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Rubinrot. Керстин Гир
Читать онлайн.Название Rubinrot
Год выпуска 0
isbn 9783401800141
Автор произведения Керстин Гир
Жанр Учебная литература
Издательство Readbox publishing GmbH
»Dir hätte weiß der Himmel was passieren können«, sagte Leslie. »Ich fasse es immer noch nicht! Da machen die all die Jahre so ein Theater wegen Charlotte und dann passiert so was! Du musst das sofort deiner Mum erzählen. Du musst überhaupt sofort nach Hause! Es kann doch jeden Augenblick wieder passieren!«
»Gruselig, oder?«
»Absolut. Okay, jetzt bin ich online. Ich google mal als Erstes Newton. Und du gehst nach Hause, los! Hast du eine Ahnung, wie lange es Selfridges schon gibt? Möglicherweise war da ja früher mal eine Grube und du fällst gleich zwölf Meter tief!«
»Großmutter wird total ausrasten, wenn sie das erfährt«, sagte ich.
»Ja, und die arme Charlotte erst . . . denk mal, all die Jahre musste sie auf alles verzichten und jetzt hat sie nicht mal was davon. Also, ich hab’s. Newton. Geboren 1643 in Woolsthorpe – wo ist denn das? –, gestorben 1727 in London. Blablabla. Hier steht nichts von Zeitreisen, nur was von Infinitesimalrechnung, nie gehört, du? Transzendenz aller Spiralen . . . Quadratix, Optik, Himmelsmechanik, blabla, ah, da ist auch das Gravitationsgesetz. . . na ja, das mit der Transzendenz der Spiralen klingt irgendwie am ehesten nach Zeitreisen, findest du nicht?«
»Ehrlich gesagt – nö«, sagte ich.
Neben mir diskutierte ein Pärchen lautstark über die Joghurtsorte, die es kaufen wollte.
»Bist du etwa immer noch bei Selfridges?«, rief Leslie. »Mach, dass du nach Hause kommst!«
»Bin schon unterwegs«, sagte ich und schwenkte die gelbe Papiertüte mit Großtante Maddys Bonbons darin Richtung Ausgang. »Aber Leslie, ich kann das zu Hause nicht erzählen. Die halten mich doch für irre.«
Leslie prustete ins Telefon. »Gwen! Jede andere Familie würde dich vielleicht in die Klapse einweisen lassen, aber nicht deine! Die reden doch von nichts anderem als von Zeitreisegenen und Chronometern und Mysterienunterricht.«
»Chronograf«, verbesserte ich. »Das Ding funktioniert mit Blut! Ist das ekelig oder ist das ekelig?«
»Chro no graf! Okay, ich hab’s gegoogelt.«
Ich schob mich durch das Menschengewühl in der Oxford Street bis zur nächsten Ampel. »Tante Glenda wird sagen, dass ich das alles nur erfinde, um mich wichtig zu machen und Charlotte die Show zu stehlen.«
»Na und? Spätestens, wenn du das nächste Mal springst, wird sie ja merken, dass sie falschliegt.«
»Und wenn ich gar nicht mehr springe? Wenn das nur eine einmalige Sache war? Wie ein Schnupfen.«
»Das glaubst du doch wohl selbst nicht. Okay, ein Chronograf scheint eine stinknormale Armbanduhr zu sein. Kriegst du massenhaft bei eBay, ab zehn Pfund. Mist.. . warte, ich google mal Isaac Newton und Chronograf und Zeitreisen und Blut.«
»Na?«
»Null Treffer.« Leslie seufzte. »Jetzt tut es mir leid, dass wir das nicht alles früher erforscht haben. Ich besorg uns mal als Erstes Literatur. Alles, was ich über Zeitreisen finden kann. Wozu habe ich diesen doofen Bibliotheksausweis denn? Wo bist du gerade?«
»Ich überquere die Oxford Street und biege dann in die Duke Street ein.« Plötzlich musste ich kichern. »Fragst du, weil du herkommen und ein Kreidekreuz machen willst, falls die Verbindung plötzlich abbricht? Ich frage mich ja mittlerweile, wofür das blöde Kreidekreuz bei Charlotte überhaupt gut sein sollte.«
»Na, vielleicht hätten sie ihr diesen anderen Zeitreisetyp hinterhergeschickt. Wie heißt er noch gleich?«
»Gideon de Villiers.«
»Heißer Name. Den google ich auch mal. Gideon de Villiers. Wie wird das geschrieben?«
