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von Sachverhalten festgehalten werden‚ auch wenn keine Garantie für die Entdeckung der Wahrheit damit verbunden werden kann. Mehr noch: Die vielen zitierten Beispiele belegen‚ dass wir auch tatsächlich‚ und gerade in der Philosophie‚ immer schon eine Idee der Wahrheit hatten‚ ohne damit das Problem der Wahrheitsfindung zu verbinden. Ohne eine solche Idee könnten wir weder im praktischen Leben noch in der Erkenntnistheorie noch in der Wissenschaft auskommen: Wir wüssten sonst nicht einmal‚ wonach wir suchen und was wir tun sollten.

      Schließlich finden wir im Kritischen Rationalismus sogar ein starkes Plädoyer für die Vernunft der Wahrheitsideeobwohl er die Wahrheit als unerreichbar beschreibt. Unter anderem sehen Kritische Rationalisten eine letztlich unüberwindbare Hürde in demselben Phänomen‚ das Habermas als Sprachimprägniertheit der Wirklichkeit bezeichnet‚ wenn sie nämlich anerkennen‚ dass Sinneswahrnehmungen Anpassungsreaktionen und daher Deutungen seien‚ dass es also keine reine Wahrnehmung‚ kein reines Datum‚ geben könne‚ und dass alle Begriffe von Theorien und Mythen durchsetzt seien (s. ausführlich VIII. Kapitel unter 4.). Und dennoch bleibt die Vernunft einer Idee der Wahrheit von allen Problemen des Nachweises der Wahrheit unberührt.

      Gegenüber der hier vorgeschlagenen Konzeption der Wahrheit im Sinne einer bestimmten Definition des Begriffs der Wahrheit finden wir insbesondere bei Hegel‚ aber auch noch in manchen zeitgenössischen Denkansätzen‚ eine ganz andere‚ geradezu entgegengesetzte Vorstellung von Wahrheit: Hegel schreibt:„Es ist aber nicht schwer einzusehen‚ daß die Manier‚ einen Satz aufzustellen‚ Gründe für ihn anzuführen und den entgegengesetzten durch Gründe ebenso zu widerlegen‚ nicht die Form ist‚ in der die Wahrheit auftreten kann. Die Wahrheit ist die Bewegung ihrer an ihr selbst‚ jene Methode aber ist das Erkennen‚ das dem Stoffe äußerlich ist.“21 „Es ist der Prozeß‚ der sich seine Momente erzeugt und durchläuft‚ und diese ganze Bewegung macht das Positive und seine Wahrheit aus.“22 Da Hegel Begriffe (also Sprache) und Wirklichkeit einander gleichsetzt (s. u. Kapitel V.3.[1])‚ kann er auch die Wahrheit als eine Eigenschaft der Sache selbst verstehen: Für ihn sind Dinge an sich wahr: „… die Sache ist; und sie ist‚ nur weil sie ist; sie ist‚ dies ist dem sinnlichen Wissen das Wesentliche‚ und dieses reine Sein oder diese einfache Unmittelbarkeit macht ihre Wahrheit aus.“23 Das reine Sein selbst macht in seiner Unmittelbarkeit seine eigene Wahrheit aus‚ die Wahrheit liegt also im „Wesen“ der Dinge selbst: ein Beispiel für die Vorstellung‚ die oben unter 1. (1) als essentialistisch bezeichnet und beschrieben wurde.

      Dass Wahrheit und Falschheit demgegenüber als objektive Eigenschaften von Sätzen angesehen werden sollten‚ drückt Gottlob Frege so aus: „Man muss‚ wie mir scheint‚ daran erinnern‚ daß ein Satz ebensowenig aufhört‚ wahr zu sein‚ wenn ich nicht mehr an ihn denke‚ wie die Sonne vernichtet wird‚ wenn ich die Augen schließe.“24 Russell mag das Schlusswort in dieser Darstellung der kontroversen Ansichten zum Begriff der Wahrheit haben: „Nachdem wir nun festgestellt haben‚ was ‚Wahrheit‘ und ‚Falschheit‘ bedeuten‚ müssen wir überlegen‚ auf welche Weise sich erkennen läßt‚ ob diese oder jene uns vorgetragene Meinung wahr oder falsch ist.“25 „Vorgetragene Meinung“ kann man ersetzen durch „in einem Satz formulierte Sachbehauptung“. In diesem nicht-hegelianischen Sinne soll von nun an klar unterschieden werden zwischen dem Begriff der Wahrheit im Sinne der Korrespondenztheorie (Was heißt „wahr“?) einerseits und dem eigentlichen erkenntnistheoretischen Problem andererseits‚ nämlich möglichst herauszufinden‚ was wir im Prinzip und in konkreten Fällen als wahr betrachten dürfen (Was ist wahr?).26

       4. Wahrheit‚ Gewissheit und Sicherheit der Erkenntnis

       Wahrheit und Licht sind sich überall gleich‚ nur der Irrtum hat tausend Gestalten.

