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Nach ein paar Sekunden hatte er sich wieder im Griff. Er ließ Malik stehen, als sei nichts passiert, schlenderte betont lässig am Buffet entlang und signalisierte Bart, ihm irgendeinen Känguru-Gans-Verschnitt in die Pfanne zu hauen.

      Dass er aber nicht noch einmal in seine Richtung blickte, ließ Malik vermuten, einen wunden Punkt getroffen zu haben. Warum um Himmels willen? Er hatte Suri doch ganz offensichtlich gedisst.

      Als sich der Saal leerte und sie das Buffet abgetragen hatten, ging Malik mit Hedi in die Küchenräume. Das Arbeiten dort war angenehmer, weil sie nur die Wagen positionieren mussten. Die Behälter kommunizierten mit den Kühlräumen und wurden systematisch ein- beziehungsweise aussortiert, wenn nicht mehr genug von einer Speise übrig war. Anschließend bereiteten sie die Wagen mit Kaffee und Kuchen vor. Malik war froh, nicht so viel reden zu müssen.

      Er spielte mit dem Gedanken, Suri in dieser Klinik zu besuchen. Aber war das angemessen? Im Grunde genommen kannten sie sich doch gar nicht. Und selbst wenn sie sich überfahren fühlte oder irritiert war, würde sie Hemmungen haben, es zu zeigen. Es kam Malik so vor, als würde er ihre momentane Schwäche ausnutzen und den großen Helfer spielen wollen. Das Dumme war nur, er würde sie gerne sehen und wissen, wie es ihr ging. Vielleicht konnte er doch etwas für sie tun. Ohne Hintergedanken.

      Er erschrak, als Finger seinen Arm berührten. Hedi winkte ihm und legte dann ihre Hände über den Kopf. Er hob die Augenbrauen und schaute sie ratlos an.

      „Hast du Kopfschmerzen?“, fragte er.

      Hedi entwich ein kehliges Lachen. Sie schüttelte den Kopf und zeigte auf ihn. Der Groschen fiel.

      „Ah, hab nur ein bisschen nachgedacht.“

      Hedi zog einen kleinen Notizblock aus ihrer Hosentasche, in der anderen Hand tauchte ein Bleistift auf. Sie schrieb. Malik lächelte.

      Er brauchte kurz, um sich in die Klaue einzufuchsen.

      Bart hat gesagt, du bist fertig. Wenn du möchtest, können wir zusammen zur Unterdruckbahn fahren, stand auf dem Zettel.

      Malik nickte. Dann stellte sich das Fragezeichen ein. „Fahren?“

      Er fand sich auf dem Gepäckträger von Hedis Elektrobike wieder und kam sich vor, als wäre er 15 Jahre alt. Die Unterdruckbahn war erstaunlich leer, vermutlich machten sich einige später oder noch früher auf den Weg, um den Stoßzeiten auszuweichen. Sie blieben trotzdem an der Tür stehen. Hedi sah ihn neugierig an, dann zückte sie wieder ihren Notizblock.

       Was grübelst du so viel?

      Malik grinste, bat sie um den Stift und schrieb seine Antwort unter ihre Frage.

      Ich hab nur ein bisschen an eine Mitarbeiterin gedacht, die ich gestern kennengelernt habe und die jetzt wohl in der Klinik liegt.

      Hedi las, nickte, schrieb.

      Ja, schrecklich, dass es Suri Temme so schlecht geht. Ich verstehe nicht, dass es immer die Nettesten von allen treffen muss.

      Malik gefiel diese altmodische Art, zu kommunizieren, außerordentlich. Kennst du sie näher?

      Nein, aber sie war immer sehr freundlich zu mir, was man von den anderen Möchtegern-Königinnen und –Königen nicht behaupten kann.

       Hedi, du bist klasse!

      Malik zögerte, fügte dann aber doch hinzu: Weißt du was von Problemen mit den Kollegen oder der Arbeit?

      Nicht direkt, aber ich hatte schon das Gefühl, dass sie es nicht leicht hat. Manche reden auch schlecht über sie.

      Hedi sah nach draußen und erschrak. Sie gestikulierte wild, er verstand, drückte mehrfach aufs Display, damit die Tür geöffnet blieb. Sie nahm den Block und Stift entgegen, machte eine Winkbewegung und zeigte auf ihre und dann Maliks Augen.

      „Ja, wir sehen uns, schönes Wochenende“, sagte er.

