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bewährte Bausteine unseres Gesundheitssystems wegbrechen! Die Schließung einer Praxis für ästhetische Chirurgie führt nicht zu mehr Hausärzten im ländlichen Raum oder andernorts zu verkürzten Wartezeiten beim Radiologen. Dankenswerterweise hat Herr Kowalski auf den Sonderstatus dieser Medizinsparte bereits verwiesen, und ich möchte hier gern nachlegen. Ich erspare uns die oft zitierte Busenvergrößerung und nenne zur Abwechslung die recht häufige Nasenkorrektur. Lassen wir einmal angeborene Fehlformen, Verletzungsfolgen oder Funktionsstörungen außen vor und konzentrieren uns auf diejenigen Eingriffe, die aus rein ästhetischen Gründen erfolgen, so müssen wir zunächst unterstreichen, dass hierfür ausschließlich private Mittel fließen. Wenn jemand mit seiner zu großen oder schiefen Nase Schritte unternimmt, dann zahlt er bei uns in Deutschland zwischen 3.000 und 4.700 Euro und für seine angelegten Ohren bis 3.000 Euro aus eigener Tasche! Wir haben es demnach mit einem Wirtschaftssektor zu tun, der bei uns eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Warum sollte die Politik hier ohne Not regulierend eingreifen, während wir gleichzeitig den Verkauf von legalen Drogen zulassen, die unsere Ressourcen in erheblich größerem Umfang belasten?

      Richtig, lieber Herr Riesen. Frau Gräfin?

      Lassen Sie uns doch die Busen, Nasen und Ohren verlassen und zum Kern unserer heutigen Runde zurückkehren, dem Schönheitsideal. Vielleicht müssen wir diesen Ausdruck ein wenig zurechtrücken, denn um „Schönheit", um Makellosigkeit also, geht es den betreffenden Kandidaten überhaupt nicht. Hier wollen Menschen wegen einer wirklichen oder vermeintlichen Andersartigkeit nicht von der Mehrheit zurückgewiesen werden, das ist es! Dieses Empfinden ist nicht krank, wie schon Herr Kowalski betont hat, sondern durchaus „gesund", und dieses gesunde Volksempfinden lässt sich auch nicht durch gesellschaftspolitische Initiativen vorwiegend aus dem linken Spektrum, unterstützt durch die gewohnt tendenziellen Medien, mal eben beiseite wischen. Wir wissen intuitiv, wer zu uns gehört und wer nicht. Ob es nun die kleine Nase ist und der geringe Abstand zwischen Unterlippe und Kinn, das wollen wir hier mal offenlassen, aber Herr Dr. Burgstaller hat jedenfalls nicht dargelegt, dass wulstige Lippen, eine breite Nase und eine fliehende Stirn als besonders attraktiv gewertet werden. Oder anders ausgedrückt: Wer so aussieht, der gehört eben nicht dazu! Wir brauchen keinen „Kiesel-Bayern" und auch keinen blonden, blauäugigen, nordischen Typen als Leitbilder. „Deutsch" genügt, und dafür stehen wir!

      Frau Breitscheidt?

      Ehe wir hier auf blond, blauäugig, nordisch näher eingehen und möglicherweise bald beim harten Krupp-Stahl, dem zähen Leder und den schnellen Windhunden landen, möchte ich lieber unser aller Augenmerk in die Zukunft richten. Vielleicht kann Corona dazu beitragen, dass wir endlich zur Bürgerversicherung gelangen. Bevor wieder ideologische Gräben aufbrechen, werden wir uns doch wohl einig sein darin, dass wir günstigere Tarife bekommen, wenn alle gemeinsam in den Topf einzahlen.

      Herr Seitenreiter kann kaum noch an sich halten…

      Das glauben Sie doch selbst nicht, Genossin Breitscheidt! Wo sollen denn die niedrigen Beiträge herkommen, wenn sie die Bemessungsgrenze hochfahren und vor allen Dingen jeden Quatsch aus dem großen Topf bezahlen? Es fällt vielen Bürgerinnen und Bürgern ganz einfach schwer, Monat für Monat erhebliche Beträge abzudrücken in dem Bewusstsein, dass davon Aroma- und Urschreitherapien beglichen werden und gutes Geld rausgeht für Klangschalen und Duftstäbchen. Viele zweifeln zurecht daran, dass man Krebskranke mit Mistelzweigen heilt oder eine Linderung herbeiführt, indem man sie mit Blüten bewirft.

      Frau Angermann-Möhrungen ist anderer Meinung?

      Wo ist das Problem, Kollege Seitenreiter? Selbstverständlich sollen alle Leistungen, die Menschen anderen Menschen angedeihen lassen und die zu einer Linderung oder Heilung beitragen, auch entgolten werden. Ich kann Ihre polemische Reaktion überhaupt nicht verstehen. Ayurveda oder Akupunktur sind in der indischen und chinesischen Heilkunst seit Jahrtausenden bewährte Verfahren, warum also nicht auch bei uns? Diese „Komplementärmedizin“, wie wir sie nennen, kann durchaus als Ergänzung zur klassischen Schulmedizin gesehen werden. Es spielt keine Rolle, ob eine Katze grau ist oder schwarz, Hauptsache, sie fängt Mäuse.

