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der die armen Seelen der vor mir liegenden Körper zu sich gerufen hat. Und dem Rektor der Universität, natürlich.»

      «Kaffee?»

      «Es wäre bereits mein Fünfter. Ich verzichte.»

      Der Gerichtsmediziner breitet seelenruhig seine Dossiers vor sich aus. Er sieht überarbeitet aus, aber sein Mundwerk ist wie immer bestens geölt. Links von ihm sitzt Christos Arambatzis. Spurensicherung. Rechts Penelope Livanou, neben ihr Prokopis Patsis, das Raubein von der Mordkommission.

      «Ich habe euch zum Rapport im Falle des gewaltsamen Todes von Passagieren des Regierungsjets Dassault Falcon 900 vom Mittwoch, 12. September eingeladen», leitet Pavlides die Sitzung formell ein. «Ich führe den Fall unter dem Aktenzeichen ‚Falcon 900’. Gemäss der euch zugestellten Tagesordnung möchte ich von jedem einzelnen erfahren, wo eure Ermittlungen stehen.

      Penelope führt Protokoll. Fangen wir gleich mit dir an Jorgos, bitte.»

      Jorgos setzt eine Lesebrille auf, die an einem Bändchen um seinen Hals baumelt. Er nimmt einen Stapel Ausdrucke und Fotos zur Hand. Letztere lassen schon erahnen, was nun folgen wird. Gut, hat noch niemand zu Mittag gegessen.

      «Wir haben bis Samstagabend die fraglichen sechs Leichen obduziert. In Alexandroupolis. Mit tatkräftiger Unterstützung der lokalen Gerichtsmediziner, die übrigens über aussergewöhnlich angenehme Arbeitsräume verfügen im Vergleich zu dem, womit wir uns begnügen müssen. Vor der Obduktion erfolgte jeweils eine Ganzkörper-Computertomographie mit anschliessender 3D-Rekonstruktion. Das ist eine ganz nützliche Prozedur, vor allem hinsichtlich Fragestellungen, die erst nachträglich aufs Tapet kommen. Eine digitale Archivierung der pathologischen Anatomie, sozusagen. Kommen wir nun zu den Leichen.»

      Pavlides nickt: «Ja, bitte.»

      «Da haben wir zunächst einmal die Leiche des Nassios Kranidakis, siebenundfünfzig, Vizeminister im Verteidigungsministerium.» Er holt einige Fotos hervor. Keiner schaut weg. Am Tisch sitzen nur Profis.

      «Kranidakis weist schwere Kopf- und Thoraxverletzungen durch stumpfe Gegenstände auf. Hier, hier und hier.» Er deutet auf einige Punkte auf einer Aufnahme. «Seine linke Lunge war kollabiert und es fand sich reichlich Blut im Pleuraraum, ein sogenannter Hämatopneumothorax.

      Ausserdem fanden wir einen gebrochenen linken Schenkelhals. Eine Luxationsfraktur, um genau zu sein. Todesursache waren die schweren Kopfverletzungen, die ihr auf diesem Bild erkennen könnt. Der eingedrückte Schädelknochen hier verursachte eine Quetschung des Grosshirnparenchyms mit anschliessendem Hirnödem, sowie eine Ruptur eines Hirngefässes, was zu einer Massenblutung führte. Kranidakis war wegen einer Herzkranzgefässerkrankung mit Vorhofflimmern antikoaguliert.»

      «Antikoaguliert?»

      «Blutverdünnt. Mit Marcoumar. Übliche Medikation.»

      Blick in die Runde über den Rand seiner Lesebrille. Da niemand Fragen zu haben scheint, fährt er fort.

      «Kommen wir zur Leiche Nummer zwei. Kranidakis’ Tochter Sotiría. Studentin, einundzwanzig Jahre alt. Schädelbasis- und Gesichtsschädelfrakturen. Luxationsfraktur des rechten Oberarmes. Und zwei Wirbelkörperfrakturen. Hier kann man sie auf den CT-Bildern erkennen.» Er legt die Bilder in die Mitte des Tisches. «Sotiría atmete noch als die Maschine in Alexandroupolis gelandet war. Aber nicht mehr lange. Das Hirnödem führte noch während der Wiederbelebungsversuche zu einem Atemstillstand und schliesslich zum Herzversagen. Hätte sie überlebt, wäre sie querschnittsgelähmt und geistig behindert.»

      Betretene Mienen unter den Anwesenden.

      «Leiche Nummer drei: Fotis Papadakis. 34-jährig, Co-Pilot. Er wurde auf der Bordtoilette überrascht.

      Musste aber nicht lange leiden. Genickbruch. Hier die CT-Bilder. Danach gesellten sich noch einige weitere Trümmerfrakturen und Weichteilverletzungen hinzu. Er wurde im engen Raum regungslos hin und her geschleudert, da war er aber schon tot. Ich brauche nicht näher in die Details zu gehen. Jedenfalls wurde die Bordtoilette sprichwörtlich zum Blutbad. Verzeihung, wenn ich soeben den Ton nicht getroffen habe.»