      Zu Dienstbeginn im Freizeitpark musste er den Familien oder auch älteren Herrschaften immer wieder erklären, wie sie Leichthelm, Brille und Sensorenanzüge mit welchen Fahrten kombinieren konnten. Gegen 21 Uhr wurde es angenehmer, weil die Jüngeren die Oberhand gewannen, für die das absolut banal war. Sie zogen in Cliquen durch die Halle. Malik blickte auf die Kamerabilder, dann loggte er sich auf einem kleinen Nebenbildschirm ins Friendsnet ein. Das war laut Charlie noch unbekannt und vor Kontrollzugriffen geschützt, sodass er keine Bedenken haben musste, bei Recherchen entdeckt zu werden. Gab es bei Schnittstellen heikle Situationen, warnte eine Software ihn. Malik zögerte, schließlich tippte er den Namen Suri Temme ein.

      Das Ergebnis war umfangreich. Eigentlich hatte Malik sich vorgenommen, sich nur Artikel und Dokumente anzusehen, die mit der Arbeit bei Kronberg zu tun hatten, konnte dann aber doch nicht widerstehen.

      Suri Temme war ein Jahr älter als er, hatte Volkswirtschaft, Informatik und Mathematik in Frankfurt, Wien, Washington und Cambridge studiert. Ihr Vater war ein hohes Tier in der Politik und Malik erinnerte sich vage daran, ihn früher in irgendwelchen Interviews der Nachrichtenkanäle wahrgenommen zu haben. Heute stand er in der zweiten, aber nicht unbedingt weniger einflussreichen Reihe der Altgedienten. Ihre Mutter war Ärztin und längere Zeit in der Entwicklungshilfe tätig gewesen. Malik klickte sich durch die vielen Homestorys. Familie Temme schien vor zehn Jahren noch ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse gewesen zu sein. Ihm wurde immer unwohler, je länger er sich durch die Artikel und Filmbeiträge arbeitete. Suri war auf vielen Treffen von namhaften Wirtschaftsbossen, Thinktanks, Empfängen und Preisverleihungen präsent. Allerdings im Gegensatz zu ihren beiden Schwestern Aziza und Marcella meist im Hintergrund.

      Als die Hochzeitsbilder auftauchten, erschrak er. „Heilige Scheiße“, murmelte er. Aziza Temme im wallenden Brautgewand mit meterlanger Schleppe Hand in Hand mit Hans Vidal vor der Mainhatten-Skyline. Die Fotogalerie zeigte eine selbstbewusste, moderne Hochglanzfamilie.

      Vier Galerien weiter fanden sich die Mitglieder beider Clans vor dem Scheidungsgericht wieder. Malik ertappte sich dabei, wie er versuchte, die Blicke zwischen Suri und dem Gepardenfrettchen zu analysieren. Wenn er es nötig hatte, sie bei der Arbeit herabzusetzen, was lief privat zwischen den beiden ab?

      Was, wenn Suris freundliches Verhalten einfach gespielt war? Mit so vielen, auch familiären Beziehungen konnte sie sich als Frau im wirtschaftlichen Haifischbecken vermutlich ganz gut behaupten. Malik durfte nicht zu naiv an die Sache herangehen. Gleichzeitig verlieh dieser Hintergrund Suris Andeutung durchaus Gewicht. Die Frage war, welche Rolle er in diesem Spiel spielen sollte. Aber war es wahrscheinlich, dass Suri irgendetwas plante, wenn sie in eine Klinik eingeliefert wurde?

      Malik lehnte sich zurück und merkte, dass seine Laune auf den Nullpunkt zusteuerte. Er hörte, wie die Tür hinter ihm quietschte, und drehte sich um. „Na, wie läuft’s mit den pubertierenden Horden?“, fragte sein Bruder.

      „Gut, sie cybern sich dumm und dämlich“, sagte er.

      Dario zog die Augenbrauen hoch, blickte auf den kleinen Seitenbildschirm und wieder zu Malik.

      Er kappte die Verbindung und fuhr das Display zurück in den Tisch. „Hat deine schlechte Laune was mit dem charmanten Feger zu tun, der da gerade zu sehen war?“, erkundigte er sich und fing an, Maliks Nacken zu massieren.

      Er schloss die Augen und genoss die Berührung.

      „Ist doch klasse, wenn du mal jemand kennenlernst, so hat dein Strafeinsatz noch was Gutes“, sagte sein Bruder.

      „Du tust so, als wäre ich ein Hackergespenst, das …“

      „Ja?“

      „… das überhaupt nicht fähig zu Kontakten ist.“

      Dario massierte ihn noch intensiver. Malik stöhnte leise.

      „Meinetwegen, dann bin ich eben das Hackergespenst, aber das ist auch nicht das Problem.“

      „Perfekt! Sie steht auf Hackergespenster! Worauf wartest du?“, sagte Dario, drehte den Stuhl und setzte sich Malik gegenüber.

      „Es

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