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hinter dem Gartenhäuschen, ich bringe sie hin.“ Als Notfallarzt war er sich vieles gewohnt.

      Er stellte offiziell den Tod von Johann Moser fest und notierte Ort und Zeitpunkt. Als vorläufige Todesursache notierte er: Tod durch einen, von hinten in das Herz eingedrungenen Pfeil. Dann wischte er sich die schwarze Erde von den Hosen. Der Beamte wandte sich an ihn.

      „Können sie bitte nach der Frau sehen? Sie hat den Toten gefunden und sitzt drüben auf der Bank. Der Tote ist -, der Tote war, ihr Ehemann.“

      „Ich werde sofort nach ihr sehen.“ Dann ging der Arzt hinüber zu Anna.

      ***

      Seit zehn Jahren war Herbert Von Au nun Chefarzt am örtlichen Krankenhaus. Nach dem Studium in Zürich, den folgenden Jahren in Berlin an der Charité, dem St. Mary´s Hospital in London und dem Universitätsspital Basel, war er hier in Birrhausen gelandet.

      Das Angebot: freie Personalwahl, Organisation der Abteilungen nach seinen Ideen und Investitionen welche er Vorschlagen konnte und die vom Stiftungs- und Verwaltungsrat vollumfänglich getragen wurden. Hier hatte er endlich die Möglichkeit gefunden, eine zeitgemässe Gesundheitsversorgung einzuführen.

      Neben dem normalen Dienst, den er, auch als Chef, wie alle Anderen versah, machte er in akuten Fällen auch Hausbesuche und übernahm auch den Dienst als Unfallarzt. Nur Klinikbetrieb, das sei ihm zu langweilig, behauptete er. Fast jede Art von Krankheiten, alle Arten von Operationen, Unfallopfer die nur mühsam zusammengeflickt werden konnten, Tote jeden Alters, das alles war ihm nicht fremd.

      Doch dies hier war für ihn etwas Neues. Ein Mord. Und der Mann war mit einem Pfeil erschossen worden.

      ***

      „Guten Morgen Herr Hartmann, auch schon aufgestanden?“

      „Morgen Medizinmann. Anstatt mich anzumachen sag mir besser was hier los ist“, brummte er.

      „Viel kann ich noch nicht sagen.“ Von Au zückte seinen Notizblock. „Das Opfer heisst Moser Johann, Pensionär, wohnt Schneidergasse 7, starb heute Morgen zwischen sechs und sieben Uhr, vermutete Todesursache, Pfeil in den Rücken, wahrscheinlich drang die Pfeilspitze direkt in sein Herz. Näheres wird die Obduktion ergeben.“

      „Hast du Pfeil gesagt?“

      „Ich weiss es klingt verrückt, aber schau es dir selbst an.“

      Von Au ging voraus und Hartmann folgte ihm hinter das Häuschen, wo die Spurensicherung schon an der Arbeit war.

      „Das habe ich heute Morgen schon mal gesehen.“

      Von Au war überrascht. „Du willst mich auf den Arm nehmen?“

      „Schön wär's. Es ist dein nächster Kunde. In der Schmiedengasse liegt ein Mann vor seiner Haustüre. Auch er hat einen Pfeil in seinem Rücken. Meine Kollegen sind dort und ich habe ihnen gesagt, dass ich dich vorbei schicken werde.“ Einen Moment standen sie schweigend da.

      „Wie lange braucht ihr noch?“ fragte Hartmann die Spurensicherung.

      „In einer halben Stunde sind wir hier fertig, dann kann der Tote weggebracht werden.“ Hartmann wandte sich an Von Au.

      „Du hast es gehört, in einer halben Stunde gehört er dir. Wie lange braucht du für die Autopsie?“

      „Das kann ich dir nicht sagen, wenn in der Schmiedengasse noch ein Toter liegt. Doch zuerst kommen die Lebenden an die Reihe. Kann jemand Frau Moser nach Hause bringen und bei ihr bleiben bis Familienangehörige oder Freunde sich um sie kümmern können?

      Ich werde Abends bei ihr vorbeigehen und nachschauen wie ihr Zustand ist. Nach ihrem Schock wirst du sie vor morgen früh doch nicht befragen können.“

      „Ich kümmere mich darum“, sagte Hartmann.

      „Gut, dann findest du mich ab jetzt in der Schmiedengasse.“

      Nachdem Von Au verschwunden war, liess Hartmann Anna Moser von einer Beamtin nach Hause bringen. Der Tote wurde bäuchlings in einen Zinksarg gelegt und bevor der Deckel geschlossen werden konnte, musste der Pfeil abgeschnitten werden. Der abgeschnittene Teil wurde neben dem Toten in den Sarg gelegt. Die Spurensicherung hatte ihre Arbeit erledigt und als es nichts aufregendes mehr zu sehen gab, verschwanden auch die Gaffer. Hartmann blieb allein zurück. Er stellte sich dahin, wo vor kurzem noch der Tote gelegen hatte und sah sich um.

