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erklären, was passiert war und dass sein Opa einen Impfstoff entwickelt hatte, doch seine Eltern stempelten Hans als einen verrückten Wissenschaftler ab. Sie sagten, dass sie verstehen, dass er traurig und es schrecklich sei, dass er seinen Tod hautnah miterleben musste. Damit er sich ausruhen konnte, schickten sie ihn auf sein Zimmer. Benjamin liebte seinen Opa sehr, für ihn war er der coolste Mensch auf der Welt. Er glaubte fest daran, dass der Impfstoff wirklich funktionierte. Die nächsten Tage verbrachte er damit, seine Eltern zu überzeugen, den Impfstoff an die Kollegen von Hans zu schicken, doch die Eltern dachten, sie würden sich und Hans vor den Kollegen lächerlich machen. Benjamin fing an zu überlegen, wie er den Impfstoff an die Öffentlichkeit bringen konnte. Ihm ist durchaus bewusst gewesen, dass einem Zehnjährigen nicht so leicht Glauben geschenkt wird. Wenn nicht einmal seine Eltern ihm glaubten, wer würde ihm dann glauben? Die Frage stellte sich Benjamin auch und weil ihm zunächst niemand einfiel, wurde er schnell entmutigt und gab auf. Es ließ ihm nachts aber keine Ruhe, weil er sich überlegte, dass viele Menschen täglich starben, obwohl er einen wirksamen Impfstoff besaß.

      Er befragte seine Eltern nach den Freunden von Hans, weil er glaubte, dass diese ihm glauben würden. Seine Eltern erwähnten Volker. Benjamin kannte ihn bereits, weil er immer auf den Geburtstagspartys von Hans war. Er wusste, dass er ebenfalls Wissenschaftler war. Benjamin probierte ihn zu kontaktieren. Da er noch kein Handy hatte, probierte er mit dem Laptop seiner Mutter eine E-Mail zu schreiben. Der Laptop war aber mit einem Passwort gesichert. Benjamin beschloss, zu seinem Opa zu laufen um in seinem Adressbuch nach der Adresse von Volker zu suchen. Er packte einen kleinen Rucksack mit Klamotten, dem Impfstoff und dem Schlüssel von Hans Haus. Danach verließ leise die Wohnung. Seine Eltern hatten nichts mitbekommen. Den Weg zu seinem Opa kannte er bereits, denn sein Opa hatte ihn oft zu Fuß nach Hause gebracht. Er wusste nicht, wo er das Adressbuch suchen sollte. Er begann im Wohnzimmer, weil sein Opa dort den meisten Krempel hingelegt hatte. Er suchte gefühlt über eine Stunde, obwohl es bestimmt nur zehn Minuten waren, doch das Buch war nirgendwo zu finden. Er ging die Treppe hoch und suchte an seinem Lieblingsort weiter, dem Labor. Sein Opa hatte ihm immer verboten, in diesem Raum seine Sachen zu erkunden, deswegen fühlte er sich schlecht, den Raum zu durchforsten.

      Er fand das Adressbuch in einer Schreibtischschublade unter einem Stapel Papier. Er suchte nach Volkers Adresse. Er hatte Glück, denn Hans hatte sein Buch nicht sauber geführt, nur wenige Adressen hatte er sich aufgeschrieben. Volkers Adresse war auf einem Klebezettel hinten im Buch notiert. Benjamin nahm sich den Zettel, plünderte den Süßigkeitenschrank in der Küche und verließ das Haus. Mit reichlich Proviant machte er sich auf den Weg zur S-Bahn.

      Benjamin wohnte in Wilmersdorf und musste alleine nach Friedrichshagen. Er wollte am Bahnsteig nach dem Weg fragen und mit der Bahn fahren, doch die Bahnen fuhren schon lange nicht mehr, denn es herrschte eine Ausgangssperre. Die Menschen durften nur noch zum Einkaufen nach draußen. Benjamin beschloss zu laufen und sobald er in Friedrichshagen wäre, würde er einfach nach der Schöneicher Straße fragen, in der Volker wohnte. Er begann zu laufen. Nach etwa 30 Minuten Fußweg dachte er, er wäre in Friedrichshagen. Er lief zu einem Einkaufsladen, denn nur da konnte er sich sicher sein, auf jemanden zu treffen. Er versuchte ein paar Menschen anzusprechen, aber die wollten Abstand halten und liefen weiter. Bis er schließlich eine Frau ansprach, die ihm zuhörte. Die Frau hieß Hannelore, aber Benjamin sollte sie Hanne nennen. Als Benjamin sie fragte, ob er in Friedrichshagen sei, erläuterte sie, dass Friedrichshagen weit entfernt sei, wenn er zu Fuß laufe. Denn Benjamin befand sich mitten in Schöneberg. Hanne wollte die Eltern anrufen, doch Benjamin erklärte, warum er alleine unterwegs war. Hanne dachte sich, wenn es auch nur eine winzige Wahrscheinlichkeit gibt, dass der Impfstoff wirksam gegen das Virus ist, ist es das wert, ihn auf seine Wirksamkeit testen zu lassen. Sie beschloss Benjamin zu helfen und bot ihm an, ihn mit zu sich zu nehmen. Benjamin sah keine Chance mehr, alleine zu Volker zu kommen und willigte ein, mit Hanne zu gehen.

