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Grenze!

      Es war für mich als junger, mittelloser Bursche ein Vergnügen, im Auto mit einigen älteren Jungs zum Kino nach Hillesheim oder Prüm12 mitreisen zu dürfen. Falls die Filme in Hillesheim uns nicht als interessant genug erschienen, peilten wir meistens unsere Kreisstadt oder Gerolstein an. Der Weg in das weiter entfernte Daun kam selten infrage. Wir Schüllerer sahen dort keinen lohnenden Anziehungspunkt. In den Sechziger- und Siebzigerjahren liefen viele Filme mit Freddy Quinn über seine Seeabenteuer. Als sehr prägend und interessant erinnere ich mich an die jeweilige viertelstündige Wochenschau (eine Art Weltnachrichten) vor dem eigentlichen Filmstart. Gern mochte ich den Schauspieler Hansjörg Felmy. Unsere frühere Kreisstadt Prüm (bis Ende 1970) und das angrenzende Belgien hatten eine außergewöhnlich starke Anziehungskraft. Besonders die amerikanische Radarstation auf dem Berg Richtung Schwarzer Mann steuerten wir zielorientiert an vielen Samstagabenden an. Die Treffen mit den dortigen Soldaten, gleich welcher Hautfarbe, in deren Bar, stellten nach meiner Erinnerung ein fast exotisches und fremdartiges Erlebnis dar. Es gab keine Zufahrtsbehinderung an der Einfahrtsschranke. Wir zeigten unseren Personalausweis und waren im Radargelände, wie wir den Bereich allgemein nannten. Die dortigen Soldaten erschienen uns nicht so arm, da sie nicht zur Infanterie gehörten, sondern zur Gattung der Luftwaffe. Die Unterhaltungen waren hin und wieder etwas kompliziert. Als Einziger unserer Truppe konnte ich mit meinen Englischkenntnissen aus der Handelsschulzeit und aus der Fernsehserie „Walter and Conny“ mit einfachen Worten als Dolmetscher dienen. Mit einem relativ preiswerten Glas Whisky in der Hand, welches uns die Soldaten auch spendierten, war es ohnehin unmöglich, große Debatten und Diskussionen über die Weltpolitik oder die gesellschaftliche Situation der US-Soldaten und ihrer Angehörigen vom Zaune zu brechen. Dennoch erreichten wir mit Wortbrocken einfacher Sprache in gewisser Weise nette und witzige Unterhaltung. Besonderer Vorteil war, dass einige schon längere Zeit in Prüm stationierte Soldaten bereits passable Deutschkenntnisse erlangt hatten. Nach mehrmaligem Kommen waren wir bekannt und wurden freundlich begrüßt.

      Selbst hatte ich mir noch kein Auto leisten können und erhielt unsere Familienkutsche zum Besuch meiner Freundinnen in anderen Orten.

      Eines Tages kam Vater von seinem Dienst und meinte humorvoll: „Na, hast du letzte Nacht sehr lange an der Straße nach Birgel am Steinbruch geparkt?“ Klar, dass ich ihn sehr verdutzt anschaute und dann hörte: „Mein Kollege Hans kam aus Gerolstein und erkannte mein Auto dort weit nach Mitternacht.“

      „Ja, ich war mit Brigitte dort, von der ich doch schon erzählt habe. Mit ihr und ihren Eltern war ich letzten Sonntag in deren Kirche zum Hochamt und bin anschließend dortgeblieben.“ Nun wurde mir bewusst, welchen Bekanntheitsgrad Autos haben können.

      Aus alten Zeiten rücken einige prägnante Ereignisse in den Mittelpunkt meiner Gedanken. Wenn ich in der Küche aus dem Fenster schaute, war häufig zum Wochenende ein Motorrad auf der kurvigen Straße aus Jünkerath zu beobachten. Links neben dem Haus auf der Wiese oder der Terrasse konnte man ein wunderbares sonores Geräusch hören. Ach ja, das musste Kurt sein. Er kam aus dem Raume Nürnberg zum Wochenende nach Hause. So saß er jedenfalls besser auf seiner 500er BMW als auf seinem Bagger, mit welchem er die Erde zum Bau der Autobahn A 3 aus Richtung Frankfurt nach Nürnberg schaufelte. Nach einiger Zeit leistete er sich ein komfortableres Gefährt.

      Sein erstes Auto war ein weißer Opel Rekord, kantig wie die damaligen Karossen konstruiert waren und die Straßen belebten, manchmal rasant vorbeirauschten. Ich sah ein mit vier Türen ausgestattetes, herrlich weiß leuchtendes Fahrzeug vor mir. Kürzlich entdeckte ich an einer mehrspurigen Straßenkreuzung ein Modell, wie er es fuhr.

