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Tiger aus dem Dschungelbuch, Shir Khan«, erklärte Jens Aschenbrenner. »Und wofür die Siebzehn steht, können wir uns alle denken.« Er lachte, Pfeffer lachte, Froggy nicht.

      »Die Profile sind also noch online«, sagte Pfeffer. »Ich dachte, die werden nach einiger Zeit Inaktivität automatisch gelöscht?«

      »Ja, hier, bei Elvedin wird angezeigt, dass er schon sehr lange nicht mehr aktiv war. Schätze, dass die nach einer gewissen Zeit die Konten löschen. Ah, schau, auch bei ›Shirkhan17‹ wird nun angezeigt, dass er schon längere Zeit nicht online war.«

      »Das bedeutet«, versuchte Pfeffer seine Gedanken zu ordnen, »dass beide möglichst anonym Partner für schnellen Sex gesucht haben. Es werden ja nur Leute in der Umgebung angezeigt …«

      »Wobei man den Radius der Umgebung selbst festlegen kann«, warf Jens Aschenbrenner ein.

      »Kompliziert«, seufzte Pfeffer. »Alles ist möglich. Und die tatsächlichen Sexpartner finden wir nicht. Moment mal! Mann, bin ich blöd. ›Pops23‹. Was ist mit ›Pops23‹? Kannst du den mal auf der App suchen?«

      »Dreiundzwanzig«, wiederholte Froggy leise und betrachtete nachdenklich seine Hände, er spannte die Linke mit größtmöglicher Dis­tanz zwischen den Spitzen von kleinem Finger und Daumen. Dann blies er die Backen auf. »Bah, das ist viel«, sagte er zu sich selber.

      Aschenbrenner tippte und wischte auf seinem Smartphone herum. Nach einer Weile schüttelte er den Kopf. »Nein, weder auf Hottah noch Scruff noch PlanetRomeo.«

      »Mit anderen Worten, wir stehen mit nichts da.«

      »Na ja«, sagte Jens Aschenbrenner. »Ich denke mal, die App-Anbieter müssten das wissen, also IP-Adressen und wer mit wem Kontakt hatte. Hottah ist in den letzten Jahren so erfolgreich geworden, weil sie den Kunden tatsächlich die größtmögliche Datensicherheit von allen Apps bieten. Die garantieren, dass nur die Anmeldedaten gespeichert werden und alle privaten Chats und Bilder nach achtundvierzig Stunden automatisch gelöscht werden. Das machen andere Apps nicht. Wie weit es mit der Garantie dann tatsächlich her ist, steht auf einem anderen Blatt.«

      »Stimmt. Was für uns nun wirklich wichtig wäre«, sagte Pfeffer, »ist, ob du noch Kontakt zu Hamed und oder Elvedin hast? Im realen Leben.«

      »Nein. Elvedin war schon lange nicht mehr hier, bestimmt ein Jahr oder so. Und Hamed hat sich auch schon seit einigen Wochen nicht mehr gemeldet.«

      »Kennst du diese Frau?« Pfeffer zeigte ein Foto der Ermordeten.

      »Oh, die hab ich in der Zeitung gesehen. Geht es um den Marienklausen-Mord? Voll brutal! Erwürgt. Puh. Sind Elvedin und Hamed verdächtig?«

      »Wissen wir nicht.«

      »Meldest du dich mal wieder bei mir?« Beim Abschied merkte Jens Aschenbrenner, noch während er das fragte, dass es ein Wunsch bleiben würde, und endete mit einem verlegenen: »Okay, vergiss es.«

      »Warum hast du die ganze Zeit so ein Gesicht gezogen?«, fragte Max Pfeffer, als sie wieder auf der Straße waren und zum Auto gingen. Eine Tram rumpelte vorbei. Und noch eine in der Gegenrichtung. Die Sonne stand bereits tief.

      »Nix«, antwortete Froggy und stapfte, die Hände in den Hosentaschen zu Fäusten geballt, weiter.

      »Okay, Kollege, du kannst hier einen auf cool machen, aber ich merke, dass was los ist, und ›nix‹ ist keine Antwort.« Max Pfeffer blieb stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden. »Du bist ein guter Ermittler, Erdal, aber irgendwas ist mit dir. Seit du bei mir angefangen hast, merke ich es. Eine Zeit lang wars ganz okay, aber jetzt fängst du wieder an. Außerdem kannst du mir so gut wie nie in die Augen schauen. Ich bin nicht ganz blöd. Ist es mein Privatleben?«

      Froggy machte unbestimmt »Hmm« und zuckte mit den Schultern. Er sah zu Boden. Pfeffer lachte, nicht amüsiert, eher verzweifelt.

      »Warum bist du zu mir ins Kommissariat gekommen? Freiwillig! Wenn dich doch meine sexuelle Orientierung so stört?«

      »Weil … Na, weil du einen guten Ruf als Ermittler hast«, sagte Erdal zaghaft. »Und man bei dir viel lernen kann.«

      »Ach ja? Wer hätte es gedacht! Bei der Schwuppe kann man was lernen, der ist gut …«

      »Schwuppe hab ich nicht gesagt«, meinte Froggy halblaut.