»Woher soll ich das wissen? Noch mal zum Kreidekreuz: Wohin hätten sie diesen Gideon denn schicken sollen? Ich meine, in welche Zeit? Charlotte hätte ja überall sein können. In jeder Minute, in jeder Stunde, in jedem Jahr, in jedem Jahrhundert. Nee, das Kreidekreuz macht keinen Sinn.«
Leslie kreischte so laut in mein Ohr, dass ich das Handy beinahe fallen gelassen hätte. »Gideon de Villiers. Ich hab einen.« »Echt?«
»Yep. Hier steht’s: Die Polomannschaft des Greenwicher Vincent-Internats hat auch in diesem Jahr wieder den All-England-School-Polowettbewerb gewonnen. Über den Pokal freuen sich, von links nach rechts, Direktor William Henderson, Trainer John Carpenter, Mannschaftskapitän Gideon de Villiers . . . und so weiter und so fort. Wow, Kapitän ist er auch noch. Leider ist das Bild winzig, man kann nicht unterscheiden, was Pferde und was Jungs sind. Wo bist du gerade, Gwen?«
»Immer noch Duke Street. Das passt doch: Internat in Greenwich, Polo – das ist er bestimmt. Steht da vielleicht auch, dass er ab und an einfach verschwindet? Vielleicht direkt vom Pferd?«
»Ach, ich sehe gerade, der Artikel ist schon drei Jahre alt. Mittlerweile ist er vielleicht schon mit der Schule fertig. Ist dir wieder schwindelig.«
»Bis jetzt nicht.«
»Wo bist du gerade?«
»Leslie! Immer noch Duke Street. Ich gehe schon, so schnell ich kann.«
»Okay, wir telefonieren, bis du vor der Haustür bist, und sofort, wenn du heimkommst, redest du mit deiner Mum.«
Ich sah auf meine Armbanduhr. »Die ist noch gar nicht von der Arbeit zurück.«
»Dann wartest du eben so lange, aber du redest mit ihr, ist das klar? Sie weiß, was zu tun ist, damit dir nichts passieren kann. Gwen? Bist du noch dran? Hast du mich verstanden?«
»Ja. Habe ich. Leslie?«
»Hm?«
»Ich bin froh, dass ich dich habe. Du bist die beste Freundin der Welt.«
»Du bist als Freundin auch nicht übel«, sagte Leslie. »Ich meine, du kannst mir demnächst coole Sachen aus der Vergangenheit mitbringen. Welche Freundin kann das schon? Und wenn wir das nächste Mal für einen blöden Geschichtstest lernen müssen, recherchierst du das Ganze einfach vor Ort.«
»Wenn ich dich nicht hätte, wüsste ich gar nicht, was ich tun sollte.« Ich wusste selbst, dass ich mich irgendwie jammerig anhörte. Aber Herrgott – ich fühlte mich auch jammerig.
»Kann man eigentlich Gegenstände aus der Vergangenheit mitbringen?«, fragte Leslie.
»Keine Ahnung. Wirklich absolut keinen Schimmer. Ich probiere es beim nächsten Mal einfach aus. Bin übrigens jetzt am Grosvenor Square.«
»Dann hast du es bald geschafft«, sagte Leslie erleichtert. »Außer dieser Polosache hat Google nichts mehr über einen Gideon de Villiers gefunden. Dafür jede Menge über eine Privatbank de Villiers und eine Anwaltskanzlei de Villiers in Temple.«
»Ja, das müssen sie sein.«
»Irgendwelche Schwindelgefühle?«
»Nein, aber danke der Nachfrage.«
Leslie räusperte sich. »Ich weiß, du hast Angst, aber irgendwie ist das alles ziemlich cool. Ich meine, es ist ein echtes Abenteuer, Gwen. Und du steckst mittendrin!«
Ja. Ich steckte mittendrin. So eine Scheiße.
Leslie hatte recht: Es gab keinen Grund anzunehmen, dass meine Mum mir nicht glauben würde. Meine »Geistergeschichten« hatte sie sich auch von jeher mit gebührendem Ernst angehört. Ich hatte immer zu ihr kommen können, wenn mich etwas geängstigt hatte.
Als wir noch in Durham gewohnt hatten, war ich monatelang vom Geist eines Dämons verfolgt worden, der eigentlich als steinerner Wasserspeier auf den Dächern der Kathedrale seinen Dienst hätte verrichten müssen. Sein Name war Asrael und er sah aus wie eine Mischung aus Mensch, Katze und Adler. Als er bemerkt hatte, dass ich ihn sehen konnte, war er so entzückt gewesen, endlich mit jemandem reden zu können, dass er auf Schritt