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Münchner Gsindl. Martin Arz
Читать онлайн.Название Münchner Gsindl
Год выпуска 0
isbn 9783940839725
Автор произведения Martin Arz
Жанр Триллеры
Издательство Readbox publishing GmbH
»Frau Grieshuber, bitte, wir ermitteln in einem Mordfall«, sagte Pfeffer.
»Mord? Davon haben Sie ja gar nichts gesagt!« Die Heimleiterin sprang von ihrem Stuhl auf. »Oh nein, sagen Sie bitte nicht, dass unser Hamed irgendwen umgebracht hat!«
»Nein, beruhigen Sie sich. Wie schon gesagt, suchen wir ihn als möglichen Zeugen.«
Erna Grieshuber ließ sich schwer auf den Stuhl fallen. »Hamed ist am 3. April verschwunden. Das weiß ich noch genau. Er hatte einige Wochen zuvor im März ein zehntägiges Schulpraktikum bei einem Gärtner gemacht. Beppo Dings … Schubert. Danach wollte Hamed unbedingt auch Gärtner werden. Wobei – er hat immer davon geträumt, mal ein Filmstar zu werden. Wie alle Jugendlichen. Weil er so aussah wie irgendein Bollywoodschönling, hat er manchmal gesagt, dass er nach England gehen will, um dort ein Star zu werden. Kindergeschwätz! Oh, da ist ja Massoud.« Sie winkte einem jungen Mann zu, der an der offenen Küchentür mit sorgsam antrainierter Lässigkeit mit den Händen in den Hosentaschen vorbeischlurfte. Er blieb stehen und kam zögernd herein.
»Massoud, das sind Frau Hemberger und Herr Pfeffer von der Polizei«, stellte die Betreuerin vor. Der junge Mann blickte unschlüssig zwischen den Beamten hin und her und biss sich auf die Unterlippe. Furcht spiegelte sich in seinem Gesicht wieder.
»Keine Angst, Massoud«, beschwichtigte Erna Grieshuber. »Es geht nicht um dich, sondern um Hamed. Komm schon her. Massoud hat sich mit Hamed das Zimmer geteilt. Vielleicht kann er Ihnen weiterhelfen.«
»Ich glaube nicht«, sagte Massoud leise und sah verlegen zu Boden. »Ich habe schon alles gesagt, als er verschwunden war. Da habe ich schon nichts gewusst. Er wollte die Schule fertig machen und dann eine Ausbildung. Und er wollte vielleicht nach England gehen, um Bollywoodfilme zu machen.«
»Hatte er denn keine Freundin?«, fragte Bella Hemberger. »Er sah doch sehr gut aus, wie der …«
»Hrithik Roshan«, unterbrach Massoud strahlend. »Ja, Hrithik ist cool! Der ist der Beste. Und Hamed sah aus wie Hrithik, nur in jung. Die Girls waren alle verrückt nach ihm und …« Er brach ab, zuckte mit der Schulter und fuhr dann fort: »Er wollte gerne in England Filmstar werden oder im Garten arbeiten. Das hat ihm Spaß gemacht. Und den Herrn Schubert fand er ganz cool. Er wollte gerne bei dem vielleicht eine Ausbildung machen. Na. Wurde nichts draus. Hamed ist weg.«
»Können Sie sich einen Grund vorstellen, warum Hamed hätte abhauen wollen oder müssen?«
»Nein.«
»Ist er nach England abgehauen?«
»Nein, dann hätte er sich bei mir gemeldet. Hundertpro.«
»Hatte er Ärger mit Mädchen? Oder wegen Drogen oder anderen kriminellen Machenschaften?«
»Machenschaften, hihi«, machte Massoud. »Das ist ein lustiges Wort. Nein, Hamed hat geraucht, Zigaretten, wie wir alle. Sonst nichts. Ab und zu ’ne Shisha, machen auch alle. Und in den letzten Wochen hatte er keine Freundin. Ich weiß wirklich nicht, warum er fort ist. Er hat … er war am Tag zuvor völlig normal. Nichts Besonderes.«
Pfeffer legte den beiden ein Foto von Polina Komarowa vor. »Kennen Sie dieses Mädchen?«
»Nein.« Erna Grieshuber und Massoud schüttelten den Kopf.
»Und was sagt Ihnen ›Pops23‹?«
»Nichts«, sagten beide unisono.
18
»Mein Vater ist weg«, sagte der Junge und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Er trug ein FC-Bayern-Shirt, Rückennummer 6, Thiago, und eine blaue Trainingshose von Adidas, die ihm etwas zu kurz war. Die Füße steckten in Adiletten. Der Bub war neun und sprach perfektes Deutsch. Daher dolmetschte er für seine Mutter, die außer ein paar genuschelten Floskeln angeblich kaum ein Wort Deutsch sprach oder verstand. Die Mutter Bahira saß auf dem Sofa, trug Jeans sowie ein modisches Shirt und hatte zum Erstaunen der Beamten einen flotten Haarschnitt in Blond. Neben ihr auf dem Sofa saßen noch die achtjährige Nur und die sechsjährige Yasemin. Beide ganz artig und riesenäugig.