       Isaiah Berlin

      Der Begriff der Wahrheit verlangt eine Abgrenzung zum Begriff der Gewissheit. Der korrespondenztheoretische Begriff der Wahrheit zielt auf Objektivität und Allgemeingültigkeit: Wenn wir von einer nicht-chaotischen realen Welt ausgehen‚ dann muss es wahre Aussagen über die Welt geben‚ und zwar völlig unabhängig davon‚ wer sie äußert‚ wann sie geäußert wurden‚ und genauso unabhängig davon‚ ob wir wissen oder davon überzeugt sind‚ dass eine Aussage wahr ist oder nicht.

      Wir können von der Wahrheit einer Aussage überzeugt sein‚ ihrer gewiss sein; trotzdem können andere zur selben Zeit von der Falschheit derselben Aussage überzeugt sein. Und nicht selten gibt es für die beiden einander widersprechenden Standpunkte gute Gründe. Also kann die jeweilige Überzeugung an sich nicht sicher objektiv wahr‚ also allgemeingültig sein. Gewissheit wird oft auch etwas unscharf mit subjektiver Wahrheit gleichgesetzt; das folgende Zitat soll deutlich machen‚ dass es sich dabei um dasselbe Problem handelt: „Eine von irgend einem besondern denkenden Wesen erkannte Wahrheit ist in so fern bloß eine subjektive Wahrheit: wird sie aber von demselben so erkannt‚ daß sie auch von jedem denkenden Wesen überhaupt … dafür erkannt werden muß‚ so ist sie eine objektive Wahrheit.“27 Man kann in diesem Zusammenhang genauso gut auch vom Fürwahrhalten reden: „Der Irrtum‚ der Aberglaube hat ebenso seine Ursachen wie die richtige Erkenntnis. Das Fürwahrhalten des Falschen und das Fürwahrhalten des Wahren kommen beide nach psychologischen Gesetzen zustande. Eine Ableitung aus diesen und eine Erklärung eines seelischen Vorganges‚ der in ein Fürwahrhalten ausläuft‚ kann nie einen Beweis dessen ersetzen‚ auf das sich dieses Fürwahrhalten bezieht.“28

      Subjektive Wahrheit - genau genommen ein Widerspruch in sich - im Sinne von Gewissheit‚ Überzeugung oder Fürwahrhalten ist erkenntnistheoretisch und wissenschaftlich belanglos. „Der Umstand‚ daß ein Satz einigen oder sogar allen Menschen «selbstevident» zu sein scheint‚ d. h. der Umstand‚ daß einige Menschen oder alle Menschen fest an seine Wahrheit glauben und seine Falschheit undenkbar finden‚ dieser Umstand ist kein Grund für die Wahrheit des Satzes. (Wenn uns die Falschheit eines Satzes undenkbar zu sein scheint‚ so ist das oft nur ein Grund für den Verdacht‚ daß unsere Vorstellungskraft mangelhaft oder unentwickelt ist.) Es ist einer der schwersten Irrtümer‚ wenn eine Philosophie die Selbstevidenz eines Satzes als ein Argument zugunsten seiner Wahrheit anführt; aber so gehen fast alle idealistischen Philosophen vor. Was zeigt‚ daß idealistische Philosophien oft Apologien sind für gewisse dogmatische Glaubensannahmen.“29 Auch Reichenbach hat das Streben nach Gewissheit mehr als nüchtern beurteilt: „Die Suche nach Gewißheit ist eine der gefährlichsten Irrtumsquellen‚ weil sie mit der Behauptung einer höheren Art von Erkenntnis verbunden ist.“30

      Der Unterschied zwischen Wahrheit und Gewissheit ist schon vor zweieinhalbtausend Jahren Xenophanes (ungefähr 565-470) bewusst gewesen‚ wie er es in den folgenden Zeilen beschreibt:

      „Selbst wenn es einem auch glückt‚

      Die vollkommenste Wahrheit zu künden‚

      Wissen kann er sie nie:

      Es ist alles durchwebt von Vermutung.“31

      Wenn man von der erkenntnistheoretischen Hypothese absieht‚ die in diesen Zeilen steckt (und die hier noch nicht zur Diskussion steht)‚ dann kann man sich auf folgenden Gedanken konzentrieren: „…Xenophanes lehrt hier‚ daß etwas‚ das ich sage‚ wahr sein kann‚ ohne daß ich oder sonst jemand weiß‚ daß es wahr ist. Das heißt aber‚ daß die Wahrheit objektiv ist: Wahrheit ist die Übereinstimmung dessen‚ was ich sage‚ mit den Tatsachen‚ ob ich nun weiß oder nicht‚ daß diese Übereinstimmung besteht. Das bedeutet aber‚ daß die Übereinstimmung unabhängig von meinem Wissen besteht: Die Wahrheit ist objektiv; ….“32 „Zum vollen Verständnis von Xenophanes’ Theorie der Wahrheit ist es besonders wichtig zu betonen‚ daß er die objektive Wahrheit von der subjektiven Sicherheit deutlich unterscheidet. Die objektive Wahrheit ist die Übereinstimmung einer Aussage mit den Tatsachen‚ ob wir das nun wissen - sicher wissen - oder nicht. Die Wahrheit darf also nicht mit der Sicherheit oder mit dem sicheren

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