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König, eine sorgfältige Zeitungsleserin, erkannte den Toten: „Christian Weise, mit Spitznamen Zwerg Nase, ein Stadtverordneter der Leininger Volkspartei.“

      Na prima. Verehrter Dr. Rupp. Todesursache?

      „Man hat ihm den Schädel eingeschlagen; vermutlich mit dem Knüppel da.“

      „Und wann so ungefähr?“

      „Gestern Abend gegen dreiundzwanzig Uhr, denke ich.“

      „Da war es doch schon dunkel.“

      „Wie im Kohlenkeller ohne Lampe.“

      „Was treibt einen Stadtverordneten in der Finsternis an diesen ungemütlichen Ort?“

      „Die Hoffnung oder Erwartung, hier jemanden zu treffen, der oder die auch Wert darauf legt, nicht gesehen und erkannt zu werden.“

      „Der oder die ist mit dem eigenen Auto gekommen und weggefahren?“, fragte Lene spitz.

      „Anzunehmen, ja. Wenn es ein erotisches Treffen mit sexuellen Folgen gewesen sein sollte, werden wir Spuren in diesem Wagen finden.“

      „Dann mal fröhliches Schaffen“, wünschte Lene und fuhr zum Amtsgericht. Staatsanwalt Dobbertin wollte gerade zu einer Verhandlung und sie machte es kurz. „Ja, Zwerg Nase kenne ich, nicht persönlich, sondern aus der Presse. Bis morgen dann, Frau Schelm.“

      Bei diesem Toten wäre jeder Versuch, den Mord geheim zu halten, so sinnlos wie schädlich gewesen; die Pressekonferenz war so gut besucht wie schon lange nicht mehr.

      „Tut mir leid, meine Damen und Herren, es gibt noch keine Einzelheiten, die ich Ihnen mitteilen könnte … Ja. Erschlagen … und bisher kein Verdacht, keine Vermutung, wer es gewesen sein könnte … ja, es war finster, wir vermuten auch, dass Weise dort mit jemandem verabredet war, und er oder die nicht wollten, dass man sie zusammen sah … keinerlei Hinweis auf einen Raub, keine Zeugen … wir hoffen, dass uns jetzt Weises Freunde und Parteigenossen weiterhelfen können.“

      „Wenn die wollen“, bemerkte ein Kollege vom „Morgenblick“.

      „Sein Tot löst bestimmt keine großen Trauer aus.“

      Viel mehr wussten Lene und Staatsanwalt Dobbertin nicht mitzuteilen, dem, wie sie sich beim „Abendgebet“ ausdrückte, der Arsch auf Grundeis ging, weil er es nun möglicherweise mit einem politischen Motiv zu tun hatte. Und damit konnte man leicht anecken, was ein Mann wie Dobbertin besonders fürchtete.

      Fünfzehntes Kapitel

      K-Technik und Gerichtsmedizin halfen weiter. Im Verlauf der nächsten Tages stellte sich heraus, dass der Knüppel neben der Fahrertür tatsächlich die Mordwaffe war, das Blut an dem einen Ende gehörte zu Christian Weise, aber interessanter war, dass es am anderen Ende ein glattes Stück Stock gab, an dem menschliche DNA-haftete, die sich sichern und auswerten ließ. Ergebnisse allerdings erst in zwei, drei Tagen.

      Natürlich berichteten alle drei in Tellheim erscheinenden Zeitungen, Landeszeitung, Tageblatt und Morgenblick ausführlich über den gewaltsamen Tod des Stadtverordneten Christian Weise, mit Spitznamen Zwerg Nase genannt wegen seines großen Riechkolbens und seiner Neigung, denselben in alles zu stecken, was ihn nichts anging. Beliebt war er nicht gewesen, weder im Rathaus noch in seiner Partei. Und eindeutig auch in den drei Redaktionen nicht.

      Kuno Traube hatte nach der Zeitungslektüre eine Vermutung, was Zwerg Nase in dunkler Nacht zur Ruine Falkenweide getrieben haben mochte; aber er hütete sich, darüber zu sprechen, erst recht nicht mit der Polizei. Karin Lochner kam an diesem Tag nicht zur Arbeit; sie meldete sich über Mittag telefonisch krank. Zu ihrer Krankheit konnte oder wollte sie nichts sagen. Kurz nach Mittag rief Ulrich Scheuren bei Lene Schelm an.

      „Hat das was mit unserem ‚Geheimnis‘ zu tun?“

      „Wie kommen Sie darauf“, erkundigte sie sich verblüfft.

