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aber lange und weit gereist. Seit wann wohnen Sie hier?“

      „Sei zweieinhalb Wochen. Aber ich verstehe hier niemanden. Sprechen hier alle so wie der schwarze Fritz? Das klang ziemlich merkwürdig.“

      Sie lächelte. „Ferdinand“, sagte sie.

      „Wie bitte?“

      Sie wiederholte den Namen. „Ferdinand heißt der schlechtgelaunte Kerl. Und die Sprache, die er spricht, nennt man Kölsch. Der hiesige Dialekt. Ich persönlich bevorzuge ja Hochdeutsch, wie es sich für eine Dame gehört.“

      Diese Stimme! Einfach faszinierend. Und wie sie sich jetzt die Vorderpfote schleckte – tatsächlich ganz wie eine Dame. Ich wagte einen Vorstoß.

      „Darf ich Sie denn auch fragen, wie Sie heißen, Verehrteste?“

      Ich achtete auf meine Wortwahl. Hier ging es um alles.

      „Sie dürfen, mein Lieber, Sie dürfen. Ich bin …“ – sie machte eine dramatische Pause – „Bertha von Hackenbroich.“

      Eine geborene „von“. Ich war zutiefst beeindruckt. Und Bertha! Was für ein klangvoller Name. Wie passend für eine Dame von edlem Geblüt.

      „Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen“, sagte ich formvollendet und versuchte eine elegante Verbeugung, die leider nur mittelprächtig gelang.

      „Mich ebenfalls, lieber Herr Pelle. Die Freude ist ganz meinerseits. Sie sind ja ein so stattlicher Herr. Und so gepflegt, dass muss ich schon sagen. Ganz anders als diese ganzen ungehobelten Kerle hier. Sie glauben gar nicht, wie schwer man es hier manchmal als Dame hat in dieser Gegend.“

      Augenblicklich schwor ich mir, sie in Zukunft vor jedem Angreifer zu beschützen. Ich plusterte mich ein bisschen auf, um größer zu wirken.

      „Da machen Sie sich aber mal keine Sorgen mehr. Ich werde mich bemühen, dass Sie künftig nicht mehr belästigt werden.“

      Wie redete ich denn plötzlich? So hochgeschwollen. Aber ihr schien es zu gefallen. Denn sie lächelte mich an und sagte: „Da Sie ja noch neu hier sind, darf ich Sie heute Abend zu einer kleinen privaten Soirée einladen? Ich würde Sie dann einigen wenigen Freunden vorstellen. Es gibt auch eine Kleinigkeit zu essen. Makrele, Lachsgelee und Sahne aus dem Becher. Machen Sie mir doch die Freude und schauen vorbei.“

      Konnte ich da nein sagen? Hätte ich Bertha widerstehen sollen? Nein, sie hatte mit ihrer tiefen Stimme und ihrer propperen Figur mein Katerherz erobert.

      „Wenn Sie mir noch verraten wollen, wo Sie zu Hause sind, Gnädigste, werde ich Sie gerne besuchen kommen.“

      Sie warf den Kopf zurück und zeigte mit ihrem bildhübschen Pfötchen in Richtung Norden.

      „Wenn Sie dort hinten durch den großen Garten gehen, kommen Sie auf einen Friedhof. Dort sind meine Ländereien und Sie werden mich dort mit meinen Freunden finden. Gleich rechts neben dem Eingang beginnt eine breite Mauer. Auf der treffen wir uns an schönen Sommertagen wie diesem hin und wieder auf einen Cocktail oder ein paar edle Canapés. Ich würde mich wirklich sehr freuen, Sie dort begrüßen zu dürfen. Pünktlich um 21 Uhr, wenn es dämmert. Zur l’heure bleu, sozusagen.“

      Ich hatte zwar keine Ahnung, was das war, aber schließlich war Bertha von Hackenbroich eine Dame von Welt und ich nur ein Kater aus Stakendorf. Ich nickte begeistert.

      „Ich werde da sein, Teuerste.“

      Sie drehte sich hoheitsvoll um und wisperte etwas in meine Richtung, das klang wie „oh reh war“ oder „oorrewa“. Vielleicht wieder so ein typisch kölscher Ausdruck, dachte ich. Dass es „au revoir“ hieß, lernte ich erst später von Berha.

      Ich ging verträumt meinen Weg nach Hause. Was für ein Geschöpf! Hatten mich meine Beobachtungen doch nicht getäuscht. Bertha war, so schien es mir auf Anhieb, einmalig. Eine Dame, von edlem Blut und mit Manieren, aber dennoch mit Temperament. Und ich hatte eine Verabredung mit ihr!

      Mein neues Zuhause gefiel mir immer besser – von Bertha ganz zu schweigen.

