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      Maik Kohlbus

      Hannahs Welt

      Nichts ist so, wie es scheint

      © 2020 Maik Kohlbus

      Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

      ISBN

Paperback:978-3-7482-6490-3
Hardcover:978-3-7482-6491-0
e-Book:978-3-7482-6492-7

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

      Für Nelson und William

       Die Lösung ist immer einfach, man muss sie nur finden.

      Aleksandr Solzhenitsyn

       KAPITEL 1

      „Ist das ein grüner Kugelfisch?“ Mit verzerrtem Gesicht starrte Paul auf das Aquarium. So ein Tier hatte er noch nie gesehen. Ein wenig ängstlich näherte er sich, um das kleine grüne Ding im Wasser genauer zu betrachten.

      Hannah verdrehte ihre Augen. „Nein, das ist ein Oktopus! Der mag es gerne, sich wie eine kleine Kugel zusammenzurollen.“

      „Ein Oktopus? So klein?“ Ängstlich kam Paul näher an das Aquarium heran. Er hatte wirklich Angst, versuchte es aber so gut es ging zu verbergen.

      Gelangweilt stand Hannah da. Sie mochte Paul wirklich nicht. „Das wirst du ja in ein paar Minuten sehen, wenn ich mein Referat halte.“ Sie beachtete ihn nicht mehr und konzentrierte sich auf ihre Notizen, die sie nervös in den Händen hielt. Eigentlich hatte sie sich gut vorbereitet, jetzt war sie aber doch noch ein bisschen unsicher. Bisher musste sie noch nie ein Referat halten, aber nun war sie ja in der siebten Klasse und da gab es keinen Weg mehr daran vorbei. Das Thema im Biologieunterricht war zurzeit Haustiere. Jeder Schüler durfte ein Tier mitbringen und einen Vortrag darüber halten. Wer kein Haustier besaß, konnte auch einfach über irgendein Tier referieren. Das wollte aber keiner, da es ja auch nicht so cool war, wie sein echtes Haustier vorzustellen. Heute war Hannah dran, sie war die Dritte in diesem Schuljahr. Paul hatte bereits seine Katze vorgestellt und Tina ihren Hamster. Da Hannahs kleiner grüner Oktopus ihr einziges Haustier war, hatte sie das kleine Aquarium mitgebracht, das jetzt vor ihr auf dem Lehrerpult stand. Ihre Mitschüler sahen sie erwartungsvoll an, als sie noch einmal tief Luft holte und anfing zu erzählen.

      Ihr Referat war ein voller Erfolg. Alle hörten interessiert zu, denn noch niemand in ihrer Klasse hatte jemals von einem so kleinen Oktopus gehört, dazu war es noch ein grüner. Keiner ihrer Mitschüler wusste, dass Oktopusse gerne in Riffen lebten und dass es ganz viele verschiedene Arten von ihnen gibt. Natürlich musste Hannah ihnen am Anfang erst einmal erklären, dass Oktopusse normalerweise viel größer sind als ihrer. Ihr Oktopus war aber ein besonderer. Er war nur ein paar Zentimeter groß und schimmerte in einem hellleuchtenden Grün. Nicht nur Hannahs Mitschüler waren begeistert, sondern auch ihre Klassenlehrerin Frau Müller. Alle staunten, dass ihr Oktopus auch Sternensauger genannt wurde. Wahrscheinlich kam es davon, dass er sich gerne wie ein Stern an das Glas seines Aquariums saugte und seine Arme in alle Richtungen von sich streckte. Was alle so richtig umhaute, war die Tatsache, dass Oktopusse drei Herzen haben. Am Ende des Referats gab es noch eine Fragerunde. Ohne Probleme konnte Hannah alles beantworten. Zum Schluss hatte nur noch Paul eine letzte Frage. Er hob die Hand und sah Hannah herausfordernd an. „Hat dein Oktopus auch einen Namen?“

      Traurig sah Hannah zu Frau Müller hinüber, anschließend wieder zu Paul. „Nein, der hat keinen Namen!“

      Paul ließ nicht locker und bohrte weiter. „Warum denn nicht? Alle Haustiere haben doch einen Namen. Außer Fische vielleicht. Aber ein Oktopus ist doch kein Fisch.“ Triumphierend grinste er.

