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Vom Reich der Mitte über das europäische Mittelalter bis zur Ära des modernen Rassismus: Vorurteile gegenüber Fremden begleiten uns Menschen seit Jahrtausenden.

      Xenophobie, in Form von Araberphobie, Islamophobie oder Negrophobie – Ressentiments gegen andere Menschengruppen existieren zu allen Zeiten. Die Ursachen hierfür sind schwer zu ergründen, die Rechtfertigungen für Fremdenfeindlichkeit in unseren Gesellschaften verändern sich häufig (03).

      Die Angst oder Scheu vor dem Fremden ist zunächst einmal etwas biologisch Notwendiges, ein Schutzmechanismus, der lebensrettend sein kann. Dieser Mechanismus muss sich jedoch nicht notwendigerweise zu Rassismus steigern, im Rahmen dessen die normale Angst vor Fremden umschlägt in Fremdenhass und aggressive Handlungen gegenüber Fremden.

      Xenophobie ist im heutigen Europa zumeist Islamophobie. Hauptverantwortlich hierfür ist vor allem der islamische Terrorismus, auch werden islamische Migranten oft als wirtschaftliche Bedrohung wahrgenommen. Das Verhältnis zwischen Morgenland und Abendland, also zwischen muslimisch und christlich geprägter Welt, schürt Ressentiments, der Jahrhunderte lange Konflikt zwischen Islam und Christentum samt Kriegen und Kreuzzügen hat die Fronten verhärtet. So behaupten viele Christen, ihre Religion wäre die des Friedens, während der Islam die Konfession der Gewalt sei. Das ist so nicht richtig, denn auch die als friedsam bezeichnete christliche Religion hat Gräueltaten und Vernichtungsstrategien begangen, wie sie auch der Islamische Staat heute kaum radikaler zustande bringt (04).

      Fremdenfeindlichkeit ist hierzulande heutzutage beinahe gleichzusetzen mit Muslimfeindlichkeit.

      Eine Studie der Forscher und Soziologen Oliver Decker und Elmar Brähler von der Universität Leipzig zum Thema Autoritarismus verdeutlicht dies.

      Für die 328 Seiten lange repräsentative Studie wurden zwischen Mai und Juli 2018 2416 Menschen in Deutschland (West: 1918, Ost: 498) interviewt. Die Forscher beobachten seit 2002 die Einstellungen der Deutschen zum Rechtsextremismus, bislang bekannt unter dem Namen "Mitte-Studien der Universität Leipzig". Sie erscheint alle zwei Jahre, nun unter dem Namen "Leipziger-Autoritarismus-Studie".

      Die Befragung in der Kategorie Ausländerfeindlichkeit zeigt, dass 24 Prozent und damit rund ein Viertel der Deutschen eine ablehnende Haltung gegenüber Ausländern haben. Deutlich wird dabei ein Ost-West-Gefälle. Während im Westen 22% der Befragten ausländerfeindlich eingestellt sind, sind es im Osten 31%.

      Insgesamt stimmen 36% der Deutschen der Aussage zu, dass Ausländer nur hierherkommen, um den Sozialstaat auszunutzen. Über ein Viertel würde Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken, wenn in Deutschland die Arbeitsplätze knapp werden. Rund 36% halten die Bundesrepublik durch Ausländer in einem gefährlichen Maß für "überfremdet". Bei all diesen Antworten stimmen Ostdeutsche öfter zu als Westdeutsche. Obwohl interkultureller Austausch im Alltag stattfindet, werden Vorurteile offenbar nicht abgebaut. "Die Ausländer bleiben ein gewohntes Feindbild“.

      Deutlich zeigt sich, dass Menschen mit Abitur viel seltener rechtsextrem sind als jene ohne Hochschulreife. Außerdem erreichen Männer in allen Kategorien, höhere Werte als Frauen. Weitaus mehr Männer (26,3%) stimmen zum Beispiel ausländerfeindlichen Aussagen zu als Frauen (22,2%). Ältere Befragte tendieren eher zu rechtsextremen Positionen als jüngere.

      "Erschreckend hoch ist die Abwertung von Muslimas und Muslimen angestiegen", sagt Studienleiter Elmar Brähler.

      44,1% der Befragten finden, dass Muslimen die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden sollte. In den neuen Bundesländern sieht das sogar jeder Zweite so. Der Anteil derer, die sich "durch die vielen Muslime wie ein Fremder im eigenen Land fühlen", ist 2018 in Deutschland ebenfalls gestiegen. Die Vorbehalte gegenüber Asylsuchenden sind gleich geblieben - allerdings gleich hoch. Vier von fünf Befragten finden, über Asylanträge sollte nicht großzügig entschieden werden. Dies werten die Forscher als Kritik an Flüchtlingen, nicht aber am Vorgehen der Verwaltung, die über Anträge entscheidet (05).

