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Vertrauen wir weiterhin auf den Führer. Er hat schon immer die richtigen Maßnahmen getroffen, zum Wohle unseres geliebten Vaterlandes. Auf den Führer, Sieg Heil!"

      Frenetischer Beifall wurde dem Redner für seine Ausführungen entgegengebracht. Ortsgruppenleiter Schell bedankte sich bei Wahl, worauf dieser ihm gratulierte, dass die Thüngersheimer eine solche funktionierende Gemeinschaft im nationalsozialistischen Sinne sei. Nichtsdestotrotz löste sich die Versammlung rasch auf. Franz Lauk, der neben seinem Freund Hans Geiger saß, meinte nur:

      „Jetzt brauch ich aber dringend etwas Alkoholisches. Nach so viel Vaterland und Führer ist mir ganz übel. Gehen wir noch irgendwohin?"

      „Ja zu mir. Sonst bekommt man ja nichts Gescheites zum Trinken."

      Die beiden gingen Richtung Weingut Geiger, das nicht weit entfernt lag.

      Hans bat seine Frau, ihnen eine Brotzeit zu richten und sich dann zu ihnen zu setzen. Sie nahmen in der Probierecke Platz und ließen es sich schmecken. „So, nachdem das leibliche Wohl befriedigt ist, kann jetzt auch der Geist zu seinem Recht kommen. Was sagt ihr zu diesem heutigen sogenannten lnformationsabend?" „Was soll man dazu sagen? Ich habe nichts anderes erwartet. Die üblichen Durchhalteparolen halt und dass der Führer es schon richten wird. Wenn wir nur alle fest genug daran glauben und uns zur Schlachtbank führen lassen."

      Franz Lauk ließ seinem Sarkasmus freien Lauf.

      „Und du, Emma, was meinst du?"

      „Was soll ich dazu sagen? Ich war ja nicht dort. Aber wenn man euch so reden hört, wird es Einem angst und bang. Irgendwann landet ihr noch einmal im KZ. Hans, ich bitte dich inständig, vorsichtig damit zu sein, mit dem was du sagst. Was können wir denn schon anderes tun, als hoffen und beten, dass alles so schnell wie möglich vorbei ist…" „Da gib dich nur keinen falschen Hoffnungen hin. Zumindest im Westen hat sich die deutsche Front stabilisiert. Die Alliierten haben ihre Versorgungslinien überdehnt!" „Woher weißt du das alles?" Franz war gespannt auf die Antwort seines Freundes.

      „Ich höre ab und zu BBC London."

      „Bist du verrückt Hans!? Du weißt doch genau, was auf das Abhören von Feindsendern steht."

      Emma war entsetzt über den Leichtsinn ihres Mannes.

      „Ja, ich weiß. Ich pass schon auf, keine Sorge. Außerdem habe ich Verbündete im Haus, die aufpassen."

      „Emma hat Recht, Hans. Du solltest wirklich vorsichtiger sein." Franz wusste, dass sein Freund manchmal sehr leichtsinnig sein konnte.

      „Ach was, ich hab´ es langsam satt, mir von diesen braunen Arschlöchern vorschreiben zu lassen, was falsch und richtig ist. Hat meine Familie nicht schon genug gelitten unter diesem Wahnsinn. Waldemar ist vermisst, wer weiß, ob es Armin nicht genauso ergeht. Sagt mir, wohin dieser Wahnsinn noch führen soll?"

      „Zum Endsieg. Du hast doch gehört, was der Wahl von sich gegeben hat. Jetzt komm wieder herunter. Emma hat Recht. Im Moment können wir nicht viel dagegen unternehmen, wenn du nicht riskieren willst, im KZ zu landen. Aber vielleicht kommt ja der Zeitpunkt, wo es möglich ist, zu handeln. Bis dahin bleibt wirklich nur die Hoffnung und Gottvertrauen."

      Hans atmete ein paarmal tief durch. Dann entspannten sich sein Gesichtszüge und er wurde ruhiger.

      „Wahrscheinlich habt ihr Recht. Aber manchmal kann ich diese Verlogenheit und dieses Getue einfach nicht mehr ertragen. Und das Schlimme daran ist, dass es noch viele Menschen gibt, die daran glauben, was ihnen tagtäglich vorgelogen wird." Franz Lauk konnte den Freund gut verstehen. Er versuchte das Gespräch in andere Bahnen zu lenken, was nicht so leicht war.

      „lch bin die nächste Woche übrigens mit Father Clark unterwegs. Er besucht einige Gefangenlager in seiner Eigenschaft als Militärgeistlicher und hat darum gebeten, mich als Dolmetscher mitnehmen zu dürfen. Vielleicht mache ich auf der Rückreise Station in Thüngersheim und wir laden uns auf einen Schoppen bei dir ein. Übrigens, haben wir in Hammelburg einen prominenten Gefangenen bekommen. Den Schwiegersohn von General Patton."

      „Sehr interessant. Wenn du mit deinem Pfarrer hier Halt machst, würde ich mich natürlich freuen, wenn du bei uns vorbeischaust."

