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dass die aufrichtigen „Suchenden“, jene, die von der Wahrheit, die die Kirche zu bieten hat, nicht überzeugt sind, seine Arbeit würdigen und als ein Licht am Ende des Tunnels betrachten werden. Heute aber, da sein Werk vollendet auf seinem Schreibtisch liegt, stellt er mit Verwunderung fest, dass all seine Courage ihn verlassen hat.

      „Kannst du die Konsequenzen, die du durch die Veröffentlichung dieses Werkes auslöst, verantworten?“, drängt sich die Stimme des feigen Carlucci nach Jahren wieder auf. Msgr. Carlucci erschrickt. Er überlegt und gibt sich schließlich selbst die Antwort:

      „Haben die Menschen nicht das Recht, die Wahrheit zu erfahren? Ich hatte nicht darum gebeten, diese Aufgabe zu übernehmen; ich war zufrieden mit meiner alten Wahrheit, dieses Amt wurde mir buchstäblich aufgedrängt“, rechtfertigt er sich.

      „Was willst du überhaupt erreichen?“, fragt der Ankläger in ihm.

      „Die Wahrheit denen bringen, die sie suchen, denn für sie ist sie einst von einem heiligen Mann ja geschrieben worden. Diejenigen, für die diese Wahrheit nicht geschrieben wurde, werden es ohnehin nicht annehmen“, antwortet er.

      Msgr. Carlucci starrt wie hypnotisiert auf den Reigen der Flammen, die sich in Form von bedrohlichen Schwertern strecken und die anstatt des Scheits, seine Seele zu verzehren scheinen. Wie Dämonen, die ihm einen Spotttanz vorführen, reflektiert das Feuer im Hintergrund seines Arbeitszimmers; lange, furchterregende und unruhige dunkle Schatten auf die Bücherwand breiten sich aus, wo einst seine Seele im Glauben an das Opfer des gekreuzigten Jesus verwurzelt war.

      Ein Gefühl der Enge in seiner Brust überkommt ihn und löst eine quälende Übelkeit aus. Er fasst sich am Bauch und krümmt sich, sein Herzschlag nimmt zu, Schweißperlen rinnen über seine Stirn. Er sieht zu dem Regal hinter sich. Er überlegt und vermag nicht abzuschätzen, wie viele Bücher über den Glauben, wie ihn die Kirche lehrt, geschrieben wurden.

      Wie viele Menschen haben im guten Glauben, die Wahrheit entdeckt zu haben, ihr Leben für diese Wahrheit geopfert?

      Zweitausend Jahre sind Menschen aus Unwissenheit dieser „Wahrheit“ gefolgt und haben ihr ihr ganzes Leben gewidmet. Unzählige haben die Armut gesucht oder sind für diese Wahrheit sogar freiwillig einen Märtyrertod gestorben. Wie viele waren es? Er wagt keine Zahl zu schätzen.

      Hatte er das Recht, durch seine Veröffentlichung, alle die, die an die gemeingültige Wahrheit geglaubt haben, und sogar solche, die selbstlos ihr Leben für ihre Nächsten eingesetzt haben, dem Hohngelächter der Andersdenkenden preiszugeben?, fragt der Gegner in ihm.

      Msgr. Carlucci richtet sich wieder auf. „Im Grunde geht es nicht darum, eine neue Wahrheit zu verkünden“, verbessert er sich. „Die Wahrheit muss jeder einzelne Mensch für sich selbst erkennen. Meine Aufgabe vielmehr ist, die Wahrheit über die Lüge zu zeigen“, und erleichtert über die gelungene Formulierung ergänzt er, „und die Lüge kann nur erkannt werden, wenn sie der Wahrheit gegenübergestellt wird.“

      Er sieht auf die Uhr, in drei Stunden wird sein alter Freund Gilberto, der mit ihm durch die Irrfahrt der Lüge gegangen und eine große Hilfe gewesen war, ihn aus diesem Gebäude, das viele Jahre sein zu Hause war, fortbringen. Nur noch wenige Stunden und er wird diesen Ort nie wieder betreten. Er hat sich dazu entschieden, es gab keinen Weg daran vorbei. Ein Hauch von Nostalgie streift ihn, als er den Kamin, die Möbel, die Bücher in den Regalen, die Ölgemälde an den Wänden und alle Dinge, die zu ihm gehörten, ein letztes Mal betrachtet.

      Im Schein des Kaminfeuers, fast melancholisch, fixiert der alte Mann den kleinen feucht warmen Schlüssel, der durch die Spiegelung des Feuers in seiner Hand zu glühen scheint, und erinnert sich, wie alles begann.

