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beschrieben oder festgelegt; Dinge haben oder bekommen einen Namen. Bei der entgegengesetzten sogenannten essentialistischen Position geht man davon aus‚ dass Begriffe Wesensbeschreibungen sind‚ in denen die wahre Natur der durch sie bezeichneten Dinge zum Ausdruck kommt. Anders als beim Nominalismus stecken in solchen Begriffen also Aussagen über die Wirklichkeit; sie sind deswegen erkenntnistheoretisch relevant und problematisch.

      Der Nominalismus könnte leicht in den Verdacht von Beliebigkeit und Willkür geraten. Doch volle Wahlfreiheit im Gebrauch von Begriffen haben wir nur in besonderen Fällen‚ z. B. wenn es um in der Natur neu entdeckte Dinge geht‚ wie z. B. schwarze Löcher‚ Galaxien oder Neutrinos‚ oder aber wenn Phänomene benannt werden sollen‚ an deren mögliche Existenz bis dahin nicht gedacht wurde wie z. B. in der Psychoanalyse Freuds das Über-Ich‚ das Ich und das Es. Auch wissenschaftliche oder juristische Operationalisierungen fallen‚ wie schon der Begriff andeutet‚ weitgehend unter die Entscheidungsfreiheit. Wenn z. B. im Strafrecht der Begriff des Jugendlichen auf ein bestimmtes Alter begrenzt wird‚ folgt man dabei zwar u. a. einer gewissen Vorstellung davon‚ bis zu welchem Alter man bei der Bemessung von Strafen aus Altersgründen mildernde Umstände walten lassen sollte. Man kann aber doch keine wesensmäßige Grenze zwischen Jugend und Erwachsensein zugrunde legen‚ sondern muss sich für eine Altersgrenze entscheiden. Abgesehen von solchen Beispielen haben sich die in unseren Begriffen liegenden inhaltlichen Vorstellungen meistens im Laufe der kulturellen Evolution der Sprache nach und nach herausgebildet‚ weil die Menschen darauf angewiesen waren‚ für einander gleiche oder gleich erscheinende Dinge und Prozesse jeweils bestimmte und möglichst immer gleiche Wörter zu gebrauchen‚ zunächst um überhaupt lebensnützliche Informationen austauschen zu können (s. dazu Kapitel VI‚ 7. [3] sowie das IX. Kapitel)‚ später um sich auch in den höheren Formen des Gedankenaustauschs möglichst irrtumsfrei verständigen zu können. Was dabei herausgekommen ist‚ kann man herrschenden‚ konventionellen Sprachgebrauch nennen‚ den es in Fachsprachen ebenso gibt wie im Alltag. In diesem Sprachgebrauch drückt sich oft auch ein Weltbild aus; aber ebenso wie mit den oben genannten „freien“ Begriffsbildungen werden mit ihm keinerlei erkenntnistheoretische Ansprüche verknüpft.

      Die essentialistische Begriffsauffassung1 ist demgegenüber erkenntnistheoretisch anspruchsvoll. Sie hat die längste Zeit über und bis in die jüngste Vergangenheit hinein die zweieinhalb Jahrtausende alte Geschichte der abendländischen Philosophie dominiert. Popper fasst diese Auffassung folgendermaßen kurz zusammen: „Die philosophische Richtung‚ die ich methodologischen Essentialismus nennen möchte‚ wurde von Aristoteles begründet‚ der lehrte‚ daß die wissenschaftliche Forschung zum Wesen der Dinge vordringen muß‚ um sie zu erklären. Die methodologischen Essentialisten haben die Neigung‚ wissenschaftliche Fragen so zu formulieren: Was ist Materie? Was ist Kraft? Was ist Gerechtigkeit? Und sie glauben‚ daß eine gründliche Beantwortung solcher Fragen‚ die die wahre und wesentliche Bedeutung dieser Begriffe und damit die wahre Natur der durch sie bezeichneten Essenzen enthüllt‚ zumindest eine notwendige Voraussetzung wissenschaftlicher Forschung‚ wenn nicht überhaupt deren Hauptaufgabe ist.“2

      Anders als manche seiner Nachfolger hatte Aristoteles allerdings die komplexen erkenntnistheoretischen Konsequenzen eines essentialistischen Begriffsgebrauchs klar im Blick.3 Für ihn war unabdingbar‚ dass wir unsere Erkenntnisse beweisen müssen‚ wenn wir sie für wahr erklären wollen; und er wusste‚ dass Beweisen ein Schlussverfahren ist‚ das einen sicheren Ausgangspunkt haben muss: „ Daß man nun nichts durch Beweis wissen kann‚ wenn man nicht seine ersten und unvermittelten Prinzipien kennt‚ steht von früher her fest.“ Den Ausgangspunkt für Beweise sah er also in sogenannten unvermittelten Prinzipien‚ solchen‚ die keines Beweises mehr bedürfen. Das genau waren die wesenhaften Naturen der Begriffe. Aristoteles brauchte natürlich eine Lösung dafür‚ wie wir diese unvermittelten Prinzipien denn für wahr halten können‚ wenn wir für sie doch keine Beweise haben. Er sah die halbe Lösung in einem Induktionsverfahren‚ das er aber nicht für ein vollgültiges Beweisverfahren hielt. So griff er am Ende auf die Vorstellung zurück‚ die Wahrheit läge in der Vernunft begründet‚ also in einem rein geistigen Vermögen‚ das man in diesem Fall am besten als Intuition versteht.

