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du ahnst nicht, was das für mich bedeutet.«

      »Ich bin genauso beschissen dran wie du, also halten wir zusammen, nicht?«

      Sie reichten sich die Hände.

      »Das werde ich dir nie vergessen.«

      »Ach, warum große Sprüche kloppen. Ich hab irgendwo noch eine Buddel stehen, die köpfen wir jetzt.«

      Es wurde ein ausgelassener Abend. Bis neun konnte sie bleiben und durfte sogar noch Claudia zu Bett bringen. Sie lag mit ihrer Puppe im Bett und strahlte Karla an.

      »Du kommst doch wieder? Ganz doll oft?«

      »Ja, mein Herzchen.«

      Claudia legte ihre weichen Kinderarme um den Hals der Dirne und gab ihr einen Kuss.

      »Du bist große Klasse.«

      Karla hatte ein Würgen in der Kehle. Für diese Sekunde war sie dem Schicksal unendlich dankbar. Vera sagte, ihr ging es hin und wieder auch schlecht, aber sie hatte ihr kleines Mädchen, wofür es sich lohnte zu leben. Sie waren miteinander wie zwei Freundinnen.

      Karla musste gehen.

      »Kommst du morgen?«

      »Ich bringe meinen Wagen mit, dann machen wir einen Ausflug, ja?«

      »Au fein!«

      Karla verließ mit glänzenden Augen die Wohnung. In diesen Stunden war sie ein anderer Mensch geworden.

      6

      In der Bar wirkte sie wie aufgedreht. Sie hatte das Gefühl, zu allen Menschen gut sein zu müssen. Man kannte sie nicht wieder. Kristin war wie üblich sauer, weil sie in dieser Nacht einmal mehr begriff, wie weit entfernt Karla von ihnen lebte. Sie war der einsame Stern am Himmel.

      Erst um Mitternacht wurde ihre Freude etwas gedämpft.

      Sie hatte gerade einen Kunden bedient, einen schwierigen noch dazu, und war jetzt ganz schön geschafft. Als sie mit ihm in die Bar zurückkam, saß Verden an der Theke und wurde von Mäxi bedient.

      Der Kunde ging schnell davon, er wollte nicht erkannt werden, weil er eine Lokalgröße dieser Stadt war. Verden hatte ihn trotzdem erkannt, tat ihm aber den Gefallen und verhielt sich, als hätte er ihn nicht bemerkt.

      »Hallo, wieder auf Streife?«

      »Ein zweiter Mord, Karla.«

      Sie zuckte zusammen.

      »Wieder eine Dirne?«

      »Wieder eine Dirne, auch sie wurde erwürgt.«

      Sie bekam eine spitze Nase. »An der gleichen Stelle?«

      »Nein, etwas weiter davon entfernt.«

      »Es ist also derselbe Täter?«

      »Wohl anzunehmen, wie die Dinge liegen.«

      Die drei Dirnen gruppierten sich um Karla und den Kommissar.

      »Verflucht, dann ist man ja seines Lebens nicht mehr sicher. Ich lasse mich jetzt nur noch in Begleitung sehen.«

      »Nichts gehört von einem Abartigen, Karla?«

      Sie schüttelte den Kopf.

      Verden war unglücklich. »Ich weiß nicht, wo wir anfangen sollen. Man fühlt sich so hilflos.«

      »Es ist also ein Triebtäter, nicht wahr?«

      »Ja, ich glaube daran, denn ich kann mir nicht denken, dass sie ihn auch betrogen haben soll, zumal es nicht ihr Stil war.«

      »Du hast sie also gekannt?«

      Karla kam es ein wenig merkwürdig vor, aber sicher musste er alle Dirnen kennen. Schließlich war er oft genug in der Strichstraße und kontrollierte die Mädchen, ob sie auch rechtzeitig den Arzt aufsuchten.