      1 Religiöses Geheimwissen.

       2. Kapitel

      Seine Praxis lag in Roms Stadtzentrum. Schon sehr früh hatte Gilberto den Zusammenhang zwischen Gesundheit und dem Konsum roher Nahrung an sich und an seinen Patienten erkannt und es lag dem Therapeuten immer wieder sehr am Herzen, seine Patienten über diese Zusammenhänge aufzuklären. Grundsätzlich zeigte er ihnen ihr trübes und schmutziges venöse Blut, das er ihnen abnahm und das wie Kaffeesatz sich in dem Spritzenbehälter herabsenkte, wenn sie hilfesuchend zu ihm kamen. Wie ein Ritual hielt er die Spritze mit dem Blut gegen das Licht, das die Farbe einer verwelkten Rose zeigte, die ihre Leuchtkraft und Lebendigkeit verloren hat, wie er zu sagen pflegte. Doch der aufregendste Moment war jener, als der Kranke, nachdem er seine Ernährung umgestellt, gefastet und sich aus roher Nahrung ernährt hatte, nach Tagen sein Blut erneut in der Spritze gegen das Licht betrachtete, das nun aber wie ein blühendes Mohnblumenfeld im Sonnenschein leuchtete. Dieser Moment war immer sehr beeindruckend und entscheidend für viele seiner Patienten und obwohl der Samen nicht immer auf fruchtbaren Boden fiel, wusste er, dass der Betroffene diese Erfahrung, die sein weiteres Leben positiv verändern sollte, niemals vergessen würde.

      Auch wenn er sich darüber im Klaren war, dass er von den Krankheiten der Kranken lebte, brachte er es nicht übers Herz, wie viele seiner Kollegen aus Unwissenheit oder gar vorsätzlich, denen, die ihn in ihrer Not vertrauensvoll aufsuchten, die Regeln der Gesundheit vorzuenthalten und ihr Wohlergehen von seiner Therapie abhängig zu machen oder gar sie in eine Medikamentenabhängigkeit zu bringen, die ein volles Wartezimmer über Jahre hinweg gesichert hätte. Mit diesen Kollegen wollte er nichts zu tun haben und sie mit ihm ebenfalls nicht. Seine Meinung über sie stand fest: Ein Arzt, der seine Patienten in eine Medikamentenabhängigkeit bringt und sie beständig auf kleiner Flamme vergiftet, obwohl der Kranke auf eine natürliche Weise schneller und ohne gesundheitliche Schäden gesund werden könnte, ist ein Gegenspieler der Menschheit, ein Heuchler, dem man das Handwerk legen sollte. Besonders im Gebiet der Psychiatrie lag vieles im Argen, wenn sich die Nervenärzte ihre „Schäfchen“ hörig hielten.

      Die Vorstellung, einige Tage rohe Nahrung essen zu müssen, um gesund zu werden und darüber hinaus, um gesund zu bleiben, löste aber bei den meisten Patienten eine Art Abgeneigtheit aus, denn viele wollten schnell und möglichst ohne Entbehrungen wieder gesund werden und schon gar nicht den Obst- und Rohkosttrip durchziehen, um „nur“ ein Leben lang gesund zu bleiben.

      Er wusste, dass er sich mit dieser Belehrung und mit den hohen Erwartungen, die er an seine Patienten stellte, bei seiner Kundschaft nicht allzu beliebt machte, aber er hatte sich bewusst für diesen Weg entschieden. Einen Weg, der ihm zwar kein Leben in Wohlstand sicherte, ihm aber ein ruhiges Gewissen und seine Selbstachtung wahrte. Täglich konnte er in den Spiegel blicken und dieses Gefühl der Stärke und Aufrichtigkeit, das er dabei empfand, hätte er für nichts in der Welt aufgegeben, erst recht nicht für Geld.

      Erst wenn das „Gerüst“ am Zusammenbrechen war, wenn der Mensch am Boden lag und vor dem Trümmerhaufen seiner Gesundheit stand, griffen die schwerkranken Patienten nach dem letzten Strohhalm; und dann waren alle bereit, diesen mühsamen Weg zu beschreiten. Es galt aber, sie in erster Linie von ihrer Medikamentenabhängigkeit zu befreien und sie auf dem schweren und beschwerlichen Pfad, der vor ihnen stand, zu begleiten. Seine Behandlung würde die Heilung beschleunigen, doch den größten Beitrag, das Beharren bis zum Schluss, leistete der Patient selbst. Am Ziel angekommen, hatten diese Patienten aus eigener Kraft erfahren und verstanden, dass sie weder Arzt noch Medikamente benötigten, um körperlich und seelisch gesund, ausgeglichen und folglich glücklich zu sein. Er hatte ihr Vertrauen gewonnen, sie hatten ihm geglaubt und aus dem Glauben, der zu ihrer Heilung führte, wurde Wissen. Für diese Patienten wurde die Krankheit zum Segen. Sie waren sein ganzer Stolz und ein Zeugnis seiner Kompetenz, denn denjenigen, die seinen Beistand auch im Nachhinein suchten, stand er mit guten Ratschlägen bei. Seine Aufgabe sah er nicht darin, ihre Krankheiten zu heilen, sondern seine Kunden gesund zu erhalten.

       3. Kapitel

      Das Geheimarchiv der vatikanischen Bibliothek ist in erster Linie eine große Sammlung einzelner Bücher, die mehr als 25 Meilen Regallänge voll Schriftrollen, Pergamenten, Papiermanuskripten und Kodizes umfassen. Vieles in den Geheimarchiven ist noch terra incognita; es gibt noch ganze Räume, wo stapelweise unerschlossene Dokumente liegen.2

      Als er noch dem Mitarbeiterstab der Geheimarchive angehörte,

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