      Katzenboulevard der Dämmerung

      Eines war mir klar: Für die ör blö oder hör blöd – ich wusste noch immer nicht, was das war – musste ich mich ordentlich vorbereiten. Schließlich war es nicht ausgeschlossen, dass dort noch mehr feine Damen von Welt auftauchen würden. Ich putzte mich den ganzen Nachmittag von oben bis unten, von vorne nach hinten, sortierte meinen Pelz und wälzte mich ausgiebig auf meinem Baldriankissen. Für Bertha wollte ich gut riechen, wie es bei einem stattlichen Kater der Fall sein sollte. Als Gastgeschenk mopste ich aus dem Küchenschrank, von dem ich wusste, wie man ihn aufbekommt, noch ein Päckchen Kaninchen Royal. Um neun Uhr war es schließlich soweit: Ich verschwand durch die Katzenklappe in Richtung Friedhof.

      Für uns Katzen ist das immer besonders spannend, so im Halbdunkel durch fremde Gärten und Gebiete zu schleichen. Nach ungefähr zehn Minuten näherte ich mich der verabredeten Stelle und sah schon von weitem, dass dort drei Katzen auf mich warteten. Bertha erkannte ich sofort, an ihrer üppigen Figur und ihrem wundervollen Aussehen. Offensichtlich hatte sie auch wieder diese reizende Schleife im Haar. Die beiden anderen Damen kannte ich nicht, aber ich war mir sicher, dass Bertha sie mir formvollendet vorstellen würde. Und so war es auch, als ich ankam.

      „Oh, Herr Pelle, einen wunderschönen guten Abend“, sagte Bertha sanft. Sie sah auf das mitgebrachte Päckchen Kaninchen Royal. „Das wäre doch nicht nötig gewesen. Schauen Sie, wir haben alles hier. Als Gastgeberin achte ich natürlich darauf, dass alles vorhanden ist.“

      Sie zeigte auf eine Stelle direkt an der Friedhofsmauer.

      „Wir haben einen Mäusespieß, Knabberzeug, einen halben Fisch und für den Spaß reichlich Katzenminze. Aber zunächst möchte ich Ihnen meine Freundinnen vorstellen. Das hier ist Fräulein Flöckchen.“

      Eine schlanke, vollkommen weiße Katze erhob sich, kam auf mich zu und sagte mit sanfter Stimme: „Guten Abend, Herr Pelle, ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen.“

      Fräulein Flöckchen schien ebenfalls eine Dame zu sein, sie bewegte sich sehr grazil, sah edel aus und schien recht selbstbewusst. Etwas dünn für meinen Geschmack und etwas geziert, aber sie machte einen freundlichen Eindruck auf mich.

      Ich machte eine Verbeugung mit dem Kopf.

      „Guten Abend, Fräulein Flöckchen, ich bin ebenfalls erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.“

      Zu mehr kam ich nicht, denn Bertha stellte mir gleich ihre zweite Freundin vor.

      „Herr Pelle, nun möchte ich Ihnen Gudrun vorstellen.“

      Gudrun nun hatte so gar nichts Zierliches an sich. Im Gegenteil, sie sah etwas zerrupft und heruntergekommen aus. Ihr Fell war ein einigen Stellen glanzlos und sie wirkte, als hätte sie schon bessere Zeiten gesehen. Trotzdem sagte ich höflich: „Frau Gudrun, ich bin entzückt, Sie kennenzulernen. Gudrun – das ist ja ein recht außergewöhnlicher Name für eine Katze.“

      Gudrun sah mich mit einem leicht ironischen Blick an. Dann sagte sie mit heiserer Stimme: „Tja, wat willste maache? Meine Katzenmama hatte eine Oma, die so hieß, nach der hat sie mich benannt, da kann ich nix für. Ich finde den Namen eher zum Weglaufen, aber nach all den Jahren habe ich mich dran gewöhnt, auch wenn ich ihn lächerlich finde, denn schließlich heißt so …“

      Bertha unterbrach Gudruns Wortschwall.

      „So, jetzt haben wir uns alle vorgestellt. Nun wollen wir es uns aber gemütlich machen. Ich schlage vor, als Aperitif gönnen wir uns etwas von dem Mäusespieß.“

      Als vollendete Gastgeberin bot Bertha mir zuerst etwas an. Die Mäuse waren etwas knurpselig, schmeckten aber nicht schlecht. Kaum war ich fertig, drängelte Gudrun sich heran und wollte ebenfalls an dem Spieß knabbern. Leider muss ich sagen, dass ihr Duft, der mir dabei in die Nase stieg, etwas moderig war. Ganz anders als Bertha – die roch wieder wie ein Blumenfeld voller Minze und Rosen. Und dann dieses kecke Schleifchen auf dem Kopf – einfach hinreißend.

      Erstaunlicherweise

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