      Hannah überlegte kurz. „Mir ist noch nie ein Name eingefallen.“ Verlegen wischte sie sich ein paar widerspenstige Haare aus dem Gesicht. Ihr war es unangenehm, dass sie keine bessere Antwort auf eine so einfache Frage hatte. Es war aber leider die Wahrheit. „Ich habe den Oktopus schon so lange, ich wurde auch schon oft gefragt, wie er heißt. Er hat aber keinen Namen.“

      Als Frau Müller merkte, wie unwohl sich Hannah fühlte, kam sie helfend zu ihr. „Sehr gut gemacht, Hannah. Das war wirklich ein sehr interessanter Vortrag. Wenn keine weiteren Fragen mehr sind, dann machen wir jetzt mit dem Unterricht weiter.“

      Ihr Referat war vorbei, sie hatte es geschafft! Erleichtert setzte sie sich auf ihren Platz. Obwohl es so gut gelaufen war, ärgerte sie sich über die Frage von Paul. Ein Name! Wieso nur fiel ihr denn kein Name für ihren Oktopus ein?

      Später am Nachmittag saß Hannah in ihrem Zimmer vor dem runden Aquarium und beobachtete ihren kleinen grünen Oktopus, wie er munter langsame Kreise zog. Nach der Schule hatte sie das kleine Aquarium an seinen Platz auf ihrem Schreibtisch zurückgestellt. Dort konnte sie ihn immer beobachten, wenn sie ihre Hausaufgaben machte. Die sollte sie jetzt eigentlich anfangen, aber sie hatte keine Lust dazu. Immer noch dachte sie über das Referat nach, das ihrer Meinung nach ganz erfolgreich verlaufen war. Dadurch musste sich doch ihre Note verbessern, so wie sie es sich vorgenommen hatte. Jetzt war aber erstmal Mathe dran. Das verstand aber sowieso niemand in der Klasse und sie konnte sich nicht motivieren, mit ihren Aufgaben anzufangen. Viel lieber beschäftigte sie sich mit ihrem Oktopus. Der fühlte sich sehr wohl in seinem Aquarium, das Hannah liebevoll für ihn eingerichtet hatte. Der Lieblingsplatz des Oktopusses war am Boden des Aquariums. Am liebsten lag er zusammengerollt zwischen ein paar Steinen, inmitten von dünnen Seegräsern. Dorthin zog er sich oft zurück, als wollte er sich vor der Welt verstecken. Im Moment wirbelte er aber so wild im Kreis herum, dass sich das Wasser im Aquarium anfing zu drehen. Bis er abrupt stehen blieb und Hannah durch das Glas ansah. Ohne auch nur eine Bewegung zu machen, ließ er sich langsam zur Oberfläche treiben und streckte lautlos seinen kleinen Kopf aus dem Wasser. „Hannah, weißt du was?“

      Hannah legte ihren Stift zur Seite, setzte die Ellenbogen auf ihren Schreibtisch und stützte ihren Kopf auf ihre Hände. Interessiert sah sie den kleinen Oktopus an. „Ja, was gibt es denn?“

      Der kleine Oktopus klatschte mit einem Arm auf die Wasseroberfläche. „Heute in der Schule, da haben die Kinder doch nach meinem Namen gefragt. Es ärgert dich doch immer, wenn jemand nach meinem Namen fragt.“ Vorsichtig sah er sich um, als suche er etwas, bevor er Hannah mit klarem Blick anstarrte. „Ich weiß, warum ich keinen Namen habe!“

      Mit verdrehten Augen sah Hannah ihn an. „Das weiß ich auch! Ist doch klar! Weil ich dir noch keinen gegeben habe!“

      Der Oktopus streckte sich ganz weit aus dem Wasser. Es sah fast so aus, als würde er über der Oberfläche schweben. „Nein, das stimmt nicht!“ Wütend schlug er auf das Wasser. Als er sich wieder beruhigte, sah er Hannah an, als wollte er ihr ein Geheimnis verraten. „Ich habe keinen Namen, weil ihm noch keiner eingefallen ist!“

      Hannah setzte sich aufrecht auf ihren Stuhl und sah den kleinen Oktopus verwundert an. „Von wem redest du? Wem soll kein Name eingefallen sein?“ Mit zusammengepressten Lippen schüttelte sie den Kopf. „Du bist doch mein Oktopus. Nur ich kann dir einen Namen geben!“

      Der kleine Oktopus streckte sich noch weiter aus dem Wasser, legte den Kopf auf den Rand des Glases und flüsterte jetzt so leise, dass Hannah ihn kaum verstehen konnte. „Na, dem Schreiber. Dem Schreiber dieser Geschichte hier!“

      „Dem Schreiber? Welche Geschichte? Wovon redest du denn?“

      Für einen Augenblick ließ der Oktopus seinen Blick in die Ferne schweifen. „Ich glaube… nein ich weiß… wir sind in einer Geschichte. Du und ich. Wir beide zusammen. Und dem Schreiber fällt kein Name ein. Darum habe ich keinen!“

      „So ein Quatsch! Wir sind doch nicht in einer Geschichte! Wie kommst du denn da drauf? Du und deine wilden Gedanken. Ich muss jetzt meine Hausaufgaben

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