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sich um eine Last leichter und nickte anerkennend.

      „Alles klar, mein Jung'. Ras' nicht so, es ist Schnee für morgen angesagt! Und schlaf gut.“

      Werner legte auf, noch bevor sein Enkel ihm eine gute Nacht wünschen konnte. Knut positionierte sein Smartphone an der Seite des Glastisches. Es hatte sich durch das kurze Gespräch spürbar erwärmt.

      Aus der Kommode, die mit schickem Wildeichenfurnier veredelt wurde und bündig zum Sofa stand, holte Knut ein feines Baumwolltuch, das sein Handy von unnötigen Fingerabdrücken und Verunreinigungen befreien sollte. Auch der gläserne Couchtisch erhielt eine feine, aber sehr gründliche Säuberung. Knut legte sich auf das lichtgraue Sofa und schlief unvermittelt ein.

      Die runde, hochwertig anmutende Leuchte, die direkt über dem Glastisch hing, brannte die komplette Nacht hindurch. Ein schmales Kabel, das die Stromversorgung von der Zimmerdecke bis zur Lampe gewährleistete, richtete Knut auf den Zentimeter genau aus, um eine gewisse Wechselwirkung zwischen Licht und Materie zu erreichen. Jeder Einrichtungsgegenstand zeigte eine andere Reaktion auf den spontanen Einfall von Licht. Die eichenfurnierte Kommode schluckte beispielsweise die meisten Strahlen der Beleuchtung und refektierte nur ein Minimum der auftreffenden Lichtquelle zurück. Der Glastisch haderte hingegen mit allem, was gemeinhin als massentauglich apostrophiert wird. Nicht nur, weil er auffallend fligran gearbeitet und mit einem feinen Dekor ausstaffert worden war, welches auf seine jugendstilistischen Ursprünge schließen ließ. Nein, vielmehr deshalb, weil der Tisch die Lichtstrahlen auf eine mystische Weise brach, die ohne Übertreibung als nicht von dieser Welt kommend bezeichnet werden darf. Ob das Glas eine besondere Zusammensetzung aufwies, der einer ungewöhnlichen Mischung der Grundsubstanzen (beispielsweise Quarzsand und Kalk) vorausging, lässt sich an dieser Stelle nicht abschließend beurteilen.

      Erwähnt sei aber, dass Knut den speziellen Charakter seines Glastisches einzuordnen wusste und nicht müde wurde, jedem Gast zu erläutern, wie erstaunlich facettenreich das Möbelstück sei.

      Als er erwachte, benötigte Knut einen Moment der Orientierung, denn er wunderte sich zu Recht, dass er nicht in seinem Bett aufwachte, wie es der Gewohnheit zufolge geschehen wäre. Draußen müsse es noch stockdunkel sein, ansonsten wäre die Lichtintensität seiner Wohnzimmerleuchte eine andere, so Knuts erste Wahrnehmung. Zunehmend realisierte er, dass er Werner vor sieben Stunden einhellig versicherte, dass er sich am heutigen Morgen ins Auto setzen und seiner Oma einen Krankenbesuch abstatten werde. Dass Knut hingegen um Punkt zwölf einen wichtigen Kundentermin auf der Agenda hatte, vergaß er in der gestrigen Gefühlslage für einige Minuten. Als Knut den Bildschirm seines Smartphones aktivierte, wurde ihm die exakte Uhrzeit angezeigt – es war 03.29 Uhr.

      Er stand auf und glättete sofort das Sofa, schließlich hatte der Stoff im Zuge seiner ungewollten Übernachtung fese Falten geworfen. Auch einige Hautschuppen sammelte Knut penibel ein, indem er seinen rechten Zeigefnger befeuchtete, mithilfe dessen er die unerwünschten Partikeln entfernte und so sicherstellte, dass wieder halbwegs Ordnung eingekehrte. Knut ging zum Fenster und schaute nach draußen. Wie prognostiziert, lag ein nächtlicher Dämmerschlaf über der Stadt. Nur ein pummeliger Mann um die fünfzig nutzte den Bürgersteig in Richtung Innenstadt und kämpfte sich dabei durch eine frische Schicht aus Neuschnee. Tatsächlich war es der erste weiße Niederschlag des bevorstehenden Winters. Bald würden die Räumfahrzeuge auftauchen, dachte sich Knut insgeheim und überlegte nebenher, ob letzte Woche, im Zuge der Durchsicht seines schnittigen Sportwagens, bereits Winterräder aufgezogen worden sind. Nach kurzer Bedenkzeit fel ihm ein, dass der Werkstattleiter ihn in gesonderter Ansprache darauf hinwies, dass es höchste Zeit sei, die Reifen zu wechseln. Schließlich sei es fast Mitte Dezember und Schnee wäre bald zu erwarten. Knut nickte ohne große Widerrede und die Dienstleistung wurde anschließend fachgerecht ausgeführt.

      Nachdem sich Knut einen Joghurt aus dem Kühlschrank geholt hatte, dachte er erneut darüber nach, ob er den Kundentermin heute Mittag wirklich verschieben könnte. Schließlich handelte es sich um einen Stammkunden, der nur wenig Zeit besaß und zudem eine große Filiale unterhielt, die die erlesensten Uhren der Welt in der Auslage hatte. Es ging um richtig viel Geld, vielleicht sogar in der Größenordnung eines Einfamilienhauses samt großzügigem Garten. Knut entschied sich, seinem Großvater um 06.01 Uhr eine Kurznachricht zu schicken.

