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steure ich «Toniz Pizza» an und bestelle mir eine italienische Mafiatorte mit Thunfisch und Krevetten, dazu eine Cola. Nach der Schlemmerei fühle ich mich halbwegs menschlich und entschliesse mich spontan, hierzubleiben. Für den Moment soll es genug sein. Ich bolzte in den letzten Tagen ziemlich viele Kilometer und deshalb gönne ich mir eine Nacht auf dem hiesigen Campingplatz. Kaum ist die Behausung aufgestellt, setzt der Regen ein. Nach der heissen Dusche wasche ich Unterwäsche, Socken und T-Shirt im Lavabo von Hand aus und hänge das feuchte Zeug auf eine Wäscheleine, die unter dem Dach aufgespannt ist. Nach Maniküre und Pediküre packe ich die Wertsachen in den Fotorucksack. Der Rest meiner Habseligkeiten platziere ich wie gewohnt in der abschliessbaren Molly.

      Der Regenschirm leistet mir beim Stadtbummel gute Dienste. Leider ist die eindrückliche Altstadt bei dem Schmuddelwetter nicht gerade einladend und ich finde rasch Unterschlupf im warmen Café der Bäckerei Göbel. Bei Cappuccino und Kuchen lasse ich es mir gut gehen und kann meine Seele baumeln lassen.

      Zurück auf dem Campingplatz treffe ich den Radler Felix, der sich hier vor dem Regen auch in Sicherheit gebracht hat. Er ist nicht gerade wasserdicht ausgerüstet und so geniesst er den trockenen Unterstand umso mehr. Sein Plan sieht vor, von seinem Wohnort in der Nähe von München bis nach Nordspanien zu pedalen. Mein persönlicher Plan für heute Abend ist schnell gefasst: Noch mehr Kalorien in meinen Körper pumpen! Felix hat keine Lust, mitzukommen uns deshalb lasse ich mich im «Hula», einem Tex-Mex-Schuppen, allein nieder. Die Speisekarte strotzt vor fetttriefendem Junkfood; genau das Richtige für mich! Das trendige Restaurant scheint auf Burger spezialisiert zu sein. Soll es der «Burger Hawaii» sein? Oder gar der «Hula Tower» mit 3 x 200 Gramm Rindfleisch? Das wäre aber selbst für mich, als immer hungrigen Wandersmann, ein bisschen zu viel. Ich entscheide mich für den «Alpen Max» mit einer Schicht Rösti, Käse, gebratenen Zwiebeln und Sour Cream. Das wunderbar saftige Stück Rindfleisch, das laut Speisekarte vom lokalen Metzger stammt, darf ich an dieser Stelle auch nicht vergessen zu erwähnen. Eine prächtige Portion Pommes rundet das Festmahl ab.

       Nasser Ruhetag

       Tag 17: Dienstag, 21. Mai 2019, 0 km (461 km)

      Es regnet die ganze Nacht in Strömen und ein Ende ist nicht abzusehen. Die Donau führt bereits sichtlich mehr Wasser und dieses fliesst schokoladenbraun daher. Ich konsultiere die Wettervorhersage online und diese verheisst nichts Gutes. Der gesamte Tag soll nass bleiben. Es werden anhaltende und ergiebige Niederschläge erwartet, bis zu 50 Liter Wasser pro Quadratmeter, örtlich sogar mehr. Bäche und Flüsse könnten über die Ufer treten. Ja, und die Donau fliesst nur 30 Meter hinter meinem Zelt in einer langen Schlaufe durch die Stadt. Im Hintergrund kann ich laute Sirenen hören. Ist die Feuerwehr schon fleissig am Keller auspumpen? Ich muss nicht lange überlegen und beschliesse, die Sintflut an diesem trockenen und geschützten Ort auszusitzen.

      Nachdem ich das Frühstück beendet habe, kriecht Felix aus seinem Zelt. Er habe in seinem dünnen Schlafsack erbärmlich gefroren und könne nicht mehr schlafen, jammert er. Da er keine Isoliermatte eingepackt hatte, lag er auf dem harten Boden. Er ist offensichtlich schlecht ausgerüstet und ich koche dem vor Kälte schlotternden Bayer einen starken Kaffee. Dankbar schlürft er den schwarzen Trank aus meiner Tasse und wärmt seine Finger am heissen Gefäss. Und so erzählt er aus seinem Leben: Er zähle 27 Jahre und sei nie einer geregelten Arbeit nachgegangen. Als der Hype mit der Kryptowährung Bitcoin losging, habe er mutig investiert und hatte Glück, dass sich sein Kapital sehr gut entwickelte. Er wusste früh, dass ein normales Leben mit Frau, Kindern, Haus, zwei Autos und Karriere nichts für ihn sei. Nur seinen Grosseltern zuliebe studierte er Psychologie. Er schrieb sich in einer Online-Uni ein und schaffte auf diesem Weg seinen Abschluss. Aber auf diesem Gebiet auch zu arbeiten, das würde ihm nie und nimmer einfallen. Er reiste viel, verbrachte eine intensive Zeit in Afrika und lebte dort über Monate in einer winzigen Bretterhütte. Nur Reis gab es da zu essen, von morgens bis abends nur Reis. Aber es ging ihm gut. Er lernte, sehr sparsam zu leben. Mit seiner Freundin verbrachte er ein Jahr auf einem Selbstversorger-Hof in Kalifornien und begann diese Lebensform sehr zu schätzen. Dann versuchten sie sich in Peru eine ähnliche Existenz aufzubauen, was aus verschiedenen Gründen nicht klappte. Aber ihr Traum, ein möglichst autarkes Leben zu führen, wollten sie nicht aufgeben. Und diese Idee ist der Ausgangspunkt seiner Fahrradtour. In Spanien gäbe es sehr viele verlassene Ortschaften. Ganze Gegenden seien wegen der stetigen Landflucht wie ausgestorben. So werde er radelnd potenzielle Niederlassungsorte auskundschaften. Er habe bereits eine Fülle von Kontakten mit Menschen geknüpft, die in Spanien schon Ähnliches aufgebaut hätten. Seine Freundin wird ihn Mitte Juli auf der iberischen Halbinsel treffen und anschliessend werden sie gemeinsam versuchen, ihre Vorstellungen in die Realität umzusetzen. Ich wünsche Felix und seiner Partnerin viel Kraft bei der Verwirklichung ihres Plans.