      An einem sonnigen warmen Frühlingstag, ich trug bereits ein kurzärmeliges Hemd, jedoch noch keine kurze Hose, meinte er: „Möchtest du mal mit meinem Auto fahren?“

      „Na klar, das wäre prima, wenn ich das probieren dürfte.“

      Mir fehlte noch jegliche Erfahrung mit einem solchen Gefährt. In Windeseile instruierte er mich zu den wesentlichen Bestandteilen des Fahrzeugs. Die Lenkradschaltung glaubte ich, nachdem er mir deren Funktionsweise vorgeführt hatte, problemlos steuern zu können. Ich startete in der Dorfmitte vor der Kirche und erreichte nach den vielen Kurven und dem zwölfprozentigen Gefälle nach etwa zehn Minuten Fahrt durch den langgestreckten Ort Jünkerath den dortigen Bahnhof als Ziel. Hier wollte ich wenden und zurückfahren. Vor dem wunderbar rötlich schimmernden Backsteingebäude fuhr ich vorwärts bis etwa zwei Meter vor die Eingangstreppe. Das Anhalten und Bremse anziehen war für mich ein Kinderspiel. Ein jeder konnte mich stolz wie Oskar als Autobesitzer aussteigen sehen und beobachten, wie ich den Wagen von allen Seiten eingehend betrachtete. Ich freute mich des Lebens. Eine Übernachtung war hier nicht geplant, ich musste zurück, einhundert Meter hoch auf den Berg nach Hause und den Leihwagen abgeben. Na ja, wie so schön gesagt wird, hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die Lenkradschaltung war erheblich anders zu betätigen als die Knüppelschaltung im damaligen VW-Käfer meiner Fahrschule. Der Opel fuhr nach Loslassen der Kupplung fortan scheibchenweise weiter nach vorne auf die Eingangstreppe zu. Ich stoppte, schaltete mehrfach mit dem Hebel am Lenkrad rechts, um den Rückwärtsgang einzulegen. Mein Gefährt wollte seine Fahrt ausschließlich zentimeterweise vorwärts fortsetzen. Sollte ich verzweifeln? Nein, natürlich nicht. Der häufig vom Vater gehörte gute Ausspruch durchzuckte mein Gehirn: „Du darfst so dumm sein wie ein schwarzes Ferkel, du musst dir nur zu helfen wissen.“ Prima, die Rettung sah ich im Rückspiegel auf der Straße.

      Rasch öffnete ich die Tür, um einen Passanten zu rufen: „Ob Sie mir wohl mal helfen könnten? Ich kann nicht rückwärtsfahren, irgendwie klappt es mit der Schaltung nicht.“

      „Na klar, ich komme. Das ist doch kein Problem. Ich habe einen Renault 4 mit Lenkradschaltung.“

      Er hantierte an dem Hebel, legte den Rückwärtsgang ein und schon stand das Auto parallel zum Gebäude an der rechten Straßenseite. Jedenfalls fuhr ich auf dem Weg zurück nur vorwärts zum Treffpunkt, um den Wagen ohne Blessuren übergeben zu können. Übung macht den Meister.

      Die Tage und Wochen vergingen, ich hatte Kurt wegen seiner auswärtigen Montagetätigkeit eine Zeit lang nicht gesehen, dann trafen wir uns zufällig, wieder in der Dorfmitte. Diese Stelle schien immer eine magnetische Funktion auszuüben. Er meinte, da ich so gelangweilt ausschaute, ob ich ihn auf eine Baustelle weit südlich von Prüm begleiten wolle. Er hatte an einem Samstag einen Auftrag abzuschließen. Da ich mit dem Rad dort war, musste ich zuerst nach Hause, um Bescheid zu geben. Er kam mit seinem VW-Bus zu uns und wir starteten von dort, um nach etwa vierzig Kilometern die Baustelle zu erreichen.

      Es war ein Fahrzeug seiner damals in Jünkerath ansässigen Baufirma. Bevor er sich auf die Firmenraupe setzte, meinte er: „Wenn du willst, kannst du den Bus nehmen und hier auf dem Gelände etwas üben.“

      Ich muss schon sagen, er war so nett und großzügig mir gegenüber. Ein Schlitzohr schien er zu sein – im Hinterstübchen musste er doch so handeln, da er Interesse an einer meiner Schwestern hatte. Ohne Bedenken nahm ich den erfreulichen Vorschlag an. Ruck, zuck saß ich auf dem Fahrersitz; er beachtete mich nicht, hatte ja genug zu erledigen.

      Somit fuhr ich auf dem Gelände hin und her, bis das Fahrzeug fast in eine Enge zwischen einigen Erdhügeln eingeklemmt war. Nur durch Rückwärtsfahren konnte mich aus dieser misslichen Lage befreien. Parksensoren oder gar eine Rückwärtskamera waren vor fünfzig Jahren noch unbekannte technische Möglichkeiten. Mir fehlte im VW-Bus die Übersichtlichkeit, da ich das Gelände mangels Rückfenster nur durch den Außenspiegel einsehen konnte. Die Topografie wies zu allem Ungemach eine leichte Hanglage auf und im unteren Bereich lagerten sogar Steine. Es machte leicht „Bauz“, „Bumm“ und „Krr“ und ich hatte dem Fahrzeug eine ordentliche Delle verpasst. Auch ein Rücklicht war gesplittert. Weder eine Schelte noch eine andere Missbilligung hörte ich von dem lieben Freund. Es war halt ein Baufahrzeug, was Derartiges erleiden musste.

      Bevor Karl und Kurt ein vierrädriges Vehikel ihr Eigen nennen konnten, hatte ich das Vergnügen, auf deren Motorrädern als Sozius Platznehmen zu dürfen. An eine bestimmte Straße im Kreis Daun, die „Himmelsleiter“, erinnere ich mich überaus gut. Kurt drehte seine 500er BMW so auf, dass der Tacho fast die Zahl Zweihundert zeigte. Tempoangst kannte ich überhaupt niemals und fühlte

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