      »Ich habe sie gut gekannt. Sie war eine von den Verlässlichen. Deswegen tut es mir ja auch so leid, dass es sie erwischt hat. Man könnte vor Wut zerspringen. Vielleicht liegt er schon wieder auf der Lauer.«

      »Und was sagen die Mädchen dazu?«

      »Ihr seid ja geschützt in gewisser Weise, ganz bin ich auch noch nicht davon überzeugt. Doch die auf der Straße haben jetzt wirklich keinen leichten Stand, weil sie ja Geld verdienen müssen.«

      »Dann sollen die Luden besser aufpassen.«

      »Das werden sie wohl in Zukunft. Ich habe mit ihnen gesprochen. Sie wollen jetzt eine Art Wache aufstellen und sich jede Wagennummer merken. Wenn wieder ein Mord passiert, dann müssen wir alle Kunden abgrasen.«

      »Prost Mahlzeit, darauf warten die auch gerade.«

      »Ich weiß, es wird eine heikle Angelegenheit sein.«

      Karla ging nach Hause und schlief sich aus. Am Morgen dachte sie nicht mehr an den Mord, sie wollten ja einen Ausflug unternehmen.

      7

      Sie konnte nicht sagen, wann sie das letzte Mal so glücklich gewesen war. Claudia war entzückend. Karla und sie wurden Freunde. Es war schön, mit ihr und Vera durch die Wälder zu streifen. Karla ließ das wirkliche Leben einfach hinter sich und war nur noch eine junge Frau. Auch Vera genoss es in vollen Zügen.

      Einmal sprachen sie über den Mord. Karla versicherte, dass sie nicht darunter falle. »Er meint nur die ganz einfachen Dirnen«, erklärte sie der Freundin.

      »Aber warum?«

      »Wenn das die Polizei weiß, dann hat sie in der Regel auch bald den Mörder. Lass uns nicht mehr davon reden.«

      »Du hast recht.«

      Sie besuchten eine Gaststätte, um etwas zu essen, dann fuhren sie zu der kleinen Wohnung zurück. Auch dort blieben sie noch zusammen. Karla hatte jetzt das Gefühl, sie wären eine verschworene Gemeinschaft. Sie konnte Vera gar nicht sagen, wie glücklich sie darüber war. Sie nahm sich vor, ein anderer Mensch zu werden.

      Karla hatte viel Geld zur Verfügung, Vera nicht. Aber sie verstand es ausgezeichnet, sie das nicht merken zu lassen. Irgendeine Kleinigkeit brachte sie immer mit und redete sich damit aus, dass sie ja ständig käme und nicht umgekehrt. Sie hatte noch Scheu davor, der Freundin ihre vornehme Wohnung zu zeigen. Hier war es ja auch viel gemütlicher, und Claudia nahm sie voll in Anspruch. Sie machte mit ihr Schularbeiten, oder sie lasen sich gegenseitig etwas vor. Sie sahen gemeinsam Filme im Fernsehen an und gingen schwimmen, wenn Vera Überstunden machen musste. Sie liebte Claudia so sehr, dass Vera nach zwei Wochen fragte: »Ich begreife nur eins nicht, Karla, du verstehst dich so wunderbar mit Kindern, warum hast du kein eigenes Kind?«

      »Das liegt doch auf der Hand.«

      »Nein, da komme ich nicht mit. Du hast doch Geld genug und könntest ein Kind gut versorgen. Schau mich doch mal an.«

      »Eines Tages wird es erfahren, was ich von Beruf bin und dann?«

      »Herrje, Karla, die Zeiten werden sich doch mal ändern. Und wer weiß, vielleicht findest du einen Mann, der dir zusagt.«

      »Das glaube ich nicht. Lass mir also die Freude mit Claudia.«

      »Manchmal bin ich richtig eifersüchtig. Du bist ausgeglichen und hast viel mehr Zeit für meine Kleine. Sie spricht nur von dir. Und ich bin die Mutter.«

      »Das wirst du auch bleiben. Wenn wir zwei beisammen sind, dann spricht sie nur von dir.«

      Veras Augen leuchteten auf. »Tut sie das wirklich?«

      »Wenn ich es dir doch sage!«

      Da war sie wieder zufrieden.

      Nun kannten sie sich schon einen Monat, und nichts trübte ihre Freundschaft. Sie hatten sich sogar vorgenommen, zusammen in Urlaub zu gehen.

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