      Hanne machte für sie Abendbrot und versprach, Benjamin morgen nach Friedrichshagen zu fahren. Benjamin durfte auf ihrer Wohnzimmercouch schlafen. Er war sehr dankbar, Hanne getroffen zu haben, denn es hätte auch anders für ihn laufen können. Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, brachen sie auf. Sie fuhren mit dem alten Auto von Hanne zu Volker. Die Fahrt dauerte 35 Minuten, in denen sich die beiden besser kennenlernen konnten. Benjamin mochte Hanne sehr, sie erinnerte ihn an seinen Opa, denn sie hatte dieselbe Spontanität und energiegeladene Art wie er.

      Als sie angekommen waren, klingelten sie an der Haustür. Volker sprach über die Gegensprechanlage zu ihnen. Er teilte ihnen mit, dass sie leider nicht reinkommen durften, weil er das Virus habe. Benjamin wollte nicht aufgeben. Er legte den Impfstoff vor die Tür. Hanne und Benjamin setzten sich ins Auto und Volker nahm den Impfstoff an sich. Er nahm ihn mit in seine Wohnung und machte ein paar Tests und die Ergebnisse sandte er an einen Virologen.

      Benjamin klingelte nochmals an der Tür und Volker sprach wieder über die Gegensprechanlage zu ihm. Volker sagte ihm, dass der Impfstoff mit ein paar Änderungen erstaunlicherweise funktionieren würde, dass das aber noch eine Weile dauern werde. Benjamin stieg total stolz auf seine und Hans’ Arbeit zurück zu Hannelore ins Auto. Hanne fuhr ihn nach Hause, wo er schrecklichen Ärger von seinen Eltern bekam. Sie waren aber in erster Linie froh, ihn wieder zu haben.

      Eine Woche später begann die Massenproduktion des Impfstoffes.

      Leider verstarb Volker an dem Virus, zwei Tage bevor der Impfstoff hergestellt wurde. Er schrieb in seinen letzten Tagen eine E-Mail an die Presse, in der er erklärte, dass sein bester Freund Hans den Impfstoff entwickelt und sein Enkel ihn nach seinem Tod ganz alleine zu ihm gebracht habe.

      (Fenja Wudke)

       Vierte Geschichte

       Wir sind alle sehr gerührt von der Geschichte. Nach einer kurzen Pause meldet sich eine Frau mit kurzen Haaren, die mir schon gestern aufgefallen ist. Sie meint, sie würde gerne eine Geschichte, die ihre Schwester ihr erzählt hat, mit uns teilen.

      Wir schreiben den 25.3.2020. Die Straßen sind so leer, wie nie zuvor. Ich habe ein mulmiges Gefühl, wenn ich aus dem Fenster sehe. Wie konnte sich diese Pandemie so weit ausbreiten? Wieso konnte dieses Geschehen nicht verhindert werden? Tausende Fragen, von Millionen von Bürgern, jedoch keine Antworten. Seit ca. zwei Wochen liegt über Deutschland, nein nicht nur über Deutschland, sondern auch über Italien, Spanien, Frankreich und vor allem China und inzwischen über der gesamten Welt ein riesiger Schatten. Die Menschheit wurde getroffen von dem Corona-Virus. Wir haben die Infizierten und probieren nun mit aller Kraft gegen das Virus anzutreten.

      Meine Familie besteht aus fünf Personen. Ich bin 26 Jahre alt, heiße Malia und bin Mutter von zwei Kindern, von meiner süßen kleinen Alina, die vier Jahre alt ist, und meinem Jungen namens Matteo, welcher elf Jahre alt ist und in die dritte Klasse geht. Mein Mann ist 34 Jahre alt und arbeitet selbständig in der Solarindustrie. Ich arbeite in einem kleinen Krankenhaus in Hamburg als Krankenschwester. Vor drei Tagen haben wir erfahren, dass wegen dem Corona-Virus starke Einschränkungen folgen werden. Als Mutter bin ich einerseits besorgt wegen meinen kleinen Kindern, auch wenn es heißt, dass nur ältere Menschen und Risikogruppen gefährdet sind, aber auch wegen unserer Existenz. Wie werden wir in den nächsten Monaten leben? Werden wir genug Geld zur Verfügung haben? Ich meine, große Kredite haben wir nicht, aber auch wenig Rücklagen. Und wenn mein Mann nicht mehr arbeitet, werden wir früher oder später in große Schwierigkeiten geraten, denn mein Gehalt allein wird unsere Familie nicht über Wasser halten können. Ich bin verzweifelt und habe große Ängste, aber trotz alledem weiß ich, dass ich mich in den nächsten Monaten zusammenreißen muss und für mich und meine Familie kämpfen werde, wie nie zuvor. In was für Schwierigkeiten ich geraten werde, ist mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich bewusst.

      Als mein Mann heute Morgen einen Anruf bekam, dachte ich für einen kurzen Augenblick, alles bricht zusammen. Sein Chef teilte ihm mit, dass er wegen des Virus in den nächsten vier Wochen voraussichtlich keine Arbeiter beschäftigen darf. Zeitgleich bekam ich eine E-Mail von Alinas Kita, worin es hieß, dass der Betrieb leider eingestellt werden muss, wegen der derzeitige Situation und der starken Ansteckungsgefahr unter den jüngeren Kindern, welche untereinander viel Körperkontakt haben. Ich sitze nun am Fenster, an meinen Küchentisch, und blicke hinaus. Draußen sehe ich nicht viel,

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