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sind irritiert. Traianos seufzt. Pavlides lässt sich nichts anmerken.

      «Der Chefarzt hat mir soeben von der Tragödie erzählt. Ich bin schockiert. Ein geschätztes Kabinettsmitglied ist von uns gegangen. Ein schmerzlicher Verlust. Steckt menschliches Versagen hinter der Katastrophe?»

      Traianos, eingedenk der Tatsache, dass die Presse um sie herumsteht, antwortet diplomatisch: «Noch ist nichts ausgeschlossen, Herr Minister. Wir werden alle Möglichkeiten überprüfen. Ich habe deswegen auch einen erfahrenen Kriminalisten im Team, Herrn Pavlides, Direktor der Kriminalpolizei von Thessaloniki. Er soll strafrechtlich relevante Handlungen im Zusammenhang mit den tragischen Ereignissen aufklären.»

      Der Minister grunzt etwas Unverständliches.

      «Und selbstverständlich sind die Teams der Spurensicherung und der Flugunfalluntersuchung seit gestern Nacht pausenlos im Einsatz.»

      «Gut, gut.» Asimoglou klopft dem Staatsanwalt gönnerhaft auf die Schulter und mustert Pavlides mit einem Lächeln. Dann wendet er sich an den Klinikdirektor, der neben ihm steht. «Und wo ist nun der Pilot? Er soll wissen, dass wir, und ich denke, ich spreche hier für alle Bürger und Steuerzahler dieses Landes, hinter ihm stehen. Trotz der tragischen Umstände ist es ihm gelungen, schlimmeres zu verhindern. Er konnte das teure Flugzeug sicher landen. Eine ganz passable Rettungsaktion, wie mir scheint.» Fettnäpfchen Nummer zwei.

      Nicht alle können ins Zimmer des Piloten. Die Kameraleute dreier Fernsehsender drängen sich durch die Tür, kaum haben Asimoglou und der Klinikdirektor das Zimmer betreten. Weitere Reporter und Journalisten stossen nach. Blitzlichtgewitter.

      «Mit Würde, meine Herren! Seien Sie nicht so pietätlos», ermahnt Asimoglou die Presseleute und tritt ans Krankenbett des Piloten heran. Dieser öffnet träge seine Augen. Ein Mann neben dem Verteidigungsminister, der wohl zu seinem inneren Kreis gehört, gibt den Journalisten ab sofort Anweisungen, was sie zu tun und wo sie zu stehen haben. «Sie hier, Sie dort! Keine Fotos von hinten oder im Profil! Nicht zu nah heran! Hallo, Sie dort! Abstand!»

      Der Minister beugt sich über das Bett und ergreift die rechte Hand des Piloten. Blitzlichtgewitter. Er richtet einige tröstende Worte an den Patienten. Blitzlichtgewitter. Macht eine ernste Miene. Blitzlichtgewitter. Blickt nie in die Kameras, sondern immer auf den verletzten Piloten. Zwischendurch wendet er sich an den Klinikdirektor und stellt ihm ein paar Fragen. Als wäre er selbst Klinikdirektor und der Klinikdirektor ein unbedeutender Abteilungsarzt. Er runzelt die Stirn, hakt nach. Bückt sich runter zum Patienten. Nickt verständnisvoll, als dieser ihm etwas sagen will. Tätschelt seinen Arm. Ein einziges Theater. Aufgeführt für die Medien, deren Vertreter fleissig auf die Auslösetaste drücken. Kaum zwei Minuten später ist der Spuk vorbei und alle stehen wieder im Flur vor dem Krankenzimmer.

      «Und wo ist der zweite Überlebende?» will der Minister nun wissen.

      «Er wird gerade operiert», antwortet der Staatsanwalt.

      Gleichgültiges Schulterzucken.

      «Hektor, sieh dir mal die Bilder der Fotografen an. Ist da was Brauchbares drunter, das wir auf unsere Homepage laden und auf Twitter posten könnten?» Der Verteidigungsminister wendet sich an den Mann, der nie von seiner Seite weicht: Hektor. Pavlides’ Blick fällt auf Hektors’ Badge. Hektor Migas, Pressesprecher. Nochmals das Gesicht. Ja. Stimmt. Das ist er. Der Pressesprecher des Verteidigungsministers. Er hat sein Gesicht hie und da mal in den Nachrichten gesehen. Im Zusammenhang mit Medienkonferenzen des Verteidigungsministers. Immer schön zurückhaltend. Nie im Vordergrund. Pavlides’ Prosopognosie. Er kann Gesichter immer und zweifelsfrei erkennen. Auch wenn er sie nur kurz und flüchtig gesehen hat und sein Blick gar nicht auf die Person, sondern auf eine andere daneben gerichtet ist. Hektor Migas, also. Geschätzt 35 Jahre alt. Schütteres, hellbraunes Haar. Graugrüne Augen. Blässliches Gesicht, markante Wangenknochen. Schmächtige Postur. Schlecht sitzender Anzug. Trotzdem strahlt er eine markige Autorität aus. Schart sofort die Fotografen um sich und lässt sich die Bilder auf ihren digitalen Profikameras präsentieren. Mit sicherem Auge sucht er sich einige aus und lädt diese auf sein mitgeführtes Tablet. Die Fotografen fressen ihm aus der Hand. Ihr Name wird unter dem Bild, das auf der Ministeriumshomepage veröffentlicht wird, stehen. Und sie werden dafür auch gutes Geld kassieren. Migas ist äusserst pingelig. Schaut sich alle Fotos an. Hin und wieder lässt er welche auf der Stelle löschen. Solche, die den Verteidigungsminister nicht vorteilhaft zeigen. Wenn er zum Beispiel die Nase rümpft, oder seine Augenlider halb geschlossen sind. Oder wenn er zu sehr im Profil aufgenommen wird. Dann kommt nämlich seine Hakennase zum Vorschein, was natürlich das Gesamtbild stören würde.

