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ablenken. Aber nicht mit mir. Mit wem betrügst du mich?« Er packte sie fest an den Handgelenken.

      »Lass los, du tust mir weh.« Er ließ nicht los, sie versuchte, sich zu befreien, was allerdings nicht gelang. Plötzlich ließ ihre Gegenwehr nach, sie starrte ihrem Mann direkt in die Augen. Erkenntnis leuchtete auf. »Moment. Moment! Du schenkst deiner Mutter was? Einfach so? Ihr habt euch ganz offenbar nicht ausgesprochen und versöhnt. Sie erpresst dich. Du hast eine Affäre. Du bist hier die Schlampe! Tilda hat mich gewarnt! Sie hat mich gewarnt. Lass mich los, du Kotzbrocken! Von wegen Friede, Freude, Eierkuchen wegen der Stadtratswahl!«

      »Du machst dich lächerlich«, antwortete Herbert Förster und stopfte die Hände in die Taschen seines Morgenmantels.

      »Sag bloß nicht, dass du tatsächlich was mit unserem Kindermädchen hattest!«

      22

      Max Pfeffer hatte diese Schwabing-Sperre. Er konnte das Viertel noch nie leiden, früher nicht, und jetzt erst recht nicht. Er war ein Kind des Schlachthofviertels, quasi das diametral entgegengesetzte München. Aufgewachsen in der Zenettistraße, wo es meist noch richtig nach Schlachthof roch – der unverwechselbare Mix aus Blut und Kot – und nicht nach Erbschaft und Chanel. Damals gab es noch den Pferdemarkt am Sonntag und die Kühe wurden noch über die Rampen von den Güterwaggons entladen. Lange her, inzwischen war das Schlachthofviertel eins der hippsten und teuersten der Stadt. Nur beschwerten sich nun die Anwohner, wenn es nach Schlachthof roch. Aber wie es in seiner Kindheit war, hatte ihn geprägt. Das war sein München. Schwabing war schon damals immer eine andere Welt, ein ganz anderer Kosmos. Und das blieb es. Es hatte ihn nie dort hingezogen, und wenn er in Schwabing war, fühlte er sich immer unwohl. Schwabing, das waren für ihn die Touristenmassen und dazwischen die Vorgestrigen, die Alten, die dachten, sie seien noch junge Rock-’n’-Roller, die Tücherfrauen, die sich alle (immer noch!) für Künstlerinnen hielten, die schrulligen Botoxopfer, die dachten, dass ›kess‹ immer noch ein Modewort sei, die alten Stenze mit weißen Sommeranzügen und Strohhüten, die so gerne den Monaco Franze gaben, die Bussi-Bussis und Adabeis, die Has-Beens, die immer noch verzweifelt um Aufmerksamkeit buhlten, kurz: alle, die den Anschluss zur Gegenwart längst verpasst hatten.

      Und dann der Elisabethmarkt. Den mochte Pfeffer sowieso nie. Der kleine Wochenmarkt gegenüber der Schauburg: der romantische Lieblings-Place-to-Be für alle Schwabinger – oder doch nur die schillernde Fakeversion eines echten Markts. Optisch, das musste selbst Pfeffer zugeben, wars romantisch hier. Und dort fand Pfeffer denn auch den einzig freien Parkplatz weit und breit. Die paar Meter die Elisabethstraße hinunter waren nicht schlimm. Bella Hemberger beeilte sich, mit ihrem Chef Schritt zu halten. Beide waren hochzufrieden, dass die Aktion mit Giselle von Dettmann am Vortag so gut geklappt hatte. Die Fotos von Hamed und Elvedin prangten auf dem Titel der Münchner Nachrichten, darüber die Schlagzeile: »Was wissen die beiden über den Marienklausen-Mord?«

      Als sie das Haus von Försters Arbeitsapartment erreichten, verließ gerade eine Frau das Gebäude. Die Polizeibeamten nutzten die offene Tür und klingelten nicht. Als sie oben ankamen, hörten sie die heftige Auseinandersetzung zwischen dem Ehepaar Förster. Bella Hemberger, eben schon bereit zu klingeln, zog ihre Hand zurück. Gemeinsam lauschten die Kriminaler eine Weile. Schließlich öffnete sich vorsichtig die Tür, und ein schlankes Mädchen schlüpfte heraus. Sie trug eine Skinny Jeans und einen schwarzen Pulli mit der Aufschrift ›Minga‹. Sie sah Pfeffer und seine Kollegin erstaunt an, während sie leise die Tür hinter sich zuzog.

      »Und Sie sind?«, fragte Bella Hemberger.

      »Niemand«, antwortete das Mädchen. Schmal und zierlich, wie sie war, konnte man sie auf vierzehn schätzen, oder auch erst zwölf. Das Mädchen wollte sich an den Beamten vorbeidrängen.

      »Moment, junges Fräulein«, sagte Bella Hemberger streng. »Das war schon ernst gemeint. Wer sind Sie?«

      »Geht Sie das was an? Nein. Habe ich was verbrochen? Nein. Also bitte.« Die Kleine straffte die Schultern und hüpfte schnell die Treppen hinunter.