      „Wir haben, wie verabredet, einen jungen Mann mit dem Geld zur Falkenweide geschickt, und der Mann, der dort auf ihn wartete, kannte die korrekte Parole. Er hat ihm den Aktenkoffer übergeben. Aber in den Zeitungen und im Radio wird nichts von einer halben Million erwähnt.“

      „Und Sie meinen, der Geldempfänger war Zwerg Nase?“

      „Ist doch möglich – oder? Immerhin war Weise auch Vorsitzender des Unterausschusses Kultur und Schulen.“

      „Und wer hat Weise den Aktenkoffer später abgenommen?

      „Er hatte nicht nur Freunde.“

      „Freundinnen“, verbesserte Lene, die sich etwas umgehört hatte und jetzt vergeblich versuchte, das Blatt zu finden, auf dem sie einen mithilfe der Nadel herausgefundenen Namen und Adresse notiert hatte. Ah, da war er ja. Eine Kopie steckte schon in der Akte. Die Begriffe Papier und Polizei fingen beide nicht zufällig mit dem Buchstaben P an.

      Sina kam erst an die Tür, nachdem Lene Sturm geklingelt hatte und knöpfte noch hastig einen dünnen Morgenmantel zu. Darunter war sie nackt und es bestand kein Zweifel, dass sie gerade ihrem Metier nachgegangen war.

      „Ihr Kunde interessiert mich nicht“, beruhigte Lene. „Ich will nur wissen, ob Sie in den letzten Tagen einem Kunden ein- oder mehrmals Ihr Handy geliehen haben. Und den Namen.“

      Sina lief rot an: „Aber ich kann doch nicht …“

      „Wenn er zufällig Christian Weise heißt, kann ich Sie beruhigen. Er wird nicht mehr kommen, er ist ermordet worden.“

      „Das ist doch ein schlechter Witz!“

      „Mit dem Tod scherzt nicht einmal die Kripo. Haben Sie das oder die Gespräche belauscht?“

      „Ich hab’s versucht, aber nur das Wort Stockenstein verstanden.“

      „Stockenstein?“

      „Ja. Ein Kunde, der nicht zahlen konnte, hat mir zwei Ferkel geschenkt, die jetzt auf dem Ökohof Bleicher aufwachsen.“

      Lene hatte von dieser Geschäftsmethode schon gehört.

      „Danke, Sina, das war’s schon.“

      Vom Auto aus rief sie Ulrich Scheuren an: „Gute Nachrichten … nein, nicht am Handy. Heute Abend neunzehn Uhr in der Spätlese?“

      „Ich freue mich.“

      „Ich mich auch.“

      Über diese drei Wörtchen sann sie lange nach. Sie hatte sie spontan gesagt, aber je länger sie darüber nachdachte, desto ehrlicher kamen sie ihr vor.

      Zwei aufgeregte Männer überfielen sie am Nachmittag im Büro, Arne Wilster, humpelnd am Stock, und Egon Kurz, hüpfend wie ein Gummiball.

      „Wir haben doch fremde DNA an dem Knüppel gesichert, mit dem Weise erschlagen worden ist. Stell dir vor, die kennen wir!“

      „Nein.“

      „Doch! Der Fall Gerhard Träger. Erinnerst du dich noch?“

      Gerhard Träger war vor zehn Jahn morgens von seiner Haushälterin im Bett gefunden worden, gestorben an einer Überdosis eines Betäubungsmittels. Er musste eine Frau im Bett gehabt haben, die an einer Spritze Fingerabdrücke und DNA hinterlassen hatte. Während ihr Kunde starb, hatte das Callgirl entweder alleine oder wahrscheinlicher mithilfe eines Kumpanen die Wohnung leer geräumt.

      DNA und Abdrücke des Callgirls waren nicht registriert, ein Pärchen, das mit dieser Methode arbeitete, hatten sie seinerzeit nicht gefunden. Nur ein Schmuckstück aus der Träger-Wohnung sollte auf einer Auktion versteigert werden. Ein Kuno Traube, An- und Verkauf in der Feuerstraße, hatte es von einem Kunden als Pfand angenommen, aber dieser Gregor Woslowski existierte wohl gar nicht oder war aus guten Gründen unter falschem Namen unterwegs.

      Die Pressekonferenz in Sachen Weise wurde lebhaft und lang.

      „Meine Damen und Herren, wir können etwas zu der Täterin sagen … ja, eine

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