      Allseits Schweigen.

      «Gibt es bei den anderen drei Leichen – der Flugbegleiterin, dem Sekretär und dem General», Pavlides liest die Berufsbezeichnungen von der vor ihm liegenden Passagierliste ab, «irgendwelche Besonderheiten im Verletzungsmuster?»

      «Du meinst Schussverletzungen, Messerstiche und Axthiebe?»

      «Bitte, Jorgos …»

      «Nein, keine Besonderheiten. Ich möchte aber festhalten, dass es grundsätzlich aufgrund der Verletzungsmuster nicht ausgeschlossen ist, dass es in der Kabine eine heftige Keilerei mit tödlichem Ausgang gab. Rein theoretisch, natürlich.»

      «Wie absurd ist das denn?» meint Livanou, die sich an der, nach ihrem Dafürhalten, mangelnden Ernsthaftigkeit des Gerichtsmediziners stört.

      «Wieso nicht?» fährt Patsis dazwischen und fixiert Livanou. Er weiss, dass sie sein überlegenes Grinsen verabscheut. Es regelrecht zum Kotzen findet. «Denk mal etwas freier, Mädchen! Öffne deinen Geist! Klar haben wir bisher von nichts anderem als von diesen tödlichen Schwingungen gehört, diesen Pitch Oscillations, von denen uns der Pilot berichtet hat. Und wir glauben ja auch, dass dieses Rauf- und Runterkippen des Flugzeuges und die nachfolgende Todesspirale den Leuten in der Kabine den Garaus gemacht haben. Aber Jorgos hat recht, wenn er diese These nicht allein im Raum stehen lässt. Ich will damit nicht behaupten, dass der Leibwächter in der Kabine, unter Mitwisserschaft des Piloten, die Herrschaften mit dem Aktenkoffer des Vizeministers wie lästige Insekten vorsätzlich erschlagen hat. Gott bewahre! Aber wer sagt uns, dass die beiden Überlebenden, Pilot und Leibwächter, nicht doch unter einer Decke stecken? Was, wenn das ganze Gemetzel eine perfide Inszenierung war?»

      «Du meinst, dass der Pilot absichtlich gefährliche Manöver geflogen hat, und der eingeweihte Leibwächter, sein Komplize, in der Kabine die Aufgabe hatte, sicherzustellen, dass auch wirklich alle mausetot sind?» präzisiert Pavlides.

      «Bingo!»

      «Abartig», kommentiert Livanou.

      «Massenmorde sind immer abartig», setzt ihr Patsis entgegen.

      «Und Frangoulis, der Leibwächter, war der einzige, der angeschnallt war», doppelt er nach. «Was sagt uns das?»

      «Welches Interesse sollten Marangos und Frangoulis gehabt haben, all die Leute umzubringen? Ich kann kein Motiv erkennen!»

      «Kopfgeld?»

      «Prokopis!»

      «Ja, Süsse?»

      Gereizt blickt Livanou zu Pavlides hinüber. Ihr Blick scheint zu sagen: Sag etwas!

      Aber dieser sitzt nur ruhig da und überlegt. Der Co-Pilot muss austreten. Ein günstiger Zeitpunkt. Marangos, der Pilot, macht einige Auf- und Ab-Bewegungen, dann ein erstes Tauchmanöver. Frangoulis, der Leibwächter, sitzt in der Kabine. Als einziger angeschnallt. Auf dem hintersten Einzelsitz rechts. Als der Co-Pilot auf die Toilette geht, weiss er: jetzt geht’s los. Dann die weiteren Oszillationen und die Spirale. Manöver, die der ehemalige, erfahrene Kampfpilot Oberstleutnant Marangos aus dem Effeff beherrscht. Frangoulis nimmt die Schutzposition auf dem Sitz ein. Oberkörper runter, Arme über dem Hinterkopf verschränken. Die übrigen Passagiere werden überrascht. Sie und alle nicht befestigten Gegenstände wirbeln in der Kabine herum. Klar wird auch Frangoulis vom einen oder anderen Gegenstand oder einem leblosen Körper getroffen. Handelt sich so seine Verletzungen ein. Nach zwei Minuten ist der Spuk dann aber vorbei. Der Leibwächter gibt den Überlebenden noch den Rest …

      «Nikos! Sag jetzt nicht, dass dir Zweifel kommen!» fleht ihn Livanou an. «Was Prokopis da erzählt, ist doch vollkommen absurd!»

      «Wir haben schon viele absurde Situationen angetroffen, meine Liebe», entgegnet Pavlides. «Und du hast die richtige Frage gestellt: Welches Interesse hätte das Duo Marangos/Frangoulis gehabt, den Vizeminister und die übrigen Personen umzubringen?»

      «Christos, was

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