      »Halt, Polizei!«, rief Bella Hemberger. Pfeffer hielt sie am Arm zurück, dem Mädchen nachzulaufen.

      »Die kriegen wir schon noch«, sagte er. »Der Förster wird uns nicht verheimlichen können, was für minderjährige Mädchen sich aus seiner Bude schleichen.« Pfeffer klingelte nun.

      Nach einer Weile riss Förster die Tür auf und brüllte: »Ja, was?« Dann: »Na, Sie haben uns noch gefehlt.«

      Die Kriminalbeamten betraten das Arbeitsapartment und grüßten. Susa Förster verdrehte nur die Augen, ihre Schwiegermutter rief »Guten Morgen« und lächelte künstlich.

      »Sie sind Marlies Förster, vermute ich«, sagte Max Pfeffer. »Das trifft sich gut, dass Sie auch hier sind.«

      »Was wollen Sie?«, fragte Herbert Förster scharf.

      »Zunächst, Herr Förster, kennen Sie diese beiden Männer?« Bella Hemberger holte die Fotos von Elvedin und Hamed heraus. Susa und Herbert Förster bestätigten, Hamed Bakhtari zu kennen, als Praktikant bei ihrem Gärtner. Bei Elvedin Saqqaf nickte nur Herbert.

      »Ja, das ist der Elvedin, der sollte bei mir als Aushilfe anfangen. Mein Schwager Robert hatte das eingefädelt. Er macht so ehrenamtliche Flüchtlingshilfe und so einen Schmarrn.« Förster drückte den Stummel seines Zigarillos aus.

      »Welche Art von Aushilfe?«, fragte Pfeffer.

      »Mein Schwager Robert hatte damals noch ein Kaffeemobil, mit dem er auf dem Parkplatz des Euro-Industrieparks stand, oder auch auf Flohmärkten, Weihnachtsmärkten, der Auer Dult und woanders unterwegs war. Da er ein Insolvenzverfahren laufen hat, gehörte das Kaffeemobil offiziell mir. Also musste ich auch mögliche Aushilfen einstellen. Wie diesen Elvedin. Doch der ist nur am ersten Tag zur Arbeit erschienen und dann nie wieder. Den habe ich nur ein Mal, nein, zwei Mal kurz gesehen. Schien ganz brauchbar, der Kerl. Ein bisserl klein, aber das sind die ja alle. Bob war ziemlich verzweifelt, als der nicht mehr auftauchte beziehungsweise als er erfuhr, dass der ganz verschwunden ist. Dann hatte der Bob seinen zweiten Bandscheibenvorfall und musste das Kaffeemobil eh aufgeben. Voll der Versager.«

      »Wir haben gehört, dass Ihr Schwager einen Foodtruck plant …«

      »Ja, ganz gutes Konzept. Keine klassischen Burger, sondern Exoten-Burger aus Känguru, Springbock, Strauß, Zebra, Krokodil und so. Wo, wenn nicht in München, kann so was laufen? Den finanziere ich. Irgendwas muss der Kerl ja machen«, grummelte Herbert Förster. »Er ist ja gar nicht so verkehrt und bemüht sich. Seine Bandscheibe ist operiert und er möchte was machen. Besser so, als dass er den ganzen Tag zu Hause rumhängt und mir auf der Tasche liegt.«

      »Für den engagierst du dich also«, sagte seine Mutter schnippisch. »Und an mich denkst du nur, wenn ich dir a gun auf die Brust setze.«

      »Mutter!«

      »Erzählen Sie ruhig weiter, Frau Förster«, sagte Pfeffer. »Wir müssen uns ohnehin mit Ihnen unterhalten. Es scheint nämlich so, als ob Sie das Mordopfer Polina Komarowa, das Kindermädchen Ihrer Enkel, recht gut gekannt haben.«

      »Was?!«, riefen Susa und Herbert Förster unisono.

      »Ja, I did.« Marlies nahm ihre Kaffeetasse und schlürfte zeitgewinnend. »Dass mein Sohn und ich nicht die perfekte Beziehung haben, haben die Herrschaften von der Polizei sicher schon gecheckt. Ich habe in den letzten Monaten, ach was, years! … oft meine Lebensmittel … na, wisst ihr, was containern ist? Es ist wirklich unverantwortlich, was alles weggeworfen wird. Das ist alles noch gut! Ich bin natürlich nicht hier in Schwabing containern gegangen. Was, wenn ich Bekannten in die Arme laufen würde! Also bin ich mal nach Moosach, meistens aber nach Giesing. Und da habe ich die Polly kennengelernt und den Lucky, und die Polly hat mich now and then auf einen Kaffee und Kuchen beim Bäcker eingeladen.«

      »Du containerst?«, fragte Susa Förster. »Herbert, wusstest du das?«

      »Sie hat es mir neulich gesagt.«

      »Das wäre für deine Wahl tatsächlich katastrophal, wenn das he­rauskäme«, sagte Susa Förster.

      »Eben«,

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