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Die gesamte Regierung, mit Ausnahme des Justiz- und des Kulturministers, die beide irgendwie suspekt waren, erkannte die dringende Notwendigkeit, die Schraube noch einmal fester anzuziehen, da die Ausrufung des Ausnahmezustands, von dem man sich so viel erhofft hatte, nicht die gewünschte Wirkung gezeigt hatte, und die Bürger des Landes, welche nicht die gesunde Angewohnheit hatten, auf ordnungsgemäße Einhaltung ihrer Verfassungsrechte zu pochen, nicht einmal bemerkt hatten, dass sie dieser beraubt worden waren. Daher wurde nun ein ernsthafter und nicht bloß vorgetäuschter Belagerungszustand verhängt, mit Sperrstunde, Schließung von Veranstaltungsorten, intensiven Straßenpatrouillen seitens des Militärs, Versammlungsverbot ab fünf Personen und vollkommener Abriegelung der Stadt, während gleichzeitig die ohnehin weit weniger drastischen Beschränkungen im übrigen Land aufgehoben werden sollten, damit die so zum Ausdruck gebrachte ungleiche Behandlung die Demütigung, der die Stadt ausgesetzt war, deutlicher und gewichtiger machte. Womit wir ihnen sagen wollen, erklärte der Verteidigungsminister, und vielleicht kapieren sie das endlich mal, dass sie nicht vertrauenswürdig sind und deshalb so behandelt werden. Der Innenminister, der sich gezwungen sah, die Misserfolge seines Geheimdienstes irgendwie zu bemänteln, befürwortete die sofortige Verhängung des Belagerungszustands, und um zu zeigen, dass er noch immer im Rennen war, berichtete er dem Ministerrat, der Geheimdienst sei nach gründlichen Ermittlungen und einer engen Zusammenarbeit mit Interpol zu dem Schluss gekommen, die internationale anarchistische Bewegung, Falls sie überhaupt zu etwas anderem in der Lage ist, als dumme Sprüche an die Wände zu schreiben, hier hielt er einen Moment inne, um das herablassende Gelächter seiner Kollegen abzuwarten, und beendete den Satz schließlich, zufrieden mit dem Gelächter und sich selbst, mit den Worten, sei in keinster Weise an dem Wahlboykott, dem wir zum Opfer gefallen sind, beteiligt, weshalb es sich hier um eine ausschließlich interne Angelegenheit handelt, Verzeihen Sie den Einwand, sagte der Außenminister, der Zusatz ausschließlich erscheint mir hier nicht ganz angebracht, und ich darf den Ministerrat daran erinnern, dass inzwischen einige Staaten mir gegenüber die Besorgnis zum Ausdruck gebracht haben, die hiesigen Ereignisse könnten die Grenzen überschreiten und sich ausbreiten wie eine neue schwarze Pest, Eine weiße Pest, das hier ist eine weiße Pest, korrigierte mit besänftigendem Lächeln der Regierungschef, Na also, erwiderte der Außenminister, dann können wir doch erst recht von Tiefschlägen gegen die Stabilität des demokratischen Systems sprechen, und zwar nicht nur, nicht ausschließlich in einem, in diesem Land, sondern auf dem ganzen Planeten. Der Innenminister spürte, wie ihm die Rolle der zentralen Figur, zu der ihn die jüngsten Ereignisse erkoren hatten, aus den Händen glitt, und um nicht gänzlich an Boden zu verlieren, suchte er, nachdem er dem Außenminister für seine Bemerkungen gedankt und sie mit unparteiischem Großmut für zutreffend befunden hatte, zu beweisen, dass auch er das Zeug zu spitzfindigen semiologischen Finessen hatte, Es ist interessant zu beobachten, sagte er, wie die Bedeutungen der Wörter sich langsam verändern, ohne dass wir es bemerken, wir verwenden sie, immer wieder, bis sie schließlich genau das Gegenteil von dem besagen, was sie einst bedeutet haben und in gewisser Weise, wie ein langsam ausklingendes Echo, noch immer bedeuten, Das ist eine der Auswirkungen des semantischen Prozesses, kommentierte von einem der abgelegeneren Plätze der Kulturminister, Und was hat das mit den weißen Stimmen zu tun, fragte der Außenminister, Mit den weißen Stimmen hat es nichts zu tun, mit dem Belagerungszustand dafür umso mehr, erklärte der Innenminister triumphierend, Das verstehe ich nicht, sagte der Verteidigungsminister, Es ist ganz einfach, Für Sie mag das ja alles einfach sein, aber ich verstehe es nicht, Dann wollen wir doch mal sehen, was bedeutet das Wort Belagerung, ich weiß, das ist eine rhetorische Frage, Sie brauchen sie mir auch nicht zu beantworten, wir wissen alle, dass Belagerung Umzingelung, Besatzung bedeutet, nicht wahr, So wie bisher zwei plus zwei vier waren, Nun denn, wenn wir den Belagerungszustand ausrufen, ist das, als sagten wir, die Landeshauptstadt sei belagert, umzingelt und besetzt von einem Feind, wobei in Wahrheit dieser Feind, es sei mir erlaubt, ihn so zu nennen, nicht von außen, sondern von innen kommt. Die Minister sahen einander an, der Regierungschef blickte verständnislos und begann in seinen Papieren zu kramen. Doch der Verteidigungsminister sollte diese semantische Schlacht gewinnen, Man kann die Sache auch anders sehen, Wie denn, Dass die Hauptstadtbewohner dafür, dass sie eine Rebellion angezettelt haben, und ich