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Krause, womit können wir Ihnen dienen?

      - Tja, eigentlich bin ich mir nicht sicher, ob Sie überhaupt der richtige Gesprächspartner sind.

      - Sie haben ja Herrn Gut gehört, er hat eine wichtige Besprechung in Frankfurt in der Zentrale und ist daher verhindert. Ich kann Ihnen versichern, dass ich sein vollstes Vertrauen genieße und ihn uneingeschränkt vertreten kann.

      - Ok, also das ist folgendermaßen, Carsten mustert den Bankangestellten einen Moment lang. Er kann in dem Gesicht seines Gesprächspartners keine Regung feststellen, noch nicht einmal den Anflug einer Verstimmtheit darüber, dass Carsten ihn gleich zu Beginn disqualifiziert hat. Vielleicht gerade eben nur ein Mindestmaß an Interesse für das, was Carsten ihm zu offenbaren hat. Fangen wir mal so an: Nehmen wir mal an, ich besäße eine Erfindung, die die Welt verändern könnte. Inwieweit wäre die Bank daran interessiert, beziehungsweise in der Lage, mich finanziell bei der Entwicklung und Vermarktung der Erfindung zu unterstützen?

      Carsten schaut dem Angestellten erwartungsvoll in die Augen.

      - Auf diese Frage kann ich so nicht antworten…

      - Sehen Sie, ich wusste ja, dass Sie nicht der richtige Gesprächspartner sind.

      Unbeirrt durch Carstens Einwurf fährt der Angestellte fort:

      - Was ich sagen will, ist, dass Ihre Frage ein bisschen vage ist. Es kommt auf die Erfindung an, auf das Ziel, auf so viele Faktoren, dass Ihre Frage, ohne Sie jetzt kränken zu wollen, ein bisschen naiv klingt.

      - Naiv! Ich habe eine bahnbrechende Sache entwickelt, und Sie nennen das naiv! Ist Ihnen denn klar, wen Sie vor sich haben? Ich glaube kaum, sonst würden Sie nicht so mit mir reden. In ein paar Jahren, ach was, schon in ein paar Monaten wird man mir den roten Teppich ausrollen, aber auf dem ist dann kein Platz mehr für Sie, wenn Sie so weiterfaseln…

      - Herr Krause, bleiben Sie doch mal ganz ruhig. Uns interessieren Fakten, Zahlen, Zinsen, Zinseszinsen und so weiter. Wenn ich Sie richtig verstehe, kommen Sie zu uns, um einen Kreditantrag zu stellen.

      Carsten rutscht gereizt auf dem unbequemen Ledersitz hin und her.

      - So kann man das auch ausdrücken, obwohl ich das eigentlich gerade nicht wollte. Es ist kein gewöhnlicher Kredit wie für eine Waschmaschine, ein Auto oder ein Haus. Es soll eine Investition sein in ein Projekt, das die Welt verändern wird.

      - Das sagten Sie schon. Was Sie aber noch nicht gesagt haben, ist, worin das Projekt besteht, wie viel es kostet, wie Sie sich die Vermarktung vorgestellt haben und wie viel es ihrer Einschätzung nach einbringen wird.

      - Milliarden!

      - Milliarden? Sie befinden sich im Besitz einer MilliardenErfindung? Wissen Sie, Herr Krause, solche Erfindungen sind höchst selten, die letzte dieser Art war das I-Phone, und Sie sind doch kein Steve Jobs.

      - So kommen wir nicht weiter, warum konnte denn Ihr Direktor diesen Termin nicht wahrnehmen.

      - Das sagte ich schon, ein wichtiger Termin in Frankfurt. Aber wollen Sie mir denn nicht verraten, was das für eine Erfindung ist?

      - Nehmen wir doch mal an, es gibt diese Erfindung wirklich, ich habe Ihnen die Patente vorgelegt und Ihre Bank hat das alles überprüft oder von Experten überprüfen lassen, die Richtigkeit der Erfindung, die Machbarkeit, die Vermarktungsmöglichkeit und, und, und, wäre denn Ihre Bank dann an einer Investition interessiert?

      - Das kann ich Ihnen so nicht sagen. Da müssten Sie, wie Sie schon richtig sagten, alles vorlegen, Idee, Patente, Kostenberechnungen, Machbarkeitsgutachten, und so weiter, die Investmentexperten müssten sich dazu äußern und dann müsste der Filialleiter mit diesem Projekt nach Frankfurt in die Zentrale, um das Projekt dort vorzustellen, gegebenenfalls durchzuboxen. Aber Sie haben noch immer nicht gesagt, worum es eigentlich geht.

      11.

