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      Zum Inhalt:

      Eine E-Mail mit einer Adresse in Venedig, einem Foto aus den Dreißigerjahren und einer Gratulationsanzeige.

      Mehr Informationen haben Sid und Chiara nicht, als sie beschließen, die Vergangenheit eines mysteriösen Engländers zu enträtseln. Bei ihrer Suche landen die beiden im alten Ghetto Venedigs, im Wiener Untergrund und in Berlin-Kreuzberg. Nach und nach erforschen sie eine Biografie, die von einer ersten Jugendliebe, allerbesten Freunden, grenzenlosem Hass und Tragik erzählt. Unmerklich verwebt sich die Geschichte mit der Gegenwart und ihnen selbst. Gelingt es, das Puzzle vollständig zusammenzusetzen?

      Eine spannende Reise durch die Zeit, nicht nur für Jugendliche.

      S. Sagenroth

      A. S. Tory und die verlorene Geschichte

      IMPRESSUM

      © S. Sagenroth 2019

      Umschlaggestaltung: Stefan Hilden, HildenDesign.de

      Umschlagmotive: © HildenDesign / © Stephen Mulcahey /Trevillion Images, © Mark Owen/ Trevillion Images

      Lektorat: Leo Aldan

      Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

      ISBN: 978-3-7497-3228-9 (Paperback) 978-3-7497-3229-6 (Hardcover) 978-3-7497-4405-3 (e-Book)

      Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Verlags und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

      Bibliographische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalblibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dt-nb.de abrufbar.

      Prolog

      Berlin, November 1938

      Der Kel­ler­raum war von Dun­kel­heit und Eis­es­käl­te er­füllt. Ein mo­dri­ger Ge­ruch lag in der Luft. Boden und Wän­de waren ru­ßig und feucht, an den Sei­ten die Um­ris­se ei­ni­ger stäh­ler­ner Rega­le mit Kis­ten und Blech­do­sen. Der Jun­ge öff­ne­te die Augen. Die Sprung­fe­dern der schä­bi­gen Ma­trat­ze sta­chen ihm in die Rip­pen. Vor­sich­tig rich­te­te er sich auf. Er fror, Schwin­del er­fass­te ihn und Hun­ger brei­te­te sich als Schmerz in sei­nem Ma­gen aus. Mit der Zun­ge fuhr er sich über die auf­ge­sprun­ge­nen Lip­pen. Vor ihm lag ei­ne zer­bro­che­ne Scha­le mit ei­nem letz­ten har­ten Brot­kan­ten. Die Kan­ne war um­ge­kippt. Nur noch ein feuch­ter Fleck auf dem stau­bi­gen Stein­boden. Sein schmäch­ti­ger Körper tat weh, Ar­me und Bei­ne fühl­ten sich taub an. Angst. Mit aller Ge­walt kehr­te sie zurück. In der Ecke zeich­ne­te sich ein dunk­ler Hau­fen ab. Ei­ne Kin­der­uni­form. Ihn er­griff ein Schau­dern. Was hat­te er ge­tan? Er muss­te fort. So schnell wie mög­lich. Has­tig lang­te er in die Brust­ta­sche sei­ner Ja­cke und zog zwei zerk­nick­te Fotos her­vor. Ei­ne Frau, ein Mann, zwei Kin­der. Ein Jun­ge und ein Mäd­chen. Alle in dunk­ler Klei­dung. Die Hän­de ar­tig vor­ne ge­fal­tet. Mit gro­ßen Augen starr­ten die bei­den Kin­der in die Ka­me­ra. Der Mann blick­te ernst. Nur die Frau trug ein leich­tes Lä­cheln. Das Blond ih­rer Lo­cken stach ge­nau­so her­vor wie das kur­ze hel­le Haar des klei­nen Jun­gen. Der Mann und das Mäd­chen waren dun­kel­haa­rig. Im Hin­ter­grund ein Laden­ein­gang – und ein Schild. Ab­ra­ham To­ra­ni Bü­cher. Auf dem an­de­ren Foto ein Jun­ge mit fröh­li­chem Blick, in der Uni­form der Pimp­fe. Das Mäd­chen spöt­tisch la­chend mit Dirndl und Zöp­fen. Gren­zen­lo­se Trau­er und Schmerz er­fass­ten ihn. Er strei­chel­te die bei­den Bil­der und schob sie in die Ta­sche zurück. Sein Blick fiel auf das win­zi­ge, zer­split­ter­te Fens­ter un­ter­halb der Kel­ler­de­cke. Das of­fen­ste­hen­de Git­ter klapp­er­te lei­se vor sich hin. Er stand auf, schritt mit wa­ckli­gen Bei­nen auf die Rega­le zu, fass­te nach den stäh­ler­nen Stüt­zen, such­te auf den Ein­le­ge­bö­gen Halt und klet­ter­te empor, bis er in­mit­ten von Glas­split­tern vor der klei­nen Kel­ler­lu­ke hock­te. Das Me­tall­regal quietsch­te und schep­pernd fiel ei­ne Do­se zu Boden. Er drück­te den ro­sti­gen Me­tall­rie­gel zur Sei­te und riss das Fens­ter auf. Licht und kal­te Luft ström­ten ihm ent­ge­gen, dann zwäng­te er sich müh­sam und mit letz­ter Kraft durch die schma­le Öff­nung. Er blin­zel­te. Sei­ne Augen trän­ten. Der Jun­ge ver­such­te, sich auf­zu­rich­ten. Sei­ne Bei­ne zit­ter­ten. Ein ei­si­ger Wind streif­te ihn, be­vor er zu­sam­men­brach. Er merk­te nicht mehr, wie je­mand ihn hoch­nahm und da­von­trug.