      War der Pfeil von ausserhalb des Gartens gekommen, da, wo die Gaffer gestanden und alles niedergetreten hatten?

      Das Opfer lag aber hinter dem Häuschen und war vom Eingang her nicht zu sehen. Auf der anderen Seite war die Sicht durch Sträucher und niedrige Bäume versperrt. Hatte der Täter den Garten betreten? Dann müssten Spuren vorhanden sein und das konnte die Spurensicherung mit dem Vergleich der Schuhprofile schnell feststellen.

      Und wenn sie nichts gefunden hatten, was dann? Von welchem Ort aus hatte der Täter geschossen? Und wie weit trägt so ein Pfeil? Augenzeuge gab es keine, und dass sich auf einen Aufruf hin doch noch jemand melden würde, diese Illusion hatte er längst nicht mehr. Wenn es keine verwertbaren Spuren gab, konnte er nur versuchen ein Motiv für diesen Mord zu finden.

      „So gross ist Birrhausen nicht, da werde ich wohl nicht lange suchen müssen“, sagte er laut zu sich selbst. Etwas aber bereitete ihm Unbehagen. Die aussergewöhnliche Mordwaffe.

      Noch nie hatte er gehört, dass in der heutigen Zeit jemand mit einem Pfeil ermordet wurde. Und nun gleich zweimal. Sehr aussergewöhnlich.

      Er verliess den Garten und klebte ein Polizeisiegel an das Gartentürchen. Reine Gewohnheit, denn jeder hätte über das Türchen hinweg steigen können. Auch er machte sich auf den Weg in die Schmiedengasse.

      ***

      Eltern-Besuchstag. Sie hasste diesen, er war ihr ein Gräuel. Doch einmal pro Semester musste sie den Tag durchstehen. So verlangten es Schulbehörde und Rektorat. Jedes Mal war sie froh, wenn der Tag vorüber war. An einem Besuchstag war alles anders, waren die Kinder anders. Natürlichkeit, Spontanität, Eigeninitiative, Eigenverantwortung, alles was sie immer förderte und forderte, war wie weggeblasen. Die Kinder waren brav, ruhig, angepasst und bemüht keine Fehler zu machen.

      Auch wenn sie versuchte die Stunden interessant zu gestalten, der Funke sprang nie über und die Schüler liessen sich durch nichts aus der Reserve locken. Doch bei all dem hatte sie Verständnis für die Jungen. Der Erwartungsdruck durch die Eltern war deutlich spürbar.

      Aus unserem Kind soll mal was werden, es soll es mal besser haben, warum nicht studieren, Arzt oder Anwalt, oder so, unser Kind kann das, es muss nur richtig gefördert werden. Der Druck lag nicht nur auf den Kindern.

      So glich das Ganze einem Schauspiel. Das Klassenzimmer war die Bühne, die Kinder die Darsteller, die Eltern die Kritiker und sie versuchte, in dieser Posse, mehr schlecht als recht, Regie zu führen. Und damit hatte sie echt Mühe. Mit dem Ganzen. Vielleicht lag es an ihrem Alter.

      Mit 28 Jahren war sie jünger als die meisten Eltern und wahrscheinlich noch zu wenig abgebrüht. Trotzdem, sie liebte ihren Beruf und hätte mit niemandem tauschen wollen.

      Die Schüler der fünften Klasse hatten sie in ihr Herz geschlossen und sie wurde von ihnen respektiert, geachtet, ja sogar geliebt und verehrt.

      Doch heute war es nochmals anders. Die Eltern waren unruhig und redeten untereinander. Als Lehrerin hatte sie auch von den Toten gehört. Die Kollegen sprachen darüber und die Schüler erzählten sich die verrücktesten Geschichten. Sie hatte die Eltern gebeten über dieses Thema nach der Schule zu sprechen, doch es hatte nur einen Augenblick Ruhe gebracht. Das Getuschel im Hintergrund ging weiter. So hatte sie alle Mühe damit, dass die Kinder sich auf den Unterricht konzentrierten. Dann endlich war der Besuchstag zu Ende. Kinder und Eltern verabschiedeten sich und sie genoss einen Moment der Stille in ihrem Klassenzimmer. Am kommenden Montag ging der normale Schulbetrieb wieder weiter. Dann war auch ihre Welt wieder im Lot.

      Sie begann aufzuräumen und nach einer halben Stunde war alles wieder an seinem Platz. Prüfend sah sich sich im Zimmer um und

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