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den Kai erschüttern wird.‹

      Peer atmete auf, dann wählte er Vorraths direkte Nummer. »Ich weiß noch nicht, was genau passieren wird. Aber was immer es ist, es soll erst am Abend stattfinden. Wir haben also etwas Zeit.« Er berichtete von der neuen Botschaft. »Ich werde hier noch das Aufsichtspersonals befragen, dann jogge ich rüber zum Zöllnerhaus. Das scheint die letzte Station zu sein, und dort ist die Chance vielleicht am größten, dass einer der Bewohner eine verdächtige Gestalt beobachtet hat. Verdammt, irgendwem muss doch was aufgefallen sein!«

      »Das bleibt zu hoffen,« erwiderte Vorrath und atmete hörbar aus. »Denn weder in der Kirche noch auf der Walli will jemand etwas Ungewöhnliches bemerkt haben.«

      Während Peer das Handy wieder in der Bauchtasche verstauen wollte, vibrierte es. Er nahm das Gespräch an. »Tobi hier, vom Hansevolk. Deine Kollegen hatten eigentlich gesagt, du rufst zurück …«

      »Hi, Tobias, falls du wegen heute Abend anrufst: ich kann leider nicht. Und ich hab’s gerade ein bisschen eilig.«

      »Ich weiß, ich weiß, das ist es ja. Ich rufe nicht wegen des Spektakels an. Ich war auf der Walli, weil ich zur ›Lisa‹ wollte. Und da habe ich mitbekommen … Peer, ich glaube, ich muss was beichten.«

      Spektakel. Krawall. Aufruhr. In Peers Hirn veranstalteten die Wörter Randale. Er atmete dreimal tief ein und aus, um sich zu beruhigen. »Werden wir deine Fingerabdrücke auf gewissen Zetteln finden?«

      »Ja doch. Das ist es ja, was ich dir die ganze Zeit sagen will. Ich habe heute eine Gruppe aus Stralsund zu betreuen, und ich dachte, ich bereite eine Art Hanse-Rallye für die vor.«

      »Das hast du doch hoffentlich meinen Kollegen erzählt?«

      »Ähm – weißt du … also, nicht wirklich. Ich hatte Angst, dass sie …«

      Peer ließ Tobias nicht ausreden. Er klickte auf das rote Hörersymbol und rief sofort darauf Vorrath an. »Keine Bombe«, rief er in den Hörer. »Und keine Horror-Clowns.« Er verschluckte sich fast. »Die Nachrichten haben überhaupt nichts mit der Yachtfamilie zu tun!«

      »Ich weiß«, dröhnte Vorrath am anderen Ende, sodass Peer sich fragte, ob seine Chefin auf Krawall gebürstet oder einfach nur erschöpft war. »Wir haben die drei gefunden. Kommen Sie aufs Revier!«

      »Aye, Ma’am. Bin in dr-sm-sm Minuten da.« Peer nuschelte die Zahl 30, um zu verschleiern, dass er vorher nach Hause joggen, sich umziehen und vor allem Sina informieren wollte. Seine Frau hatte mittlerweile sicher längst eingekauft, vermisste ihn und machte sich bestimmt Sorgen. Sie konnte ja nicht ahnen, dass er heute zum Joggen sein Mobiltelefon eingesteckt hatte.

      Als er zu Hause eintraf, saß Sina beim Kaffee. Sie hatte beide Flügel des großen Küchenfensters geöffnet und schien entspannt die warme Luft zu genießen.

      »Espresso, der Herr?« Sie stand auf und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Dann rümpfte sie die Nase. »Allerdings erst nach dem Duschen …«

      »Sorry, ich war …«

      »… zum Sporttreiben in der Kirche. Sehr apart.«

      Peer hob fragend die Augenbrauen.

      »Ach, wolltest du das geheim halten?« Sina lachte. »Davor hat der Herr Facebook gestellt.«

      »Was, das hat jemand gepostet? Etwa auf der Stadtnews-Seite? Wer war das?«

      »Einer von den Besuchern, die der Küster aus der Kirche rauskomplimentieren wollte. Dem kam das seltsam vor, also hat er sich in einer Bankreihe versteckt und euch beobachtet.«

      »Dieser Schw …«

      »Pscht.« Sina legte ihm die Hand auf den Arm. »Ich find’s großartig. Denn so wusste ich nicht nur, dass dir nichts passiert ist, sondern konnte stolz auf meinen frisch gebackenen Kommissar sein. Das roch ja nach wichtigem Einsatz.«

      Peers Blick wanderte zum Fenster hinaus.