      „Gut, aber ich denke, es wird langsam Zeit zu gehen. Sonst macht sich meine Frau womöglich Sorgen. Ich danke euch für eure Gastfreundschaft." Lauk erhob sich. „Warte, ich bringe dich zur Haustüre, nicht dass du dich noch verläufst und womöglich bei der Birgit Schmadtke landest." Als Hans zurückkam, erwartete ihn seine Frau mit vorwurfsvoller Miene.

      „Was fällt dir ein, Hans? Ab sofort hört das auf, mit dem Abhören von Feindsendern. Du bringst uns alle in Gefahr. Denk gefälligst auch an mich und Franziska. Reicht es nicht, dass unsere Söhne womöglich nicht mehr zurückkehren?" Hans sah seine Frau mit düsterem Gesichtsausdruck an. „Gut, ich werde noch vorsichtiger sein als bisher. Aber eines sage ich dir. Was ich tun kann, um dieser braunen Brut zu schaden, werde ich tun. Irgendwann ist einmal Schluss. Und sollten Armin und Waldemar auf dem sogenannten Feld der Ehre bleiben, dann werde ich mich rächen, das verspreche ich dir. Und jetzt lass mich bitte allein. Ich muss nachdenken." Emma ging die Treppe hinauf. Das, was ihr Mann ihr gerade mitgeteilt hatte, trug nicht dazu bei, ihre Sorgen zu zerstreuen.

      Hans brütete noch einen Moment vor sich hin. Dann schenkte er sein Glas voll. Ihm war danach, sich zu betrinken und das tat er dann auch.

      Franzi konnte Werner nie lange böse sein. Denn abgesehen von seinen politischen Ansichten war er ein lieber und zuverlässiger Mensch, mit dem man Pferde stehlen konnte.

      Schon nach einigen Tagen nach ihrem Streit hatten sie sich wieder versöhnt. Man hatte den Flakhelfern immer noch nicht mitgeteilt was ihnen in den nächsten Wochen bevorstand. Mittlerweile war Ferienzeit und Werner war, versehen mit dem Notabitur, abgegangen.

      Heute, am 20.August wurde er achtzehn. Es wurde nun höchste Zeit, dass er sich um seinen Plan kümmerte, sich freiwillig zu melden, um einer Einberufung zuvorzukommen. Doch dann wurde ihm mitgeteilt, dass er zusammen mit anderen Thüngersheimer Jungs des Jahrgangs 1928/29 zum Schanzen an den Westwall abkommandiert werden sollte. Weiter stand darin, dass ihm, Werner Schmadtke, dabei eine ehrenvolle Aufgabe zukäme. Da er ja schon fast zwei Jahre älter war, sei er sozusagen als Führer der Thüngersheimer Gruppe ausersehen.

      Werner wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Begeistert war er nicht. Er wunderte sich nur, dass es mit der Flakabteilung keine Probleme gegeben hatte. Doch weigern konnte er sich nicht. Schließlich war ihm auch klar, dass der Dienst am Vaterland notwendig war. Ewig würden sie ja nicht im Westen bleiben. Danach konnte er sich immer noch melden. Sein Geburtstag neigte sich dem Ende zu. Seine Mutter hatte einen Kuchen gebacken. Emma Geiger das Mittagessen spendiert, Schweinebraten mit selbstgemachten Klößen und Blaukraut. Hans Geiger hatte zu Ehren des Geburtstagskindes einen Bocksbeutel aufgemacht. Das Mittagessen verlief in prächtiger Stimmung. Dazu trug auch die Neuigkeit bei, dass in Thüngersheim demnächst ein Film gedreht werden sollte. Zwar würden die Schauspieler und die übrige Crew in Würzburg übernachten, aber die Außenaufnahmen sollten in Thüngersheim gedreht werden. „Kamerad Hedwig" war der Titel des Filmes, wie Hans Geiger erfahren hatte. Er war deshalb so gut informiert, weil die Crew das Weingut Geiger für das Abstellen ihrer Kameras und sonstiger Gerätschaften nutzen wollte. Die Frauen reagierten ganz aufgeregt. Endlich war mal was los, was den üblichen Rahmen sprengte. Den Tag ließ man bei einer Brotzeit ausklingen. Die beiden jungen Leute beschlossen ihren Lieblingsplatz am Main aufzusuchen. Franziska war in einer merkwürdigen Stimmung. Werner hatte ihr den Brief von der Kreisleitung gezeigt. Mit einem Male wurde ihr bewusst, dass sie Werner für einige Zeit nicht mehr sehen würde. Und danach würde dann höchstwahrscheinlich die Einberufung zur Wehrmacht folgen. Plötzlich wurde ihr klar, dass sie ihn vermissen würde.

      Hand in Hand schlenderten sie den Weg zum Main hinunter. Es war ein lauer Sommerabend und fast hätte man vergessen können, dass Krieg war. Doch wie zum Hohn, jagten zwei amerikanische Jagdbomber über die Felder und Gärten. Franziska und Werner sahen sich nach Deckung um, und erreichten gerade noch unter einer Baumgruppe ein halb verfallenes Gartenhaus. Die Piloten hatten sie offensichtlich nicht bemerkt, denn sie flogen Richtung

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