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die kratzige Pferdedecke über ihn und nahm das Halfter des Pferdes, das brav loslief. Martin hatte nur seine Hose und sein Hemd an und Heinrich sah, wie er vor Kälte zitterte und seine Finger langsam blau wurden, aber er lief stoisch weiter. Es dauerte nicht lange, und ein sehr unangenehmer Wind kam auf. Heinrich zog sich die Decke zitternd über den Kopf. Hoffentlich, hoffentlich ging alles gut. 20 Gehminuten vor Rabenegg kam dann der Schneesturm. Martin und das Pferd kämpften sich vorwärts, während der Wind ihnen um die Ohren pfiff und der Schnee vor ihren Beinen immer höher wurde. Heinrich hätte den Weg nicht mehr gewusst, aber Martin und das Pferd waren ihn so oft gegangen, dass sie ihn blind gefunden hätten. Heinrich verkroch sich noch mehr unter der Decke, er war froh, dass er da nicht im bloßen Hemd durch den Schnee stapfen musste, und das alles noch mit leerem Magen.

      Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, kamen sie an. Die Wachen hatten die beiden schon von weiten gesehen, und Ulrich und noch ein paar Männer liefen ihnen entgegen. Einer der Leute nahm Martin das Pferd mit dem Schlitten ab, und Ulrich legte ihm seinen eigenen Mantel um und hakte ihn unter, anscheinend gaben Martins Beine nach.

      Heinrich hatte noch nie in seinem Leben solch tiefe Dankbarkeit empfunden als in dem Moment, als der Schlitten durch das Tor fuhr. Er war gerettet. Vermutlich würde er eine Erkältung bekommen und das Bein musste heilen, aber er würde nicht alleine in der Wildnis erfrieren.

      Ulrich erzählte ihm unterwegs, dass er einen Suchtrupp zusammengestellt hatte, als der Schneesturm aufgezogen war, deswegen waren die Männer gleich zur Hand gewesen. Zuhause trugen sie ihn gleich in seine warme Kammer ins Bett. Erschöpft sank er in seine Kissen. Er klopfte, und eine Magd brachte ihm warme Suppe, gute Würste und Brot. Dazu gab es keinen Wein, sondern warme Milch. Das war Heinrich nur recht, er war so durchgefroren.

      Er machte sich über sein Essen her, als es wieder klopfte und der Verwalter hereinkam. Heinrich wappnete sich. Vermutlich würde er jetzt zu hören bekommen, dass Ulrich es ihm schließlich gleich gesagt hatte und noch irgendwelche anderen Vorwürfe.

      Doch Ulrich sagte etwas ganz anderes: „Heute ist Sonntag. Gestattet Ihr, dass ich Martin trotzdem etwas zu Essen gebe? Er ist sehr erschöpft. Und vielleicht könntet Ihr euch sogar dazu durchringen, ihm die Arbeit heute zu erlassen? Dann kann er sich auch irgendwo hinlegen und sich wärmen.“

      Heinrich starrte ihn verlegen an. Vor ein paar Stunden erst hatte er um eine zweite Chance gebettelt und sich vorgenommen, ein besserer Mensch zu werden, und schon jetzt hatte er seinen Retter wieder vergessen. Er nickte: „Ja. Ja, natürlich, gebt ihm was Gutes zu Essen. Und natürlich kann er sich hinlegen, heute, morgen, die ganze Woche, wie Ihr es für nötig haltet.“

      Ulrich nickte nur und ging wieder. Heinrich war zu erschöpft zum Denken. Er aß fertig und überließ sich dann dem Schlaf in seiner warmen Kammer.

      Als er am anderen Morgen wieder aufwachte, hatte Heinrich üble Kopfschmerzen, seine Nase lief und sein Hals kratzte unangenehm. Außerdem drückte seine Blase. Heinrich wollte aufstehen, um sich zu erleichtern, also schlug er die Decke zurück und wollte die Beine aus dem Bett heben. Ein furchtbarer Schmerz durchfuhr ihn. Der Schmerz war so schlimm, dass er aufschrie und keuchend ins Bett zurücksank. Langsam kam es Heinrich zurück ins Bewusstsein, dass er sich das Bein gebrochen und aufgeschnitten hatte. Ernüchterung machte sich breit, was sollte er nun tun? Er konnte nicht aufstehen und musste doch dringend pinkeln.

      Wenigstens darüber musste er sich keine Gedanken machen, denn die Tür ging auf und eine Magd kam herein. Sie sah ihn kurz unsicher an, anscheinend wusste sie nicht, wie sie sich verhalten sollte. „Ihr habt gerufen, Herr?“ Heinrich war überrascht. Er hatte gerufen? Sie musste wohl seinen Schmerzensschrei gehört haben.

      Kurzangebunden sagte er: „Ich muss pinkeln. Außerdem soll der Verwalter kommen.“

      Sie nickte, brachte ihm einen Topf ans Bett und blieb stehen. Heinrich wartete, dass sie ging, aber das tat sie nicht. Anscheinend wollte sie hierbleiben und ihm helfen. Das kam gar nicht in Frage. Ziemlich unwirsch nahm er ihr den Topf aus der Hand und befahl: „Geh und bring mir den Verwalter. Und was zu Essen.“ Sie meinte nur leise: „Ja, Herr“ und ging.