       Damit es von Anfang an klar ist: ich bin eine Feldulme! Keine blasierte Eiche und auch keine von diesen hektischen, schnelllebigen Buchen. Und ich stehe hier in dieser schönen, leicht feuchten Mulde seit 99 Jahren und 364 Tagen und werde nicht lockerlassen. Immerhin hat ein netter Hobby-Botaniker vor ein paar Monaten ein Schildchen an der Bank vor mir angebracht, auf der geschrieben steht:

       Gestern haben sie allerdings schon die Bank weggetragen. Die Leute mit den orangenen Helmen, haben sich dann draufgesetzt, Pausenbrot gegessen, Bier getrunken, mich sogar bewundert, diese Idioten, während sich die riesigen, unförmigen, ebenso orangefarbenen Baufahrzeuge in der Frühlingssonne ausruhen durften.

      Die hätten ja die neuen Häuserreihen oben auf dem Hügel, oder, noch besser, ein Stück tiefer im Tal bauen können, aber nein! Ausgerechnet hier, wo ich stehe, soll die neue Siedlung angelegt werden. Aber so einfach kriegen die mich nicht. Ich hab' nämlich von dem Projekt Wind bekommen: die Eschen, die gestern rausgerissen wurden, hatten es mir zu gewispert. Und seitdem lasse ich meine Wurzeln kein Wasser mehr ziehen. Trocken sind die nämlich resistenter. Das weiß ich noch von damals, als sie hier den kleinen Spazierweg eingerichtet haben, auch da sollten nämlich schon ein paar zu Tage getretene Wurzeln weichen. An dem ausgedörrten Wurzelwerk haben sie heftig geschuftet, bis sie die raushatten. Gott sei Dank habe ich nichts mehr gespürt; ich bekam von diesem Teil der Wurzeln sowieso kein Wasser mehr, der war quasi abgestorben und diente nur noch meinem Halt, aber was haben die gesägt und getan und gemacht bis der Weg endlich frei von den knorrigen Hindernissen war. Ich weiß schon, dass ich keine Chance habe, aber ich habe ein Ziel: Ich will wenigstens 100 Jahre alt werden. Und das ist morgen. Jawohl, und diesen Tag möchte ich, und werde ich, so wahr ich hier stehe, erleben. Allein schon deswegen, damit das Schildchen recht bekommt. Vor allem aber auch, weil ich so gerne lebe, meine belaubten Arme in alle 4 Himmelsrichtungen ausstrecken mag, die Sonnenstrahlen empfangen, aber auch gleichzeitig Schatten spenden mag. Und jetzt kommen sie mit ihren Ungeheuern und wollen mich niederstrecken. Aber das verspreche ich ihnen: Ich werde mich wehren!

      Die Ulme seufzt, während ein Windstoß ihre Baumkrone erzittern lässt.

      12.

      Neonröhren leuchten schrill in allen Farben von den Decken und Wänden, hundertfach verdoppelt und verdreifacht von unzähligen Spiegeln, die der Kneipe einen hippen Look verleihen sollen. Aber noch lauter als das Licht ist die dröhnende Musik vermischt mit dem Geschrei der Kids, die brüllen müssen, um sich überhaupt verstehen zu können.

      Andros liebt diese Kneipe nicht, aber Carsten hat ihm hier ein Date gegeben. Und wenn Carsten in dieser Verfassung ist, dann sollte man besser einfach das machen, worum er bittet oder klarer ausgedrückt, was er verlangt. Andros spielt mit dem Bierdeckel, ein bisschen nervös, denn er wartet schon eine ganze Weile. Er hat jetzt schon mehr als genug Zeit gehabt, sich die Jugendlichen anzuschauen, die im Vergleich zu seinen jungen Jahren sich doch um einiges gewandelt haben, wenigstens im äußerlichen Erscheinungsbild. Die Haare sind zwar wieder recht lang aber irgendwie sehr sorgfältig um den Schädel herum gekämmt, kaum einer trägt ein T-Shirt oder Hemd ohne Werbung, manche haben sogar noch irgendein Logo oder eine Aufschrift auf ihrer Kopfbedeckung.

      Was aber vor allem angesagt scheint, sowohl bei den Mädchen als auch bei den Jungs, sind Tattoos. Anscheinend haben diese sich also gegenüber den Piercings behaupten können, denkt Andros und wischt sich nach einem kräftigen Schluck Bier den Schaum von den Lippen. Er hat nichts gegen Tattoos, warum auch. Für Schönheit soll man bekanntlich leiden. Das einzige was ihn daran stört, ist, dass diese Mode von der Rockerszene übernommen wurde, nachdem diese schon jahrelang blaue Totenschädel oder vollbusige Pin-ups auf ihren fetten Oberarmen und Bäuchen mit ihren stinkigen Harleys durch die Gegend gefahren hatte.

      Was ihn aber gerade noch mehr beschäftigt, ist der Anblick der Mädchen. Highheels, Minirock oder enge Leggins, dazu Ausschnitte bis zum Gehtnichtmehr oder noch weiter.

      Zu seiner Zeit, hätte er mit so einer Biene nicht das geringste Wort gewechselt. Damals war es Natürlichkeit, Gesundheit, Busenfreiheit, was ihn angemacht hatte.

      Heute …gesteht er sich ein, heute

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