      Die Ergebnisse der Leipziger Studie sind wenig überraschend, verhält es sich doch so, dass in Zeiten einer hohen Zuwanderung die Fremdenfeindlichkeit tendenziell zunimmt.

      Die Fronten zwischen der einheimischen Bevölkerung und der stetig wachsenden Zahl an Zuwanderern scheinen verhärtet. Das Ziel muss sein, sich auf einen Konsens für die universalen Menschenrechte zu verständigen, so schwer dies auch sein, so unerreichbar ein solcher Ist-Zustand aus heutiger Sicht auch erscheinen mag.

      Sonst entstehen parallele Subgesellschaften, die sich gegen feindseliges Verhalten mit Abwehr, Distanz, Rückzug oder aufgrund ihrer schwachen sozialen Position auch mit verdeckter oder offener Aggression wehren.

       03

       Flüchtlinge – gab es die schon immer?

      Flucht und Vertreibung existieren, seitdem die Menschen auf der Erde wandeln. Kriege, Missernten, Verfolgung, wirtschaftliche Not, Umweltkatastrophen oder fehlende Lebensperspektiven – die Motive, warum Menschen ihre Heimat verlassen, sind vielfältig.

      Schon in der vorchristlichen Bronze- und Eisenzeit gibt es zwischen verschiedenen Stämmen Auseinandersetzungen um Jagdreviere, Siedlungsorte und Frauen als Fortpflanzungspartner. Die Überlebenden des unterlegenen Stammes müssen schlussendlich ihre Heimat verlassen und an anderer Stelle sesshaft werden.

      Auch in der Bibel sind Unterdrückung und Flucht allgegenwärtig. So wird Moses von Gott auserkoren, das Volk Israel von seinem Sklavendasein in Ägypten zu befreien, und führt sein Volk ins gelobte Land nach Kanaan. Viele Historiker vertreten die Ansicht, dass der Auszug aus Ägypten im Alten Testament auf wahren historischen Begebenheiten im 13. Jahrhundert vor Christus beruht.

      In der Antike und zur Römerzeit werden viele Volksgruppen wegen ihres Glaubens und ihrer Kultur vertrieben. Auch das Ende des Römischen Reichs und der Beginn des Mittelalters stehen in engem Zusammenhang mit massenhaften Flüchtlingsbewegungen, die meist unter dem verharmlosenden Begriff "Völkerwanderung" zusammengefasst werden.

      Auf der Flucht vor den Hunnen, einem aus Zentralasien anrückenden Reitervolk, machen sich viele germanische Stämme auf den Weg nach Westen. Sie ersuchen darum, sich im Römischen Reich niederlassen zu dürfen, was ihnen 376 nach Christus auch gewährt wird.

      Die Integration indes schlägt fehl, es kommt zu Aufständen. Immer neue Volksstämme ziehen in den folgenden Jahrzehnten aus Norden und Osten Richtung Römisches Reich, wo sie sich ein wirtschaftlich und politisch besseres Leben erhoffen. Als Folge der mannigfaltigen, zum Teil mit Gewalt erzwungenen Völkerbewegungen zerfällt Rom in viele kleinere Reiche, in denen der Grundstein für das heutige Europa gelegt wird.

      In den folgenden Jahrhunderten sind es immer wieder Kriege aufgrund von Territorialinteressen oder infolge religiöser oder rassistischer Überzeugungen, die zu Flucht und Vertreibung führen. Der dreißigjährige Krieg oder beide Weltkriege im 20. Jahrhundert, in deren Folge Millionen Menschen ihre Heimat verlieren, sind die bedeutendsten unter vielen.

      Auch Missernten sind Ursachen für Fluchtbewegungen. So machen sich Mitte des 19. Jahrhunderts nach mehreren schlechten Kartoffelernten und der dadurch grassierenden Hungersnot knapp zwei Millionen Iren auf den Weg nach Amerika, Australien und Großbritannien.

      Seit Ende des 20. Jahrhunderts haben sich die Flüchtlingsbewegungen zunehmend globalisiert. Zwar bilden kriegerische Konflikte weiterhin oftmals die Ursache, doch mehr und mehr spielen auch andere Gründe eine Rolle, infolge derer Menschen ihre Heimat verlassen: Armut, Hunger, Umweltkatastrophen und fehlende Lebensperspektiven. Auch Eingriffe in die Natur wie zum Beispiel Flussbegradigungen oder Staudämme ziehen immer wieder Fluchtbewegungen nach sich.

      Die westlichen Industrienationen verheißen zurzeit am meisten Sicherheit und Wohlstand und sind somit zum Ziel von Millionen Flüchtlingen aus armen und konfliktbeladenen Regionen, vor allem aus Afrika und Asien, geworden. Besonders die USA sowie die Staaten der Europäischen Union sind beliebte Ziele.

      Die Flüchtlinge nehmen dafür große Strapazen und hohe finanzielle Belastungen in Kauf und riskieren nicht

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