      „Opi, ich komme erst heute Nachmittag zu euch. Muss mittags die Reifen wechseln. Hab‘ noch die für den Sommer drauf. Gruß, Knut.“

      Eine glatte Lüge, denn Knuts Sportwagen war seit einer Woche korrekt bereift und damit für den Einsatz bei winterlichen Straßenverhältnissen gerüstet. Beim Versenden der Nachricht wurde ihm übel. Nun belog er schon seinen geliebten Großvater. Doch es wäre keine ehrliche Erzählung, wenn nicht festgestellt würde, dass es Knut alles in allem wichtiger war, dass der Kundentermin planmäßig stattfndet.

      Um 11.14 Uhr verließ Knut seine moderne Dreizimmerwohnung, zog die Tür hinter sich heran und überprüfte noch einmal den korrekten Sitz seiner taubenblauen Krawatte. Ohne einen Spiegel zu benötigen, ertastete er den akkuraten Knotenpunkt auf Höhe seines Kehlkopfes. An genau dieser Stelle hatte er Thilo damals im Garten erwischt. Hätte er bloß länger gedrückt, bekam er als Gedankenimpuls aus seinem zurückgezogensten Innern. Vielleicht hätte dieser Mistkerl dann seine Stimme für immer verloren.

      Der zentrale Bildschirm in dem nebelgrauen Sportwagen diente seinem Fahrer als digitale Landkarte, umfassende Musikstation und als Geschwindigkeitsmesser. Eine Uhr war ebenso an Bord. Knut gab die Adresse seines Kunden ein, der eine stattliche Schmuckhandlung in der Innenstadt unterhielt. Mittlerweile waren die Räumfahrzeuge unterwegs und hatten die größten Schneemassen abtransportiert. In der Nacht und bis zum Vormittag kamen etwa fünfzehn Zentimeter des weißen Niederschlages zusammen. Knut startete per Knopfdruck den Motor und löste die Handbremse mithilfe eines Schalters. Er legte den ersten Gang ein, trat aufs Gas und bemerkte, wie die Vorderachse zu rutschen begann. Es schien ein wenig glatt zu sein, obwohl das gestreute Salz genug Zeit gehabt haben musste, um die gewünschte Wirkung zu erzielen und für griffge Verhältnisse zu sorgen. Knut war es sichtlich egal, denn er hatte Zeitdruck und wollte überpünktlich bei seinem Kunden ankommen, um sich sammeln zu können.

      Verkauf sei vor allem Konzentration, so seine klare Meinung. Nichts sei wichtiger, als die Beobachtung des Gesprächspartners und die konkrete Schlussfolgerung aus den sichtbaren Zeichen, die der Kunde in Sekundenbruchteilen aussandte. Knuts Stärke lag vor allem darin, die Menschen in ihren feinen Nuancen auszulesen. Sein Gehirn war wie ein Zentralrechner angelegt, der riesige Mengen an Informationen sichtete, sortierte und anschließend passgenau zusammenfügte. Kaum etwas blieb ihm verborgen. Mithilfe gezielter, aber niemals überfüssiger Fragen, stellte er in Windeseile ein Gesamtbild seines Gesprächspartners zusammen, das von enormer Präzision war. Oft wussten die Menschen über sich selbst weniger, als Knut in einem kurzen, gemeinsamen Gespräch auslotete und treffsicher eruierte.

      Als er an der Adresse des Schmuckhändlers ankam und zu seiner Verwunderung sofort einen Parkplatz fand, klingelte sein Smartphone. Knut ging zügig an den Hörer, um den Anrufer in aller Kürze abzuwürgen, schließlich wollte er sich in Ruhe auf sein Kundengespräch vorbereiten.

      „Sie sprechen mit Knut Kehlbach, guten Tag!“

      „Götz Rastmann am Apparat, guten Tag Herr Kehlbach.“

      Knut war irritiert. Er hatte den Inhaber der Schmuckhandlung am Handy, vor dessen Geschäft er gerade verweilte.

      „Einen wunderschönen guten Tag, Herr Rastmann. Ich bin gerade bei Ihnen angekommen. Wir hatten doch heute 12 Uhr ausgemacht, richtig?“

      Knut wusste sofort, welche Antwort folgen würde, denn er kannte die Gepfogenheiten im Vertrieb bestens.

      „Lieber Herr Kehlbach, genau deshalb rufe ich Sie an. Es ist mir sehr unangenehm, doch ich möchte nicht um den heißen Brei herumreden. Ich habe mein Geschäft heute nicht geöffnet, weil es meinem siebenjährigen Sohn nicht gut geht. Er erbrach die halbe Nacht lang und benötigt heute meine Betreuung. Zwischen allem Trubel vergaß ich dann, Sie rechtzeitig zu informieren. Lassen Sie uns den Termin bitte verschieben. Ihre Unkosten, die Sie durch Sprit und Anfahrt hatten, erstatte ich Ihnen natürlich in vollem Umfang. Und ich melde mich bei Ihnen, sobald es

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