      Unter großen Schmerzen zog Heinrich sich hoch und setzte sich auf. Er versuchte, sich den Topf zwischen die Beine zu schieben, was eine mühsame Plackerei war. Er fluchte und erleichterte sich, die Hälfte ging daneben und landete im Bett. Heinrich war so frustriert, dass er den Topf zornig an die Wand warf.

      Als sein Verwalter eintrat, sah er sich erst einmal stumm die ganze Bescherung an: Heinrich fluchend im nassen Bett, ein zerschlagener Topf an der Wand mit einer stinkenden Lache auf dem Boden.

      Es dauerte eine ganze Weile, bis die Sauerei beseitigt war. Die Scherben wegräumen und die Lache aufwischen, das ging recht schnell, aber ein Bettlaken zu wechseln, auf dem jemand mit einem gebrochenen Bein lag, das war schon schwerer. Aber sie schafften es und Heinrich war am Ende. Die Schmerzen zermürbten ihn, sein Kopf tat weh, genauso wie seine Glieder. Vermutlich würde er krank werden.

      Und so kam es auch. Im Laufe des Tages zog seine Nase immer mehr zu, er begann zu husten. Hinter seinen Augenbrauen begann es furchtbar zu stechen, v.a. bei jeder Bewegung des Kopfes. Heinrich lag einfach nur noch da und versuchte, den Tag zu überstehen. Gegen Mittag kamen seine Freunde, um ihm Gesellschaft zu leisten, aber Heinrich war nicht sehr gesprächig. Irgendwann zogen sie wieder ab, vermutlich machten sie mit den Saufgelagen weiter.

      In den nächsten Tagen bekam Heinrich nur seinen Verwalter Ulrich zu sehen und die Magd, die ihn versorgte. Mittlerweile ließ er sich mit dem Topf helfen, was weder für ihn noch für seine Pflegerin ein Vergnügen war. Er konnte nur noch selbst essen und sich selbst in einer Schüssel die Hände waschen, für alles andere brauchte er Hilfe. Für Heinrich war das sehr demütigend. Er wurde immer kränker. Die Schmerzen hinter seinen Augenbrauen wurden schlimmer, und unter seinem Brustbein tat es auch furchtbar weh. Erst nur beim Husten, dann auch beim Atmen. Seine Nase war zu, er musste durch den Mund atmen, was ihn wiederum zum Husten brachte. Es war ein Elend.

      Der Arzt aus dem Kloster kam und verabreichte Heinrich viele Tränke, von denen er nicht genau wusste, was drin war. Anscheinend jedoch enthielten sie viel Alkohol und vielleicht noch irgendwelche Kräuter, die müde machten. Auf jeden Fall sorgten die Tränke dafür, dass Heinrich viel schlief, trotz der verstopften Nase und der Schmerzen.

      Seine Freunde kamen jeden Tag an sein Bett, gingen aber immer recht schnell wieder. Mit Heinrich war gerade nichts anzufangen. Entweder schlief er, oder er schlief eben nicht und hatte dann furchtbare Laune. Heinrich fühlte sich wie ein Rennpferd, dass eingesperrt war, und er fuhr aggressiv jeden an, der ihm in irgendeiner Form auf die Nerven ging, auch den Arzt, Bruder Humbert. Seine Freunde machten das eine Zeitlang mit, aber irgendwann reichte es ihnen auch. Nur gut, dass das Weihnachtsfest kam und sie einen guten Grund hatten, um Rabenegg zu verlassen. Nach und nach kamen sie, um sich zu verabschieden. Sie würden zum Weihnachtsfest zu ihren Familien nach Hause reisen und dann wiederkommen, so versprachen sie es zu mindestens.

      Heinrich verbrachte die Feiertage im Bett. Wo hätte er auch sonst hingehen können? Normalerweise verteilte er zu Weihnachten kleine Geldgeschenke, Lebkuchen und wollene Socken an seine Dienstboten und hielt ein Festmahl mit ihnen, aber das übernahm dieses Jahr der Verwalter. Danach kam er und aß mit Heinrich, trotzdem war es unsäglich langweilig.

      Heinrich hatte die Erkältung überstanden und war wieder gesund, aber das Bein würde noch länger brauchen. Die Fleischwunde war gerade dabei, zu verheilen. Nachdem es ein großer Riss gewesen war, würde es wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen, aber die Wunde heilte ohne große Schwierigkeiten.

       Kapitel 2: Die Wahrheit

      Der Arzt war während der Erkältung 10 Tage dageblieben, jetzt kam er nur noch alle paar Tage, um nach seinem Patienten zu sehen. Heinrich war nun viel alleine und hatte Zeit, nachzudenken. Am Anfang hatte sein Zorn über seine momentanen Einschränkungen und über die Langeweile überwogen und er hatte diesen Zorn an allen ausgelassen, die in seine Kammer gekommen waren.

      Er hatte nun sehr viel Zeit, um über sich und sein Leben nachzudenken. Zuviel Zeit. Es war keine gute Bilanz, die Heinrich ziehen konnte. Immer wieder musste er an den

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