      Ich quartiere mich wieder für anderthalb Stunden in der Konditorei ein, um bei einem Kaffee und vor allem in der Wärme in die Tasten zu schlagen. Später schaue ich beim Supermarkt vorbei, um meinen Proviant zu ergänzen. Auf dem Nachhauseweg bemerke ich an der Donau erste Verbotsschilder: «Hochwasser, Wanderweg gesperrt». Die braune Brühe fliesst mit immer grösserer Wucht talwärts. Zurück auf dem Campingplatz treffe ich Nils, der mit seinem Kajak unterwegs ist und schon gestern hier Zuflucht fand. Er lässt seinen Kopf hängen, da für ihn das Hochwasser weitreichendere Konsequenzen mit sich bringt. Der Pegel sei bereits um über zwei Meter gestiegen und aus diesem Grund sei das Befahren des Flusses verboten. Und bis die Schliessung der Schifffahrt aufgehoben wird, kann es noch einmal ein oder zwei Tage dauern. Es ist eindrücklich, wie rasant der Pegel steigt. Vor einer guten Stunde war der schmale Pfad direkt am Fluss annähernd trocken begehbar, nun ist er völlig überflutet. Immer wieder schlendere ich an das Ufer, um das Schauspiel zu beobachten. Nils hält mich betreffend Hochwasser fortlaufend auf dem neusten Stand. Der maximale Pegel soll morgen Nachmittag, mit einem weiteren Zuwachs von einem halben Meter, erreicht werden.

      Am Abend gesellt sich ein holländisches Ehepaar zu unserer illustren Gruppe. Die beiden sind in ihren Sechzigern und begeben sich jedes Jahr auf eine Fahrradtour. Spontan laden sie uns zu einer Pasta Napolitana ein. Felix und Nils sind längst verpflegt und so bin ich der Einzige, der sich freut, mitzuessen. Frische Zwiebeln, Lauch und Karotten landen in der Sauce. Die Teigwaren sind bissfest und wir verdrücken die riesige Portion. Später ergibt sich eine lebhafte Diskussion über Gott und die Welt. Hauptthema ist aber die im Moment so aktuelle Klimadiskussion. Bis 22 Uhr schaffe ich es, mitzureden, dann verabschiede ich mich von meinen neuen Bekannten. Für mich fühlt sich diese Uhrzeit wie mitten in der Nacht an. Normalerweise schlüpfe ich mindestens eine Stunde früher in den Schlafsack.

       Peter von den Petri Jüngern

       Tag 18: Mittwoch, 22. Mai 2019, 45 km (506 km)

      Es hat praktisch aufgehört zu regnen. Wie vermutet, bin ich der Einzige, der vor 6 Uhr auf den Beinen ist. Beim Abmarsch ist noch immer niemand von den anderen nächtlichen Diskussionspartnern zu sehen und deshalb schleiche ich mich leise vom Platz. Es ist grau, kalt und der leichte Nieselregen kann meine Stimmung auch nicht heben. Zumindest fühle ich mich ausgeruht und ich kann feststellen, dass mir der gestrige faule Tag körperlich gutgetan hat. Aber irgendwie drückt das Wetter ein wenig auf die Laune. Ich beschliesse, bei diesem nicht gerade fotogenen Wetter die simple Route an der Donau entlang zu wählen und keine Abstecher durch die verschiedenen Ortschaften zu unternehmen. So spare ich etwa drei Kilometer Fussmarsch ein. Vielleicht ist das die falsche Entscheidung, weil es auf diese Weise keine Abwechslung gibt. Ich komme flott voran und wechsle schon vor dem Mittag in Ingolstadt die Flussseite. Die Stadt präsentiert sich bei diesem Wetter natürlich nicht von der besten Seite. Nur kurz schlendere ich durch die Altstadt und komme anschliessend wegen einer Baustelle beinahe nicht mehr an den Fluss hinunter. Eine Stunde lang gurke ich hin und her, bis ich wieder an die Donau zurückfinde. Ein bisschen niedergeschlagen setze ich mich auf eine Parkbank und belege mir ein Brötchen. Und wer kommt da unverhofft angeradelt? Es ist die Dame, die im Wald Angst vor den Rehlein hat! Ich komme mir vor wie im Film «Und täglich grüsst das Murmeltier» mit Bill Murray und Andie McDowell in den Hauptrollen. Bin ich in einer Zeitschlaufe gefangen? Verfolgt mich die Gute? Ist sie eine Stalkerin? Möglicherweise denkt sie dasselbe von mir. Sie habe zwei Nächte in Ingolstadt verbracht, um dem Dauerregen zu

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