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versuchte ihre wuschelige Haarpracht zu bändigen und überprüfte kurz ihr Make-up. Dann strich sie ihr Kleid glatt und betrachtete ihr Spiegelbild. Was sie sah gefiel ihr.

      Rotbraunes Haare und dunkle Augen. Die Brauen mit dunkelbraun und die Lippen mit einem Dunkelrot nachgezogen. Sie wusste dass sie hübsch war. Auf jeden Fall viel hübscher als der Rest des Lehrkörpers. Gut gelaunt verliess sie das Schulhaus und nahm den Nachhauseweg unter die Füsse.

      Sie schätzte die kurze Distanz zwischen Schule und Wohnung. Dies war auch mit einer der Gründe weshalb sie die Stelle in Birrhausen angenommen hatte.

      Jahrelang musste sie täglich zwischen dem Gymnasium, später zwischen der Uni und ihren Wohnort pendeln. Sie wohnte auf dem Land in einem kleinen Bauerndorf und das einzige öffentliche Verkehrsmittel war ein Postbus der jede Stunde vorbeifuhr. Meist zu den unpassendsten Zeiten. Als Studentin konnte sie sich keine Wohnung in der Stadt leisten und in eine WG wollte sie nicht. Also weiter Pendeln, Tag für Tag.

      Ab ihrem achtzehnten Geburtstag bezahlten ihr die Eltern die Lernfahrstunden und als sie Stolz den Führerschein präsentierte, kauften sie ihr einen Kleinwagen. Mit diesem war sie die folgenden Jahre unterwegs. Immer noch als Pendlerin, aber viel, viel schneller. Diese Mobilität hatte auch ihre Schattenseiten. Die Zeitersparnis ging oft bei der Parkplatzsuche wieder verloren und die laufenden Kosten frassen ein grosses Loch in ihr Budget. Wäre der Bus zu vernünftigeren Zeiten gefahren, sie wäre wieder umgestiegen. Aber so blieb alles beim Alten. Sie musste nur den Gürtel enger schnallen. Wenn das immer so einfach gewesen wäre.

      Zehn Minuten brauchte sie für den Nachhauseweg. Etwas länger, wenn sie noch einkaufte. Die Metzgerei, der Bäcker und der kleine Tante-Emma-Laden, mit frischem Obst und Gemüse, sie alle lagen an ihrem Weg. Idealer konnte es nicht sein. Ihr Auto brauchte sie nur noch um ihre Eltern zu besuchen, an Wochenenden, wenn sie mit Freunden unterwegs war, oder abends, für die Verabredungen ausserhalb. Ansonsten stand der Wagen die ganze Woche vor dem Haus.

      In der einen Hand die Einkäufe, in der Anderen die Aktenmappe, so stand sie vor der Haustüre. Die Wohnung unter dem Dach war eher klein, doch die grosse Dachterrasse mit der einzigartigen Aussicht über die Dächer der Stadt entschädigte sie für die engen Platzverhältnisse. Sie stellte die Einkäufe neben sich und kramte nach ihrem Hausschlüssel. Endlich. Sie steckte den Schlüssel ins Schloss.

      Der wuchtige Schlag in ihren Rücken warf sie nach vorne und sie prallte heftig gegen die Tür.

      Dann rutschte sie langsam daran nach unten, kippte zur Seite und blieb reglos liegen. Sie verstand nicht, woher die Wärme kam welche ihren Körper durchflutete. Schmerz? Nein. Und mit einem Mal fühlte sie sich leicht, federleicht. Langsam, ganz langsam schwebte sie nach oben.

      „Bin ich das, da unten?“ Alles um sie herum war in sanftes, warmes Licht getaucht. Sie fühlte sich frei, zufrieden, glücklich.

      Elisabeth Jansen starb mit einem sanften, unwirklichen Lächeln auf ihrem Gesicht.

      ***

      „Ich gehe hinüber zu Anna, ich muss kurz nach ihr sehen, vielleicht kann ich etwas für sie tun. Schliesslich muss sich doch jemand um sie kümmern und wofür hat man sonst seine Freunde. Schau du nur weiter Fußball, uns Frauen interessieren andere Dinge. Wenn du Hunger hast, das Abendessen steht im Kühlschrank, du musst es nur aufwärmen.“

      Käthi Dürrer griff nach Ihrer Strickjacke, legte sie um ihre Schultern und war zur Wohnung hinaus, noch bevor er Gelegenheit zu einer Antwort hatte. Sie stieg die Treppen hinunter und wollte aus dem Haus. Plötzlich donnerte etwas von aussen gegen die Tür, dann kratzte es daran und dann war wieder Stille. Sie war stehen geblieben. Was mochte das sein? Entschlossen öffnete sie die Tür und meinte im selben Augenblick, ihr Herz müsse stehen bleiben. Sie konnte sich nicht rühren. Sie starrte auf die junge Lehrerin die vor ihren Füssen lag. In ihrem Rücken steckte ein schwarzer Pfeil. Unvermittelte begann Käthi Dürrer zu schreien, laut und schrill. Rundum flogen Türen und Fenster auf, von allen Seiten stürzten die Leute herbei.