übertreibe wohl nicht, wenn ich das, was in letzter Zeit passiert ist, eine Rebellion nenne, zu Recht belagert, umzingelt oder besetzt wurden, wählen Sie den Ausdruck, der Ihnen am besten gefällt, mir ist das völlig gleichgültig, Ich darf unseren lieben Kollegen und den Ministerrat daran erinnern, sagte der Justizminister, dass die Bürger, die beschlossen haben, weiß zu wählen, nichts anderes taten, als ein Recht in Anspruch zu nehmen, das das Gesetz ihnen ausdrücklich einräumt, daher ist es meiner Meinung nach nicht nur eine semantische Unkorrektheit, in einem solchen Fall von Rebellion zu sprechen, man verzeihe mir mein Vordringen auf ein Gebiet, auf dem ich nicht kompetent bin, sondern juristisch gesehen auch kompletter Unsinn, Rechte sind keine Abstraktionen, antwortete der Verteidigungsminister barsch, Rechte verdient man oder man verdient sie nicht, und die haben sie nicht verdient, alles andere ist Spinnerei, Sie haben völlig Recht, sagte der Kulturminister, in der Tat sind Rechte keine Abstraktionen, sie existieren selbst dann, wenn sie nicht respektiert werden, Hört, hört, die Philosophie, Haben Sie etwas gegen die Philosophie, Herr Verteidigungsminister, Die einzige Philosophie, die mich interessiert, ist die militärische, und selbst die nur unter der Bedingung, dass sie uns zum Sieg verhilft, ich bin ein Kasernenpragmatiker, werte Herren, für mich ist Brot Brot und Käse Käse, ob es Ihnen gefällt oder nicht, aber um nicht als minderbemittelt zu gelten, würde ich jetzt, da es ja wohl nicht darum geht zu beweisen, dass ein Kreis in ein Quadrat mit gleicher Fläche umgewandelt werden kann, gerne erfahren, wie ein Recht, das nicht respektiert wird, existieren kann, Ganz einfach, Herr Verteidigungsminister, dieses Recht existiert potenziell in der Forderung, respektiert und eingehalten zu werden, Ich will ja hier niemanden beleidigen, aber mit bürgerrechtlichen Predigten und Demagogien dieser Art kommen wir hier nicht weiter, der Belagerungszustand muss her, und dann werden wir schon sehen, ob es sie trifft oder nicht, Außer der Schuss geht nach hinten los, sagte der Justizminister, Ich wüsste nicht, wie, Ich im Moment auch noch nicht, aber es gilt abzuwarten, niemand hat je gewagt, sich vorzustellen, dass irgendwo auf der Welt das passieren könnte, was in unserem Land passiert ist, und da ist es nun, wie ein doppelter Knoten, der sich nicht lösen lässt, und wir versammeln uns immer wieder um diesen Tisch, um Entscheidungen zu treffen, die, obwohl sie uns hier als sicheres Mittel zur Krisenbekämpfung präsentiert werden, bisher nichts gebracht haben, warten wir es also ab, bald kennen wir die Reaktionen der Menschen auf den Belagerungszustand, Wenn ich das höre, kann ich unmöglich schweigen, platzte der Innenminister heraus, die getroffenen Maßnahmen wurden einstimmig von diesem Ministerrat verabschiedet, und soweit ich mich erinnere, hat keiner der hier Anwesenden bessere Vorschläge in die Diskussion eingebracht, dieser katastrophale Schlag, ja, ich spreche von katastrophal und auch von Schlag, obwohl einige der Herren Minister das als Übertreibung empfinden und dies mit süffisanter Selbstzufriedenheit zum Ausdruck bringen werden, dieser katastrophale Schlag, ich sage es noch einmal, hat in erster Linie und aufgrund ihrer Zuständigkeiten unseren verehrten Herrn Staatschef und den Herrn Premierminister getroffen und danach den Verteidigungsminister und mich, aufgrund der Verantwortlichkeiten, die unsere Ämter mit sich bringen, während die Übrigen, und hier meine ich vor allem die Herren Justiz- und Kulturminister, die zwar gelegentlich die Güte hatten, uns mit ihrem Licht zu erleuchten, meines Wissens keine Ideen eingebracht haben, die es wert gewesen wären, länger erwogen zu werden, als ihr Anhören dauert, Das Licht, mit dem ich Ihren Worten zufolge gelegentlich die Güte hatte, diesen Ministerrat zu erleuchten, war nicht mein eigenes, es war das Licht des Gesetzes, nur das des Gesetzes, antwortete der Justizminister, Und was meine bescheidene Person und meine Rolle in diesem generösen Ohrenlangziehen betrifft, sagte der Kulturminister, so kann man angesichts des lächerlichen Haushalts, den man mir zugesteht, einfach nicht mehr von mir erwarten, Jetzt verstehe ich ihre Neigung zum Anarchismus, konterte sofort der Innenminister, früher oder später zeigt sich doch immer das wahre Gesicht.

      Der Premierminister hatte nun seine Papiere durchgesehen. Er klopfte mit dem Kugelschreiber leicht an sein Wasserglas, um Ruhe und Aufmerksamkeit zu erbitten, und sagte, Ich unterbreche nur ungern Ihre interessante Debatte, die mich, auch wenn ich Ihnen vielleicht etwas zerstreut vorgekommen sein mag, einiges gelehrt hat, gibt es doch, wie wir aus Erfahrung wissen dürften, nichts Besseres als eine zünftige Diskussion, um angestaute Spannungen zu entladen, insbesondere in einer Situation

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