiner Art, immer vor Ort zu sein, Führungsschwäche und warfen ihm vor, sich lieber mit Handwerkern zu unterhalten als mit den Finanziers.
Wenn sie erwarteten, dass er ihnen den Hintern wischte, würden sie eine herbe Enttäuschung erleben. Er seufzte abgrundtief. In Augenblicken wie diesen sehnte er sich nach einer Tätigkeit, wo man abends sah, was man geleistet hatte, anstelle des endlosen Schreibkrams. Nur Maria, seine Mutter sah es lieber, wenn er sich die Hände nicht schmutzig machte.
Es würde ihm immer ein Rätsel bleiben, weshalb sie seinen Vater, einen Tyrannen und Alkoholiker, geheiratet hatte. Schon bald nach der Hochzeit verging ihr das Lachen. Sie lebten zurückgezogen und im ständigen Bemühen, nicht aufzufallen. Ihr Sohn war ihr einziger Sonnenschein, ihr ein und alles, als Ausgleich zur Gefühlskälte ihres Mannes. So überschüttete sie David mit ihrer Liebe.
Sie litt unter der krankhaften Eifersucht des Vaters, der durch sein ausuferndes Trinken immer aggressiver wurde und seine Frau für die kleinste Unregelmäßigkeit schlug. Bis zu jenem Sommertag. David lag auf dem Boden neben seinem Plattenspieler und sang mit Adriano Celentano aus voller Kehle mit. Das war der Grund, weshalb er das berstend einer Flasche überhörte, das war die Einleitung für den heraufziehenden Streit. Als ein umstürzendes Möbelstück