      Gegenrede, Herr Seitenreiter.

      Mag alles sein, Frau Angermann-Möhrungen, aber müssen wir wirklich als Versichertengemeinschaft jede Mal- und Musiktherapie mitbezahlen? Gibt es nicht irgendwo eine Grenze? Nehmen Sie allein die Verschreibungen in der Homöopathie: Nach menschlichem Ermessen können die Präparate in einer derart schwachen Dosierung überhaupt nichts bewirken. Das ist so, als ob Sie in Bad Tölz Ihren Zündschlüssel in die Isar werfen und danach in München versuchen, mit einem Glas Flusswasser Ihren BMW zu starten. Das soll mal jeder selbst bezahlen.

      Frau Gräfin dazu?

      Grundsätzlich richtig, Herr Seitenreiter. Dennoch gäbe es für Naturmedizin rege Nachfrage. Hunderttausende strömen in unser Land, ein Großteil aus Afrika und anderen Räumen, wo man in enger Bindung zur Natur sich die heilende Wirkung vieler Pflanzen und Substanzen zunutze macht. Zumindest in den ersten Jahren sollte man diesem Personenkreis das Gewohnte belassen und sie nicht gleich in ein System übernehmen, das ihnen fremd vorkommen muss, für das sie ohnehin nicht einen Cent eingezahlt haben und dies in absehbarer Zeit auch nicht tun werden.

      Ein weiterer Aspekt von Herrn Kowalski?

      Lassen wir mal das Finanzielle außen vor, so bleibt auf jeden Fall der Aspekt der Gerechtigkeit! Wir Sozialdemokraten haben im Bildungswesen mit Haupt-, Realschule und Gymnasium die Entsprechungen von Unter-, Mittel- und Oberschicht abgeschafft und für Gleichheit gesorgt, und genau das werden wir nun auch hier in Angriff nehmen.

      Frau Gräfin Dönhoff schüttelt missbilligend den Kopf.

      Du lieber Himmel, das kann ja heiter werden. Sie haben bei den Schulen ein funktionierendes und bewährtes System zerschlagen und in einzelnen Bundesländern ein Chaos angerichtet. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass die Schülerinnen und Schüler in Bremen, Hamburg, Berlin, Schleswig-Holstein usw. Ihrem Gleichheitsgrundsatz gemäß inzwischen alle gleich blöd sind. Begabte werden nicht gefördert, Lahme, Blinde, Taube und Geistesschwache hemmen den Lernfortschritt, und was die Inklusion noch nicht geschafft hat, bringen jetzt die zahllosen herkunftsvariablen Mitschülerinnen und Mitschüler zu Ende, die kein Wort Deutsch sprechen und ohnehin erst mühsam akkulturiert werden müssen. Wenn ähnlich „überzeugende“ Ergebnisse demnächst auch im Gesundheitswesen auf uns zukommen, dann gute Nacht.

      Frau Gräfin, Bildung ist heute nicht unser Thema.

      Aber Recht hat sie doch, unsere Gräfin! Immer dieses Gerechtigkeits-Geschwurbel! Wissen Sie, diese ganze Bürgerversicherung ist ein einziger großer Irrtum, und es ist nach wie vor richtig, was unser hochverehrter Herr Ministerpräsident Strauß seinerzeit zu sagen pflegte: Einmal irren ist menschlich, ständig irren ist sozial-demokratisch!

      Herr Seitenreiter, bitte! Herr Dr. Burgstaller dazu…

      Lassen Sie es mich deutlich sagen: Jede Elementarversorgung wird zu mehr Ungerechtigkeit führen! Während die Schar der Einkommensschwachen zähneknirschend zu akzeptieren hat, was man ihnen da auftischt, kaufen sich Leute mit Geld à la carte weitere Leistungen dazu. Oder etwas zugespitzt formuliert: Das Privat-Sanatorium ist das Internat der Gesundheitsreform.

      Unterstützung von Ihnen, Frau Gräfin?

      Hundertprozentig, Herr Dr. Burgstaller! Internate und Sanatorien als Stätten der Zuflucht vor einer verfehlten linken Bildungs- und Gesundheitspolitik. Ein bitteres Fazit! Aber müssen wir denn immer nur reaktiv an die Sache herangehen? Wenn ein Deutscher sich krankmeldet, ist das Kind ja längst in den Brunnen gefallen. Warum nicht pro-aktiv vorgehen? Eine gesunde Lebensführung bereits im Kindesalter, sportliche Ertüchtigung bei unseren Jugendlichen, für ein Jahr oder zwei gemeinnützige Aufbauarbeit mit viel körperlicher Betätigung als junge Erwachsene da ist doch so viel möglich!

      Ja, meine lieben Gäste hier im Studio, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer daheim, unsere Sendung neigt sich dem Ende zu. Ein solch umfassendes Thema mit derart vielfältigen Facetten lässt sich beim besten Willen nicht in einer Stunde abhandeln. Darauf werden wir zweifellos noch häufiger eingehen. Bis dahin Ihnen gute Gesundheit! Ihre Annkathrin Millner.

      Chic!

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