      »Glaubst du, ich weiß nicht, was einige im Präsidium über mich reden? Ich bin ein paar Jahre länger auf der Weide als du, und ich habe schon alles gehört. Und soll ich dir sagen, was mir das ist? Wurscht! Es ist mir scheißegal. Okay? Und wenn du nun meinst, du müsstest damit ein Problem haben, dass dein Chef ein … wie hast du vorhin so schön gemurmelt? … Schwanzlutscher ist, dann ist das dein Problem. Deins. Niemand anderes. Ich erwarte Zuverlässigkeit von meinen Leuten, ja, und auch Loyalität. Nichts weiter. Und das biete ich auch im Gegenzug. Ich hab noch nie einen meiner Leute fallen gelassen. Und wenn dein Problem für dich zu groß ist, dann lass dich versetzen.«

      »Nein«, wand sich Froggy. »Es ist halt nur so … Ich kann mir das nicht vorstellen …«

      »Du musst dir auch gar nichts vorstellen. Es geht dich einfach nichts an.«

      Sie hatten inzwischen den geparkten Wagen erreicht, der in einer kleinen Seitenstraße geparkt war. Gegenüber befand sich der Showroom von Tesla. Pfeffer rauchte noch. »Wenn du zu denen gehören willst, die über mich lästern, dann geh. Wenn du weiter bei mir arbeiten willst, dann gewöhn dir gefälligst ein anderes Menschenbild an.« Pfeffer geriet immer mehr in Rage. Mehr, als ihm lieb war. Scheiß auf die Fortbildungen über Mitarbeiterführung und -gespräche. Scheiß auf Disziplin und dickes Fell. Es musste einfach mal raus. Jetzt. »Soll ich dir was sagen? Ich bin verwitwet. Ich habe letztes Jahr meinen Mann verloren, den tollsten Mann der Welt, mit dem ich fast zwanzig Jahre lang glücklich war. Das war die Liebe meines Lebens, verstehst du? Und wie haben die meisten Kollegen reagiert? Gar nicht. Kein Beileid. Nichts. Klar, einige waren bei der Beerdigung. Toll! Aber aus echter Anteilnahme kamen die wenigsten. Nicht, dass ich darauf großen Wert lege, aber als die Frau vom Hallberger neulich an Krebs gestorben ist, da haben sie gesammelt für einen Kranz und den Hallberger behandelt wie ein rohes Ei und ihm sogar ein paar Tage Sonderurlaub gegeben, geradezu aufgedrängt …«

      »Na ja«, sagte Froggy, »wenn die Frau stirbt, ist das ja auch echt was anderes.«

      Da konnte Max Pfeffer nicht mehr anders. Die Sonne, die Straße, das Auto, die Passantin mit dem Kinderwagen, alles verschwand für Sekundenbruchteile in einem großen Rot. Er konnte nicht mehr. Es war letztlich nur ein Reflex. Pfeffer drosch Erdal Zafer mit der Faust einen sauberen Haken mitten in die linke Gesichtshälfte, sodass Erdal überrascht nach hinten taumelte und gegen den Wagen prallte. Gleichzeitig aber schickte Erdal reflexartig seine Rechte los, die Pfeffer am linken Auge traf.

      25

      Als Pfeffer die Haustür aufschloss, schallte ihm Tu cherche qui, rencontrer la mort? entgegen. Er erkennte sofort ›I’ve Seen That Face Before‹ von Grace Jones. »Hi, Cosmo«, brüllte Pfeffer ins Haus, legte den Schlüssel auf das Tischchen im Eingangsbereich und ging gleich in die Küche, um sich im Eisschrank etwas Kühlendes fürs Auge zu suchen.

      Dance in bars and restaurants. Home with anyone who wants …

      »Hi, Dad!«, rief Cosmo vom Wohnzimmer zurück. Die Musik wurde leiser. »Voll cool, die Grace. Hatte ich ganz vergessen!«

      »Wem sagst du das!«, antwortete Pfeffer. Als Sportler hatte er immer Eispads im Kühlfach. Eines davon presste er sich nun gegen das linke Auge. »Das ist es das beste Lied, das sie je gemacht hat beziehungsweise eines der besten Lieder aller Zeiten, und das ganze Album ist in meinen ewigen Top Ten. Wir haben euch doch schon euer Leben lang damit gepestet, erinnerst du dich nicht?«

      »Doch. Klaro. Nehm ich mit«, sagte Cosmo. »Die ist übrigens echt cool, die Grace, obwohl die schon siebzig oder so ist. Hatte mit ihr letzten Sommer einen Gig in Amsterdam. Die hat die Bühne gerockt, und wir haben anschließend noch gemütlich einen geraucht.«

      »Du kennst Grace Jones? Persönlich?«

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