      Was Wörter „eigentlich sind und bedeuten“‚ diese Frage wurde schon vor Aristoteles in der griechischen Philosophie erörtert‚ und zwar in Platons Kratylos‚ einer Schrift‚ die Gadamer „die Grundschrift des griechischen Denkens über Sprache“4 nennt. Dort steht auch schon genau die Alternative zur Diskussion‚ die hier unter den Begriffen Nominalismus als konventionelle Festlegung der Bedeutung von Wörtern und Essentialismus als Beschreibung des Wesens der Dinge durch Wörter vorgestellt wurde. Gadamer nennt die Alternative etwas anders‚ nämlich Konventionalismus (im Sinne von Begriffsdefinition als Namensgebung) und Ähnlichkeitstheorie (im Sinne der natürlichen Übereinstimmung von Wort und Sache)‚ und er weist darauf hin‚ dass „die griechische Philosophie geradezu mit der Erkenntnis eingesetzt [hat]‚ daß das Wort nur Name ist‚ d. h. daß es nicht das wahre Sein vertritt“5. Im Kratylos‚ in dem Platon Sokrates im Dialog den alternativen Charakter von Wörtern erörtern lässt‚ wird das Problem nicht eindeutig geklärt. Gadamer glaubt aber die Absicht Platons erkannt zu haben: „Nun scheint mir Platos Absicht ganz klar - und das kann angesichts der nie aufhörenden Usurpation des >Kratylos< für die systematischen Probleme der Sprache gar nicht genug betont werden: Plato will mit dieser Diskussion der zeitgenössischen Sprachtheorien zeigen‚ daß in der Sprache‚ in dem Anspruch auf Sprachrichtigkeit … keine sachliche Wahrheit … erreichbar ist ….“6

      In diesem Sinne könnte Platons Kratylos als eine frühe Parteinahme für den bescheidenen‚ erkenntnistheoretisch harmlosen Standpunkt des Nominalismus angesehen werden. Sie hätte dann aber keine bleibende Bedeutung gehabt; denn sein Schüler Aristoteles legte sich mit nachhaltiger Wirkung auf ein essentialistisches Begriffsverständnis fest‚ das bis ins hohe Mittelalter vorherrschte. Von Descartes‚ Hume und Kant sowie im Kritischen Rationalismus und in der Evolutionären Erkenntnistheorie wird es ausdrücklich abgelehnt. In Hegels Philosophie und noch in Gadamers Sprachverständnis und in seiner ganzen Hermeneutik spielt es aber eine herausragende Rolle und wird in den beiden Kapiteln ausführlich zu erörtern sein.

      An dieser Stelle sollte die große erkenntnistheoretische Bedeutung des alternativen Umgangs mit Begriffen nur erst aufgezeigt werden. Poppers ganze Verzweiflung über den Essentialismus lässt sich erahnen‚ wenn man seinen Kommentar dazu liest: „Das Problem der Definitionen und des «Sinnes der Begriffe» … war eine unerschöpfliche Quelle von Verwirrung und jener eigentümlichen Kunst des Wortemachens‚ die sich im Geiste Hegels mit dem Historizismus vereinigte und dadurch jene giftgeschwängerte intellektuelle Zeitkrankheit erzeugte‚ die ich die orakelnde Philosophie nenne. Es ist außerdem … die Quelle all des wortreichen und leeren Scholastizismus‚ der nicht nur im Mittelalter sein Unwesen trieb‚ sondern auch unsere zeitgenössische Philosophie heimsucht; ….“7 Was es mit der „orakelnden Philosophie“ auf sich hat‚ wird ganz besonders im Hegel-Kapitel zur Diskussion stehen müssen.

      In seinen eigenen Ausführungen verwendet der Verfasser Begriffe ausschließlich im nominalistischen Sinne. Darin liegt eine praktische Vorentscheidung‚ weil ein Autor die Bedeutung seiner eigenen Sprache nicht in der Schwebe halten sollte.

       2. Erkenntnis und die philosophische Position des Realismus

      Erkenntnis wird umgangssprachlich regelmäßig als sichere Erkenntnis verstanden‚ wobei aber doch die Sicherheit der Erkenntnis gerade das zentrale Problem jeder Erkenntnistheorie ist. Um Missverständnisse zu vermeiden‚ könnte man an Stelle von Erkenntnis zunächst einmal von Wissen sprechen; doch auch Wissen bedeutet semantisch eigentlich sicheres Wissen.8 Demgegenüber sollen Wissen und Erkenntnis hier zunächst als gut begründetes‚ d. h. möglichst methodisch gewonnenes sowie bewährtes Vermutungswissen über die Welt verstanden werden. Ob man über die zurückhaltende Position des Vermutungswissens hinauskommen kann‚ das ist die Kernfrage dieses Buches‚ und dazu werden im Folgenden verschiedene erkenntnistheoretische Denkansätze kritisch

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