»Wie heißt du?«, fragte Bella Hemberger.
»Esat«, sagte der Junge. »Esat Saqqaf. Esat heißt Löwe.«
»Esat ist ein schöner Name«, sagte Bella, der Junge lächelte zaghaft. »Du bist nicht gut auf deinen Vater zu sprechen?«
»Wie denn? Er hat uns im Stich gelassen«, sagte der Junge hart. »Das macht ein Mann nicht. Ein Mann kümmert sich um seine Familie.«
»Er hat euch sicher unter vielen Entbehrungen hierhergebracht«, sagte Bella. »Er hat euch vor dem Krieg in eurer Heimat schützen wollen.«
Der Junge zuckte mit den Schultern und sah trotzig aus dem Fenster. Auf den unteren Teil der Scheibe hatten die Kinder mit Fensterfarben Schmetterlinge gemalt. Die Familie von Elvedin Saqqaf, dessen silbernen Armreif man bei der Ermordeten gefunden hatte, lebte in einer kleinen Wohnung in Ramersdorf, in einem von mehreren Wohnblocks, deren Fassaden in leuchtenden Farben bunt gestrichen waren, um über die graue Umgebung hinwegzutäuschen. Die Blocks lagen direkt an der Auffahrt zur Autobahn nach Salzburg, vom Balkon aus sah man auf den Drive-in von Burger King. Als Pfeffer und Hemberger durch die Anlage gegangen waren, war ihnen aufgefallen, dass Kinder trotzdem fröhlich spielten und Mütter lachend und ratschend zusammensaßen. Im Treppenhaus roch es nach exotischen Gerichten. Die kleine Zweizimmerwohnung der Familie Saqqaf ging direkt auf den Burger-King-Parkplatz hinaus. Immerhin konnte man auch den Turm der Ramersdorfer Marienkirche sehen. Zwei Zimmer, Küche, Bad, Balkon für fünf Personen, sechs, wenn der Vater hier wäre. Esat war der Älteste. Die Kinder teilten sich offenbar ein Zimmer, das andere diente als Wohn- und mütterliches Schlafzimmer. Die Möblierung war spärlich, aber praktisch, und alles war geradezu peinlich sauber. Auf einem kleinen Tisch stand ein alter Computer. An den Wänden hingen fertige Puzzles von Münchner Motiven, Theatinerkirche, Monopteros, die Eisbachsurfer. Und ein Foto, das die glücklich lächelnde Familie zeigte. Die Kinder waren noch deutlich kleiner. Eine hübsche Familie, Papa und Mama waren beide attraktiv-orientalisch und die Kinder niedlich.
Nun sagte die Mutter etwas auf Arabisch. Der Bub antwortete ungehalten und sagte dann auf Deutsch: »Meine Mutter will wissen, ob Sie eine Nachricht von meinem Vater haben.«
»Nein«, antwortete Pfeffer. »Ja, doch, vielleicht. Sagt ihr ›Pops23‹ etwas?«
Der Junge übersetzte zwar nicht, dennoch reagierte die Mutter. Sie schüttelte den Kopf.
»Werden wir jetzt abgeschoben?«, fragte der Junge.
»Nein, keine Angst«, sagte Bella Hemberger. Sie hatten den Status der Familie abgeklärt, sie hatten eine Aufenthaltsgestattung. »Wir sind hier, weil wir wissen wollen, wo dein Vater ist, beziehungsweise seit wann er weg ist.«
»Seit elf Monaten und sieben Tagen«, sagte der Junge wie aus der Pistole geschossen.
Bella pfiff erstaunt durch die Zähne.
»Und warum habt ihr ihn nicht als vermisst gemeldet?«, fragte Pfeffer.
»Weil … wir waren bei der Polizei, meine Mama und ich, und ich habe alles genau erklärt, aber die haben uns nach Hause geschickt und sich nicht für uns interessiert.«
Bahira Saqqaf gab einen Wortschwall von sich.
»Meine Mutter sagt, dass die Polizei kein Interesse an einem syrischen Flüchtling hat. Sie sagt, die Polizei war nicht nett. Aber wir brauchen ihn hier, er ist das Familienoberhaupt. Wir haben sogar Onkel Robbie mitgenommen, und der hat laut mit den Polizisten geschimpft, aber das hat nichts genutzt.«
»Wer ist Onkel Robbie?«, fragte Pfeffer.
»Onkel