      

      

      

      

      

       Da stand er auf der Wie­se, die Son­ne schien.

       Er klemm­te sich ein Stück Baum­rin­de zwi­schen Mund und Na­se,

       nahm die­se leicht ver­kram­pfte, stock­stei­fe Hal­tung ein.

       Mein Voollkk! Tssei­ten! Kom­men! Und! Ver­gää­hen!

       Und wir bogen uns vor La­chen, kugel­ten durch das Gras

       und skan­dier­ten immer wie­der:

       Ver­gää­hen! Ver­gää­hen! Ver­gää­hen!

      

       A. S. To­ry

      1. Campeto und Hannover

      Campeto - Mittwoch, 26.09.2018

      Die Herbst­son­ne schien in den ge­pflas­ter­ten In­nen­hof und schim­mer­te in den Fens­ter­schei­ben. Ein war­mer Gold­ton lag auf den Haus­mau­ern und bun­te Wä­sches­tü­cke tanz­ten an der Lei­ne. Eng zu­sam­men­ge­rollt schlie­fen die bei­den Kat­zen un­ten auf der La­de­flä­che des Pick-ups.

      Chia­ra wand­te ih­ren Blick vom Fens­ter, strich die wi­der­spens­ti­gen ro­ten Sträh­nen aus ih­rem Ge­sicht, seufzte und starr­te wie­der auf das Auf­ga­ben­blatt. Er­ör­tern Sie, wel­che Fak­to­ren ge­gen En­de der Wei­ma­rer Re­pu­blik die po­li­tisch ra­di­ka­len Kräf­te am lin­ken und rech­ten Rand stärk­ten.

      Schon seit ei­ner Stun­de saß sie am Schreib­tisch und hat­te nichts Ge­schei­tes zu Papier ge­bracht, konn­te sich ein­fach nicht kon­zen­trie­ren. Die­se E-Mail … sie hat­te sie mehr­mals ge­le­sen, wuss­te nicht, was sie da­von hal­ten soll­te. Den­noch, die Neu­gier war da, hat­te sie so­fort ge­packt und nicht mehr los­ge­las­sen.

      Zeit, ei­ne Ent­schei­dung zu tref­fen.

      Chia­ra griff ihr Han­dy, öff­ne­te ihr Post­fach, klick­te auf Weiter­lei­ten und schick­te in di­rek­ter Fol­ge ei­ne Kurz­nach­richt. Sid, schau mal in dei­ne Mails …

      Hannover - Mittwoch, 26.09.2018

      Ich saß am Schreib­tisch und ver­such­te, das Wirr­warr an Ar­beits­blät­tern und Bü­chern in Ord­nung zu brin­gen, als ich Chia­ras Nach­richt sah. Auf dem Plat­ten­tel­ler ro­tier­te Stings De­sert Ro­se. Das Stück er­in­ner­te mich auf wun­der­sa­me Wei­se an Mar­ra­kesch im letz­ten Jahr. Die Far­ben und Ge­rü­che der Me­di­na. Die flir­ren­de Hit­ze wäh­rend der Mit­tags­zeit. Die stau­bi­gen, rost­ro­ten Ber­ge des Ou­ri­ka­tals. Die Wü­ste, die wir in der Ferne er­ahn­ten, uns aber nicht mehr an­schau­en konn­ten.

      Mit Ach und Krach hat­te ich den Sprung in die Ober­stu­fe ge­schafft und mich da­mit selbst über­rascht. Mitt­ler­wei­le hef­te­te ich von Zeit zu Zeit mei­ne Sa­chen ab, um ei­ni­ger­ma­ßen

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