      Sina tippte ihn an. »Es war doch ein wichtiger Einsatz, oder?«

      »Ich weiß noch nicht, was ich darüber sagen darf. Muss auch gleich noch mal aufs Revier.« Peer erhob sich. »Ich wasche mich schnell. Und ja: dann hätte ich gern einen Espresso. Doppelt, mit Zucker.«

      Peer schwang sich aufs Fahrrad, um in die Mengstraße zu radeln.

      Keine fünf Minuten später traf er an seinem neuen Arbeitsplatz ein.

      »Kann ich mit diesem Hobby-Skipper reden?«, fragte er Vorrath direkt.

      »Nein, wir hatten zwar noch auf Sie gewartet …« Seine Vorgesetzte richtete den Blick demonstrativ zur Wanduhr. »Doch mittlerweile wurde der Mann an die Kollegen von der organisierten Kriminalität übergeben.«

      Peer pfiff durch die Zähne. »Nach so einer großen Nummer sah er mir gar nicht aus.« Er bemerkte Vorraths Blick. »Äh – ich weiß natürlich, dass man nicht nach dem Aussehen gehen kann. Was hat er denn angestellt?« Vorrath räusperte sich. »Also – wir sprechen bisher natürlich nur von Verdacht. Steuerhinterziehung und Geldwäscherei in großem Stil … zusammen mit seiner Stieftochter übrigens. Die Frau dagegen scheint unschuldig zu sein.«

      »Und die Drohung?«

      »Stammt nach bisheriger Erkenntnis von einem geprellten Geldanleger. Die Frau, diese Felicitas, sprach von einem Geschäftsfreund, der ihr schon immer verdächtig vorkam.«

      Peer schüttelte den Kopf. »So, so, da hatte sie also den richtigen Instinkt. Bei ihrem Mann ja wohl leider nicht.« Er dachte an die Szene, als der Kerl den Arm wie eine eiserne Klammer um Felicitas gelegt hatte – eine klare Warnung, der Polizei nichts zu erzählen.

      »Weiß man inzwischen, wie die Drohung lautete?«

      »Geld in bar zurück, oder die Steuerhinterziehung fliegt auf. Sowas in der Art, ein bisschen verschlüsselt.«

      »Dann hatte die gar nichts mit der Yacht zu tun? Keine Bombendrohung?«

      »Nein.« Viola Vorrath schwieg eine Weile, die Peer unerträglich lang erschien. Dann fuhr sie fort. »Sie haben alles richtig gemacht, Peer. Sie haben Zusammenhänge hergestellt und schnell gehandelt.«

      Peer sah auf den Boden. »Zusammenhänge, die gar nicht da waren.« Vorrath erhob sich. »Gewöhnen Sie sich das bloß nicht ab, diesen Blick über die Reling. Bei uns zu Hause sagte man immer: den Blick über den Tellerrand.«

      Peer sah auf und lächelte. »Danke.«

      »Die Firma dankt.« Vorrath lächelte zurück. »Und übrigens pflege ich jedem, mit dem ich an einer Rallye teilnehme, das Du anzubieten. Ich bin Viola.« Sie streckte Peer die Hand hin.

      Peer radelte pfeifend nach Hause. Er würde Sina, die sich heute ebenfalls freigenommen hatte, ins Café einladen. Erdbeertorte und Prosecco, das würde ihr gefallen.

      »Bis wir nachher nach Stockelsdorf fahren, ist der Alkohol längst verflogen«, erklärte er ihr.

      »Ach, apropos die Feier. Mein Dad hat vorhin angerufen, er hat sich was Besonderes für den heutigen Abend einfallen lassen.« Sina legte eine Kunstpause ein. »Er möchte mit allen Gästen die Aufführung der mittelalterlichen Entladeszene an der ›Lisa von Lübeck‹ anschauen. Und danach ins Fischrestaurant.«

      Peer griff sein Smartphone.

      »Tobi? Pass auf, ich kann heute Abend doch mitmachen. Aber du musst mir einen Gefallen tun – sozusagen als Wiedergutmachung für die vermeintlichen Drohungen: ich will den Stoffballen an Land tragen. Ja, darin verstecke ich eine Überraschung für jemanden. Bitte, nur heute, nur ausnahmsweise.«

      Er würde Tobias nachher einen dicken Gutschein für seine Lieblingspizzeria überreichen. Denn Tobi war ihm keinen Gefallen schuldig, nicht den klitzekleinsten.

       Anmerkungen

      Das Kraweelschiff ›Lisa von Lübeck‹ wird von der ›Gesellschaft Weltkulturgut Hansestadt Lübeck e.V.‹ betrieben und kann zu bestimmten

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