      Währenddessen versucht Traianos nützliche Informationen vom Minister zu bekommen.

      «Worum ging es eigentlich beim Besuch des Vizeministers in Moskau?»

      «Routinebesuch. Sie wissen schon. Ehrerweisungen. Beziehungspflege. Nichts Aussergewöhnliches.»

      «Wie wir erfahren haben, ist seine Tochter auch unter den Opfern.»

      «Ja, das habe ich auch vernommen. Tragisch, tragisch! Die arme Mutter.»

      «Wieso reiste sie mit ihrem Vater im Regierungsflieger mit?»

      «Da fragen Sie mich aber etwas, Herr Staatsanwalt! Glauben Sie mir: Es ist nicht Usus bei uns, Familienmitglieder mitzunehmen. Diese Katastrophe hat Kranidakis leider selbst zu verantworten. Wäre das Mädchen zuhause geblieben und nicht mit Papa mitgeflogen, wäre es heute am Leben. Üble Sache! Sehr üble Sache!»

      «Wir werden der sehr üblen Sache nachgehen», meint Pavlides. Er nickt Penelope Livanou zu, die neben ihm steht und Notizen macht.

      «Ihre Sekretärin?» fragt Asimoglou, dessen entzückter Blick, einem Scanner gleich, an Livanou haften bleibt.

      «Meine Frau. Und gleichzeitig auch meine Mitarbeiterin.»

      «Oh, ein Familienbetrieb, die Polizei von Thessaloniki! Hahaha. Wie charmant! Sehr erfreut, Frau Pavlidou!» Der Verteidigungsminister reicht Livanou die Hand.

      «Livanou, Penelope Livanou», antwortet diese umgehend, „ich habe meinen Mädchennamen behalten.»

      «Livanou?» Der Minister stockt. Denkt nach. «Da gab es mal einen General Livanos in unserer Luftwaffe.»

      «Genau. Mein Vater.»

      «Der den Befehl zum Abschuss eines zivilen Hubschraubers gab?»

      «Korrekt. Darin sassen die Brüder Mafoutis. Die meistgesuchten Verbrecher Griechenlands.»

      «Das gibt’s doch nicht!» lacht Asimoglou laut auf und klopft sich auf den Oberschenkel. «Er wurde aus dem Dienst entlassen. Allerdings noch von meinem Vorgänger, der aufgrund dieser Affäre ebenfalls gehen musste, dieser Esel! Daraufhin wurde ich zum Verteidigungsminister ernannt. Wegen Ihres Vaters! Ich stehe sozusagen in Ihrer Schuld, Frau Livanou!»

      «Hören Sie, Herr Minister», fährt Pavlides dazwischen, «wir brauchen für unsere Ermittlungen aus Ihrem Ministerium sämtliche Personaldossiers der Personen, die sich an Bord befanden.»

      Asimoglou blickt Pavlides mit einem Gesicht an, in dem sich Unmut über den offensichtlich amüsanten, unterbrochenen Dialog mit Livanou spiegelt. «Wenden Sie sich mit Ihrem Anliegen bitte direkt an Herrn Migas. Er ist für die Details zuständig. Hektor?»

      Der Angesprochene blickt auf. «Ja, bitte, Herr Minister?»

      «Der Herr Kriminalkommissar möchte was von dir.»

      «Und was?»

      «Bitte, Herr Pavlides, sagen Sie es ihm gleich selbst.» Dann wendet sich Asimoglou wieder Livanou zu. «Und wie geht es Ihrem Vater? Diesem alten Raubein? Übrigens darf er stolz auf sich sein. Er hat eine wirklich bezaubernde Tochter.»

      «Die Passagiere des Unglücksfluges waren doch – bis auf eine Ausnahme – alle Angestellte des Verteidigungsministeriums, nicht?» erkundigt sich Pavlides derweilen beim Pressesprecher.

      Migas fixiert Pavlides: «Ja, und?»

      «Wir brauchen alle Personaldossiers der

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