      Schockiert, aber auch fasziniert, starrten sie Alle wie gebannt auf das Opfer. Niemand versuchte Hilfe zu leisten. Niemand schaute nach, ob die junge Frau noch lebte. Sie standen nur da, gafften.

      Auch Albert Dürrer hörte die Schreie und stürzte die Treppen hinunter. Er hatte grosse Angst seiner Frau könnte Schlimmes zugestoßen sein. So hatte er seine Käthi noch nie schreien gehört. Er rannte zu seiner Frau hin, die bleich und zitternd an der Hauswand lehnte und unverwandt auf den Boden starrte. Er packte sie bei den Schultern und zog sie schützend an sich.

      Dann folgten seine Augen ihrem Blick, sahen die junge Frau auf dem Boden liegen, sahen den schwarzen Pfeil in ihrem Rücken stecken.

      „Mein Gott, wie bei Johann – genau gleich wie bei Johann“, entfuhr es ihm. Dann drehte er seine zitternde Käthi herum und sie vergrub ihr Gesicht in seiner Schulter.

      ***

      Innert weniger Minuten hatte die Polizei die Schmiedengasse abgeriegelt, die Leute zurückgedrängt und den Tatort mit weissrotem Band abgesperrt. So wie sie es heute Morgen schon einmal getan hatte. Von den Umstehenden wurden die Personalien aufgenommen und eine erste Befragung fand noch vor Ort statt. Doch niemand konnte den Tathergang schildern, niemand hatte das Verbrechen gesehen, oder sie standen noch so sehr unter dem Eindruck des Geschehens, dass sie zu vernünftigen Antworten nicht fähig waren.

      „Du bist spät daran, Medizinmann“, sagte Hartmann

      „Ich kann meine Arbeit nicht einfach stehen und liegen lassen, da hätte ich innert kürzester Zeit keine Patienten mehr. Oder fändest du es toll, wenn ich dich mit heruntergelassener Hose stehen lassen würde?“ Hartmann brummte etwas. „Was hast du hier, Hans, schon wieder eine Leiche?“

      Es war ihm anzusehen, dass er auf diese Frage eigentlich keine Antwort wollte, und wenn, dann am liebsten ein, nein, gehört hätte.

      „Komm mit und sieh es dir an.“ Sie gingen über die Gasse zum Hauseingang. Von Au beugte sich über das Opfer, tastete nach dem nicht mehr vorhandenen Pulsschlag, schüttelte den Kopf und stand langsam auf. Er schaute auf die Tote hinunter und bemerkte das Lächeln in ihrem Gesicht, den glücklichen Ausdruck der langsam von ihrem Antlitz verschwand. „Es sieht fast so aus, als wäre sie friedlich gestorben.“ Wieder schüttelte er den Kopf.

      „Was hast du gesagt, Herbert?“ Es schien als käme Von Au aus einer anderen Dimension zurück, sein Kopf ruckte herum.

      „Wieder mit einem Pfeil, wie die beiden heute Morgen.“

      „Ja, wie heute Morgen, und ich glaube, dass du das Gleiche denkst wie ich.“

      „Das Gleiche wie du, Hans, genau das Gleiche.“ Von Au zückte sein kleines, schwarzes Notizbuch.

      „Was hast du für Angaben über die Tote? Was schreibe ich auf den Totenschein?“

      „Die Frau heisst Jansen Elisabeth, 28 Jahre. Lehrerin, wohnte hier im Haus, Schmiedengasse 15, oben in der Dachwohnung.“ Hartmann zeigte nach oben und Von Au blickte automatisch hoch unters Dach.

      „Wann ist es geschehen?“

      „Vor etwa einer halben Stunde, schreibe 18.15 Uhr, Todesursache: -, das machst du schon.“ Von Au machte sich Notizen.

      „Hans, kannst du die Tote möglichst schnell in die Pathologie bringen lassen? Ich möchte sie noch heute untersuchen und mit den ersten Toten vergleichen. Morgen früh hast du dann den Bericht über die drei Opfer.“

      „Wenn die Spurensicherung fertig ist bringen wir sie.“

      „In Ordnung.“ Von Au ging ein Paar Schritt, hielt inne und drehte sich zu Hartmann um.

      „Hans, für heute sind es genug.“ Dann drehte er sich wieder um und ging die Gasse hinunter.

      Nachdenklich schaute ihm Hartmann nach. Dann wandte er sich an die Spurensucher. „Hast du schon etwas für mich, Georg?“

      „Nein, nichts was dir weiterhelfen wird. Wir haben bisher keine Hinweise auf den möglichen Täter, wir wissen auch noch

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